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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 153/01
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 44 Abs. 3
ZPO § 44 Abs. 2
Ein Richter sieht sich nicht der Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt, nur weil er nicht sogleich über eine beantragte einstweilige Anordnung entscheidet, so er sie irrtümlich für unzulässig hält.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentümer fassten in ihrer Versammlung vom 13.3.2001 verschiedene Beschlüsse. Diese focht der Antragsteller am 17.4.2001 zunächst umfassend und ohne Begründung gerichtlich an.

Am 29.6.2001 (freitags) beantragte der Antragsteller unter Hinweis auf die für die beiden Folgetage angekündigten baulichen Maßnahmen den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, es den Antragsgegnern zu verbieten, auf der Gemeinschaftsfläche der Wohnanlage einen Spielplatz anzulegen und zu diesem Zweck die Wäschespinne und die Sitzgarnitur von ihrem Standort zu entfernen. Dies war Gegenstand des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt (TOP) 10 der Eigentümerversammlung vom 13.3.2001. In der schriftsätzlichen Begründung des Antrags fand sich u.a. der Hinweis auf die gerichtliche Anfechtung aller Eigentümerbeschlüsse vom 13.3.2001. Die Geschäftsstelle des Amtsgerichts behandelte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als eigenständiges Verfahren getrennt vom Hauptsacheverfahren mit eigenem Aktenzeichen. Der zuständige Richter verfügte noch am gleichen Tag eine Mitteilung an den Antragstellervertreter, "dass der einstweilige Anordnungs-Antrag ohne Hauptsacheverfahren unzulässig ist", und gab den Antragsgegnern Gelegenheit, innerhalb einer Woche Stellung zu nehmen. Mit Anträgen vom 12. und 18.7.2001, eingegangen beim Amtsgericht am 17. und 20.7.2001, hat der Antragsteller den Richter am Amtsgericht im Anordnungsverfahren wie im Hauptsacheverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Landgericht hat mit Beschlüssen vom 7.9.2001 (im Anordnungsverfahren) und vom 10.9.2001 (im Hauptsacheverfahren) die Ablehnungsgesuche zurückgewiesen. Gegen beide Beschlüsse richten sich die sofortigen Beschwerden des Antragstellers.

Mit Beschluss vom 22.10.2001 hat der Senat beide Verfahren verbunden.

II.

1. Die Rechtsmittel sind als sofortige Beschwerden in entsprechender Anwendung der §§ 42, 46 Abs. 2 ZPO zulässig (siehe BayObLG ZMR 20001 117). Weil die einstweilige Anordnung nach § 44 Abs. 3 Satz 1 WEG die Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens voraussetzt (BayObLGZ 1993, 73/75), von diesem abhängig ist und mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung von selbst gegenstandslos wird (Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 44 Rn. 79; Weitnauer/Hauger WEG 8. Aufl. § 44 Rn. 6; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 44 WEG Rn. 5), erstreckt sich die Ablehnung des Richters im Verfahren auf Erlass der einstweiligen Anordnung - wie auch umgekehrt - von selbst auf das zugrundeliegende Hauptsacheverfahren. Denn in Wohnungseigentumssachen stellt die einstweilige Anordnung nur einen unselbständigen Abschnitt des Hauptsacheverfahrens dar und ist mit diesem insoweit identisch.

2. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Gesuchstellers scheiden daher aus (ständige Rechtsprechung; z.B. BayObLG WE 1998, 153; ZMR 2000, 117; NJW-RR 2001, 642).

Werden Verfahrensfehler und verzögerliche Arbeitsweise des Richters zum Gegenstand der Ablehnung gemacht, müssen Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehler und Verzögerungen auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem Ablehnenden oder auf Willkür beruhen (BayObLGZ 1987, 218; 1998, 35/37; OLG Bamberg FamRZ 1998, 172; Zöller/ Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 42 Rn. 28). An solchen Gründen fehlt es hier. wie das Landgericht zutreffend ausführt, hat der Richter übersehen, dass der Antragstellervertreter auf ein Hauptsacheverfahren hingewiesen hat. Freilich ist dieses Versehen angesichts der Antragsfassung nachvollziehbar. Hieraus kann weder auf eine unsachliche Einstellung noch auf Willkür geschlossen werden. Auch wenn man der dienstlichen Stellungnahme des Richters dessen Auffassung entnehmen kann, der Antrag sei überdies in der Sache nicht begründet gewesen, so lässt die Verfahrensweise, nicht sogleich abschließend und abschlägig zu entscheiden, aus den vom Landgericht aufgezeigten Gründen keinen Befangenheitsgrund erkennen. Das gilt um so mehr, als die aus der Sicht des Richters zu treffende Entscheidung, nämlich der Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Fehlens des Hauptsacheverfahrens abzulehnen, überhaupt nicht selbständig anfechtbar gewesen wäre (§ 44 Abs. 3 Satz 2 WEG; BayObLGZ 199 3, 73/75; Bärmann/Pick/Merle § 44 Rn. 80). Schließlich hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass der Hinweis in der dienstlichen Stellungnahme des Richters auf die bis dahin fehlende Begründung der Beschlussanfechtung zwar nicht eine etwaige frühere Befangenheit ausschließt, eine solche aber auch nicht begründet. Insbesondere lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, der Richter wolle durch später gewonnene Erkenntnisse ein früheres unsachliches Verhalten rechtfertigen.

3. Weil mit dem Beschluss vom 7.9.2001, für das Landgericht bindend (§ 18 Abs. 2 FGG, § 46 Abs. 2 ZPO), über die Ablehnung entschieden war und diese Entscheidung das gesamte Verfahren einschließlich der Hauptsache erfasst, ist der spätere, inhaltlich gleichlautende Beschluss des Landgerichts gegenstandslos.

4. Dem unterlegenen Antragsteller werden die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Es erscheint angemessen, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen, weil sich die Antragsgegner im Beschwerdeverfahren nicht beteiligt haben (§ 47 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Maßgebend ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Geschäftswert der Hauptsache. Insoweit wurden die angemessenen Werte aus dem Beschluss des Amtsgerichts vom 28.9.2001 über die vorläufige Festsetzung übernommen.

Ende der Entscheidung

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