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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 151/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 4
Haftet nach der grundbuchrechtlich gesicherten Gemeinschaftsordnung der Erwerber einer Eigentumswohnung für Wohngeldrückstände des Voreigentümers, so entsteht eine Zahlungspflicht des Rechtsnachfolgers unmittelbar durch den Erwerb des Sondereigentums, ohne dass es einer schuldrechtlichen Übernahme bedarf.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Im Jahr 1996 erwarb der Voreigentümer der Antragsgegnerin die Dachgeschossräume Nr. 74 und Nr. 76. Er begann mit deren Ausbau zu Wohnzwecken; nach dem Vortrag der Antragsgegnerin wurde dieser gegen Ende 1999 abgeschlossen. Im Jahr 1998 verkaufte der Voreigentümer sein Eigentum an die Antragsgegnerin. Diese wurde am 11.10.1999 als Eigentümerin der Wohnung Nr. 76 und am 10.1.2000 als Eigentümerin der Wohnung Nr. 74 im Grundbuch eingetragen.

In der im Grundbucheingetragenen Gemeinschaftsordnung (GO ist u.a. bestimmt:

§ 3

...

Sämtliche vom Voreigentümer bereits geleisteten Zahlungen und Rücklagen gehen auf den Nacherwerber über. Dies gilt auch für Heizungs-/Warmwasserkostenvorauszahlungen. Der Erwerber haftet gesamtschuldnerisch für etwaige Rückstände.

§ 18

...

Solange das Dachgeschoss nicht erstmalig ausgebaut ist, hat der Eigentümer des Dachgeschosses keinen Anteil an den Kosten und Lasten des Gemeinschaftseigentums zu tragen.

Aufgrund bestandskräftiger Eigentümerbeschlüsse über die Jahresabrechnungen 1996 und 1998 sowie über den Wirtschaftsplan 1999 hat der Voreigentümer der Antragsgegnerin einen Wohngeldrückstand von insgesamt 4261,81 DM für die Wohnung Nr. 74 und von insgesamt 2697,38 DM für die Wohnung Nr. 76 zu zahlen.

Auf Antrag der übrigen Wohnungseigentümer hat das Amtsgericht, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse ist, die Antragsgegnerin mit Beschlüssen vom 29.5.2000 verpflichtet, diese Beträge an die Antragsteller zu zahlen. Das Landgericht hat am 26.9.2001 und am 18.12.2001 die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richten sich deren sofortige weitere Beschwerden.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel sind nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Wohngeldrückstand des Voreigentümers betrage insgesamt 6959,20 DM. Dies stehe fest aufgrund der bestandskräftigen Eigentümerbeschlüsse über die Jahresabrechnungen 1996 und 1998 sowie über den Wirtschaftsplan 1999. Im übrigen lägen gegen den Voreigentümer hinsichtlich der Wohngeldschuld aus dieser Zeit rechtskräftige Vollstreckungsbescheide über 2349,67 DM und 1979,41 DM vor.

Nach § 3 GO hafte die Antragsgegnerin für die Wohngeldrückstände ihres Rechtsvorgängers. Aus dem Sinn und Gesamtzusammenhang dieser Vorschrift ergeben sich, dass gerade Wohngeldbeiträge erfasst werden sollen. Die Regelung des § 3 GO gelte gegenüber der Antragsgegnerin, weil darauf im Kaufvertrag Bezug genommen wird. In entsprechender Anwendung des § 767 ZPO sei die Antragsgegnerin mit dem Einwand ausgeschlossen, nach § 18 GO sei vom Voreigentümer die Zahlung von Wohngeld nicht geschuldet gewesen, weil der Ausbau des Dachgeschosses erst nach dem Zeitraum abgeschlossen worden sei, für den hier Wohngeld verlangt werde.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zum Ergebnis gekommen, dass der noch offene Wohngeldrückstand des Voreigentümers 6959,20 DM beträgt und die diesbezüglichen Eigentümerbeschlüsse bestandskräftig geworden sind (§ 23 Abs. 4 Satz 1, § 28 Abs. 5 WEG).

b) Gegenüber den bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen kann nicht eingewandt werden, eine Wohngeldschuld des Voreigentümers sei wegen der in § 18 GO enthaltenen Regelung nicht entstanden.

Offen bleiben kann deshalb, ob und wann das Dachgeschoss erstmalig ausgebaut worden ist. Selbst wenn dies erst nach dem Zeitpunkt erfolgt sein sollte, auf den sich die Eigentümerbeschlüsse beziehen, würde es sich nur um vereinbarungswidrige, nicht aber um nichtige Eigentümerbeschlüsse handeln (vgl. BGH NJW 2000, 3500/3503; Lüke ZWE 2002, 49/54).

Da keine nichtigen Beschlüsse vorliegen, hätte der auf § 18 GO gestützte Einwand durch Anfechtung innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 WEG geltend gemacht werden müssen; dies verlangen Gründe der Rechtssicherheit. Im übrigen besteht zu einer Durchbrechung der Bestandskraft auch regelmäßig kein Bedürfnis. Denn es ist Sache des zunächst Betroffenen, sein Interesse im Rahmen der Beschlussanfechtung zu wahren (vgl. BayObLG WÜM 2001, 203/205 m. w. N.). Hat es der Voreigentümer aus der Sicht des Rechtsnachfolgers schuldhaft unterlassen, Eigentümerbeschlüsse anzufechten, können sich daraus Rechtsfolgen unter Umständen nur gegenüber dem Rechtsvorgänger ergeben; die fehlende Anfechtung kann aber nicht zum Wegfall der Haftung gegenüber den Wohnungseigentümern führen.

c) Die Zahlungspflicht der Antragsgegnerin besteht, weil die Regelung der Gemeinschaftsordnung diese wirksam für die entstandenen Rückstände haften lässt (vgl. dazu im einzelnen BGH NJW 1994, 2950 f.).

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer ihre Verhältnisse untereinander durch Vereinbarung grundsätzlich frei gestalten. Wird die Gemeinschaftsordnung wie hier als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen, wirken die Vereinbarungen auch gegen den Sondernachfolger (§ 5 Abs. 4, § 10 Abs. 2 WEG).

In der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung kann wirksam bestimmt werden, dass der rechtsgeschäftliche Sondernachfolger für die Rückstände des früheren Wohnungseigentümers einzustehen hat; die Haftung wird unmittelbar durch den Erwerb des Sondereigentums ausgelöst, ohne dass es einer schuldrechtlichen 1~bernahme bedarf (BGH NJW 1994, 2950 ff.).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Gemeinschaftsordnung nicht so auszulegen, dass eine Haftung des Rechtnachfolgers nicht für Wohngeldrückstände des Voreigentümers besteht, die vereinbarungswidrig beschlossen worden sind.

Die Auslegung der Gemeinschaftsordnung kann das Rechtsbeschwerdegericht selbst vornehmen. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie es sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt. In Anwendung dieser Grundsätze gilt hier, dass mit dem Erwerb der Eigentumswohnung der Haftungseintritt verbunden ist für alle Wohngeldrückstände, bezüglich derer bestandskräftige Eigentümerbeschlüsse vorliegen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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