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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 150/04
Rechtsgebiete: WEG, GBO


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 2
GBO § 19
Eine in der Gemeinschaftsordnung vorweggenommene Ermächtigung des aufteilenden Eigentümers zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten kann nicht in einer die dinglich Berechtigten bindenden Weise als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden.
Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 errichtete auf einem Grundstück, das sie in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt hatte, eine Wohnanlage.

In der Gemeinschaftsordnung ist u.a. bestimmt, dass die Beteiligte zu1 ermächtigt wird, die Gemeinschaftsordnung zu ändern, insbesondere Sondernutzungsrechte ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer und der dinglich Berechtigten neu zu begründen. Auch in den Kaufverträgen mit den Erwerbern wird der Beteiligten zu 1 die Ermächtigung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung eingeräumt; außerdem wird ihr die nach außen unbeschränkte, im Innenverhältnis aber Bindungen unterliegende Vollmacht erteilt, u.a. Sondernutzungsrechte am Gemeinschaftseigentum neu zu begründen.

Am 14.4.2004 ließ die Beteiligte zu 1 eine Ergänzung der Gemeinschaftsordnung beurkunden. Danach wurde den Teileigentümern der im Aufteilungsplan mit Nr. 9 und Nr. 10 bezeichneten Läden jeweils das Sondernutzungsrecht an einer näher bestimmten, vor ihren Läden gelegenen Grundstücksfläche eingeräumt.

Mit Zwischenverfügung vom 27.4.2004 hat das Grundbuchamt den Antrag auf Vollzug der Urkunde beanstandet, weil die Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger aller belasteten Einheiten fehle. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 23.6.2004 die Beschwerde der Beteiligten zu 1 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es ihr freistehe, statt der Zustimmung der in das Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger aller Einheiten mit Ausnahme der im Aufteilungsplan mit Nr. 9 und Nr. 10 bezeichneten Einheiten ein Unschädlichkeitszeugnis vorzulegen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die in den jeweiligen Kaufverträgen erteilte Vollmacht mache zwar die Zustimmung der einzelnen Wohnungseigentümer zur Begründung der Sondernutzungsrechte entbehrlich, es fehle aber die Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger mit Ausnahme der Teileigentümer der Einheiten Nr. 9 und Nr. 10, die durch die Änderung der Gemeinschaftsordnung begünstigt würden. Die Zustimmung der dinglich Berechtigten sei erforderlich, obwohl die Eigentümer der Einheiten, an denen die dingliche Berechtigung bestehe, die Ermächtigung zur Begründung der Sondernutzungsrechte erteilt hätten. Es bestehe allerdings die Möglichkeit, dass auf einen entsprechenden Antrag das Amtsgericht ein Unschädlichkeitszeugnis erteile.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Sollen wie hier als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch einzutragende Sondernutzungsrechte nachträglich begründet werden, ist hierzu sachlich-rechtlich die Einigung sämtlicher Wohnungseigentümer und im Hinblick auf § 10 Abs. 2 WEG die Eintragung in das Grundbuch erforderlich; außerdem ist die Zustimmung der nachteilig betroffenen dinglich Berechtigten und der Berechtigten einer Auflassungsvormerkung erforderlich. Verfahrensrechtlich ist die Bewilligung derjenigen von ihnen erforderlich, aber auch ausreichend, deren Recht durch die Eintragung im Sinn des § 19 GBO betroffen wird (Demharter GBO 24. Aufl. Anh. zu § 3 Rn. 82).

b) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hier die Zustimmung und Bewilligung der dinglich Berechtigten an dem Wohnungs- und Teileigentum der Beteiligten, mit Ausnahme der dinglich Berechtigten an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 9 und Nr. 10 bezeichneten Teileigentum, erforderlich. Der Miteigentumsanteil jedes Wohnungs- oder Teileigentümers umfasst nämlich auch das gemeinschaftliche Eigentum. Durch die Neubegründung von Sondernutzungsrechten am Gemeinschaftseigentum werden deshalb die Rechte der dinglich Berechtigten beeinträchtigt (BGH NJW 1984, 2409 f.; BayObLG DNotZ 1996, 297/301; Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 10 Rn. 50).

Durch die nachträgliche Neubegründung von Sondernutzungsrechten entfällt eine nachteilige Inhaltsänderung des Sondereigentums und folglich auch des Haftungsgegenstands der eingetragenen dinglichen Belastungen nicht deshalb, weil das Recht zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten bereits in der ursprünglichen Gemeinschaftsordnung vereinbart und diese im Grundbuch eingetragen wurde. Eine im Einzelnen bestimmte und wirksame Gebrauchsregelung lag zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vor. Folglich bezog sich auch der Mitgebrauch der Teil- und Wohnungseigentümer auf die Flächen, an denen später Sondernutzungsrechte begründet werden sollten. Das Entsprechende gilt für den Haftungsgegenstand der dinglich Berechtigten (vgl. BGH NJW 1984, 2409 f.). Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 ist durch die Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung die negative Komponente der zu begründenden Sondernutzungsrechte noch nicht festgelegt. Die Vertragsgestaltung unterscheidet sich insoweit wesentlich von der im Fall BayObLGZ 1985, 378 vorliegenden. Zur Begründung der negativen Komponente muss bereits in der Gemeinschaftsordnung genau festgelegt werden, hinsichtlich welcher Flächen die Wohnungs- und Teileigentümer vom Mitgebrauch ausgeschlossen sein sollen (vgl. BayObLGZ 1985, 124 und 378). Nur dann ist die Zustimmung der dinglich Berechtigten für die Zuweisung der Nutzungsberechtigung an einzelne Wohnungs- oder Teileigentümer entbehrlich (vgl. auch Weitnauer/Lüke § 15 Rn. 28 und 38).

Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass eine notwendige Zustimmung dinglich Berechtigter durch ein Unschädlichkeitszeugnis ersetzt werden kann (BayObLGZ 1988, 1; Demharter Anhang zu § 3 Rn. 82 und § 19 Rn. 11).

c) Die in den jeweiligen Kaufverträgen der Beteiligten zu 1 erteilte Vollmacht zur Änderung der Gemeinschaftsordnung und zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten betrifft nur das Verhältnis der Erwerber zum Verkäufer; sie macht die Bewilligung der dinglich Berechtigten nicht entbehrlich (BayObLG DNotZ 1996, 297/301; Schöner/ Stöber Grundbuchrecht 13. Aufl. Rn. 2967c).

d) Vereinbarungen, durch die ein Wohnungseigentümer ermächtigt oder bevollmächtigt wird, Gemeinschafts- in Sondereigentum umzuwandeln, oder nach denen die vorweggenommene Zustimmung zu einer solchen Umwandlung erteilt ist, können nicht als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden (BGH NJW 2003, 2165 f.; BayObLG NJW-RR 2004, 443). Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor, aber auch die in der Gemeinschaftsordnung vorweggenommene Ermächtigung des aufteilenden Eigentümers zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten kann nicht in einer die dinglich Berechtigten bindenden Weise als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden. Dies wäre nämlich ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Dies gilt auch dann, wenn ein dinglich Berechtigter von der Änderungsmöglichkeit der Gemeinschaftsordnung gewusst und diese gebilligt hat (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. Einf. vor § 328 Rn. 10).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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