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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 153/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15
WEG § 24 Abs. 6
1. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Protokoll der Eigentümerversammlung wird durch Feststellung und Bekanntgabe eines eindeutigen Abstimmungsergebnisses zugleich das Beschlussergebnis konkludent festgestellt und bekannt gegeben.

2. Ist ein Treppenpodest, das zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört und von dem aus über eine Auszugstreppe gemeinsame Versorgungseinrichtungen im Dachboden zu erreichen sind, mit einem abschließbaren Gitter versehen, können die Wohnungseigentümer verlangen, dass dieses unverschlossen bleibt, wenn an dem Treppenpodest kein Sondernutzungsrecht begründet wurde.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage mit 14 Wohnungen, die vom weiteren Beteiligten verwaltet wird. Den Antragstellern gehört in Erbengemeinschaft eine Penthauswohnung. Vor dieser Wohnung ist ein Treppenpodest, an dem auch der Aufzug endet und von dem man über eine Auszugstreppe in den Dachboden gelangt; dort befinden sich der Stromanschluss mit Panzersicherungen für das ganze Haus, eine Verteilanlage der Fernsehantenne, ein Revisionstürchen des Heizungskamins sowie verschiedene Rohrleitungen. Der Aufzug kann in das Stockwerk mit der Wohnung der Antragsteller nur mittels eines Schlüssels gefahren werden. Auf Wunsch der Eltern der Antragsteller, die die ersten Eigentümer der Penthauswohnung waren, wurde im Zuge der Errichtung der Wohnanlage am Ende der Treppe zu Beginn des obersten Podests ein Eisengitter angebracht, das von den Eigentümern der Penthauswohnung stets verschlossen gehalten wurde.

Nach der Teilungserklärung steht das Treppenpodest im Gemeinschaftseigentum; ein Sondernutzungsrecht ist daran nicht begründet.

§ 9 Buchst. e der Gemeinschaftsordnung (GO), die als Bestandteil der Teilungserklärung im Grundbuch eingetragen ist, enthält folgende Regelung:

Keiner der Miteigentümer oder Besitzer darf die gemeinschaftlichen Teile versperren wie Höfe, Durchgänge, Hauseingänge, Treppen, Treppenabsätze, Ausgänge usw.

Am 28.2.2002 fand eine Eigentümerversammlung statt, deren Protokoll zu Tagesordnungspunkt (TOP) 9 folgende Feststellungen enthält:

Tor im Treppenhaus Nr. 10, Whn. S., Schriftverkehr wegen Beseitigung, Bericht, Anträge, Beschlussfassung:

Die Verwaltung berichtete über den bekannten Vorgang - über das Gitter im Treppenhaus Nr. 10, Wohnung Nr. 08, S. (=Antragsteller) und berichtete auch über den diesbezüglichen bis heute erfolgten Schriftverkehr.

Auch erklärte die Verwaltung, dass weder sie, noch eine andere Person (z.B. der Hausmeister) bereit wären, einen Schlüssel dieses Gitters an sich zu nehmen, um im Bedarfsfall öffnen zu können, da dies aus Haftungsgründen ausscheidet und zudem bei Gefahr die unverzügliche Herbeischaffung des Schlüssels nicht annähernd garantiert wäre.

Nachfolgendes wird zur Abstimmung gebracht:

Die Versammlung stellt fest, dass die Hauptsicherung in Haus Nr. 10 jederzeit zugänglich sein muss, um Gefahren jedweder Art rechtzeitig abwenden zu können. Zu diesem Zweck soll das seinerzeit von dem Ehepaar S. angebrachte Gitter geöffnet bleiben, sofern es nicht entfernt wird.

Nachdem mit den Erben von Frau S. keine Einigung erreicht werden konnte, das Gitter derzeit jedoch unverschlossen ist, werden diesbezüglich Verhandlungen über das weitere Vorgehen mit dem künftigen Eigentümer geführt.

Sollten die derzeitigen Eigentümer das Gitter wieder abschließen, wird die Verwaltung zusammen mit dem Beirat beauftragt, alles zu unternehmen um das in Ziffer 1 festgelegte Ziel zu erreichen; hierzu gehören auch gerichtliche Schritte.

Ja 826,28/955,45 Enth. 129,17/955,45

Es wird allgemein darauf hingewiesen, dass die Stadtwerke zudem einen ungehinderten Zugang zur Hausanschlusssicherung haben müssen. Auch ist Kontakt mit der Versicherung aufzunehmen, um unter Mitteilung des Sachverhaltes abzuklären, ob bei einem abgesperrten Gitter im Brandfall eine von der WEG zu tragende Gefahren- bzw. Risikoerhöhung stattfindet. Die Eigentümergemeinschaft lehnt auf jeden Fall jede Haftung ab:

Ja 826,28/955,45 Enth. 129,17/955,45

Die Antragsteller haben am 28.3.2002 beim Amtsgericht beantragt, die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 9 für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 24.11.2002 die Anträge abgewiesen. Die sofortige Beschwerde, mit der die Antragsteller beantragt haben festzustellen, dass zu TOP 9 keine Beschlüsse gefasst wurden, hilfsweise die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären, hat das Landgericht mit Beschluss vom 11.6.2003 zurückgewiesen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde beantragen die Antragsteller, die zu TOP 9 gefassten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass keine wirksame Beschlussfassung vorliegt.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsteller ist ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Gemäß einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2001, 3339) bedürfe es grundsätzlich der Feststellung und Bekanntgabe eines Eigentümerbeschlusses, damit er rechtswirksam zustande komme. Hier sei lediglich das Ergebnis der Beschlussfassung im Protokoll niedergelegt, nicht jedoch die Bekanntmachung und Feststellung. Letzteres könne jedoch auch konkludent erfolgen. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn das eindeutige Abstimmungsergebnis im Versammlungsprotokoll niedergelegt sei und von keinem Beteiligten in Frage gestellt werde. So liege es hier. Die Antragsteller seien verpflichtet, das Gitter stets geöffnet zu halten, da dies § 9 GO so vorschreibe. Soweit das Gitter auf Wunsch der Eltern der Antragsteller bereits vom Bauträger angebracht worden sei, stelle dies die eindeutige Regelung der Gemeinschaftsordnung nicht in Frage. Der von den Antragstellern erhobene Verwirkungseinwand greife nicht durch. Zwar bestehe der jetzige Zustand seit mehr als 25 Jahren, ohne dass die übrigen Wohnungseigentümer jemals die Beseitigung des Gitters oder dessen ständige Offenhaltung verlangt hätten. Aus der vorgelegten Lichtbildmappe ergebe sich aber, dass im Dachgeschoß über der Penthauswohnung Versorgungsleitungen lägen, die dem gesamten Anwesen dienten. Dementsprechend sei es nicht treuwidrig, wenn jetzt die übrigen Wohnungseigentümer verlangten, den Zugang zum Dachgeschoß jederzeit zu gewährleisten. Die Hinterlegung eines Schlüssels beim Verwalter oder Hausmeister reiche für eine jederzeitige Zugänglichkeit nicht aus.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat schließt sich den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts an und führt lediglich ergänzend aus:

a) Am 28.2.2002 sind zu TOP 9 wirksame Eigentümerbeschlüsse gefasst worden. Der Bundesgerichtshof hat am 23.8.2001 (BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339) entschieden, dass der Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden der Wohnungseigentümerversammlung grundsätzlich konstitutive Bedeutung zukommt und dass es sich dabei im Regelfall um eine Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses handelt. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung aber auch Folgendes ausgeführt (BGHZ 148, 345):

"Die für das Entstehen eines Eigentümerbeschlusses erforderliche Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses muss nicht in das Versammlungsprotokoll aufgenommen werden und kann auch in konkludenter Weise geschehen. ... Daher wird für die Annahme einer konkludenten Feststellung in der Regel die bloße Wiedergabe des für sich genommen eindeutigen Abstimmungsergebnisses im Versammlungsprotokoll genügen, es sei denn, dass sich das hieraus folgende Beschlussergebnis nach den zu berücksichtigenden Umständen, insbesondere aufgrund der protokollierten Erörterungen in der Eigentümerversammlung, vernünftigerweise in Frage stellen lässt."

Nach diesen Grundsätzen muss davon ausgegangen werden, dass der Vorsitzende der Eigentümerversammlung am 28.2.2002 mit dem Abstimmungsergebnis, das jeweils eindeutig war, auch das Zustandekommen eines entsprechenden Eigentümerbeschlusses bekannt gegeben hat. Zweifel oder Einwendungen dagegen sind auch von den Antragstellern, die nach dem Abstimmungsergebnis zu TOP 9 anwesend oder vertreten gewesen sein müssen, offenkundig nicht geäußert worden. Nach dem Inhalt des Protokolls kann das formal einwandfreie Zustandekommen der Beschlüsse zu TOP 9 nicht in Zweifel gezogen werden.

b) Die Beschlüsse entsprechen auch inhaltlich ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 3 und 4 WEG) und sind deshalb nicht für ungültig zu erklären. Die Beschlüsse befassen sich nicht mit einem möglichen Anspruch auf Beseitigung des Eisengitters; die Frage, ob ein solcher Anspruch verwirkt wäre, ist im vorliegenden Verfahren folglich ohne rechtliche Bedeutung.

Die Beschlüsse beinhalten lediglich die Verpflichtung der Antragsteller, das Gitter unverschlossen zu lassen, und befassen sich mit den notwendigen Maßnahmen, dies notfalls mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen. Das Verlangen, das Gitter unverschlossen zu halten, stützt sich auf § 9 Buchst. e GO, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat. Dass das Gitter im Zuge der Errichtung der Wohnanlage angebracht wurde, schließt lediglich aus, darin eine bauliche Veränderung gem. § 22 Abs. 1 WEG zu sehen, bedeutet aber nicht, die Eigentümer der Penthauswohnung hätten ein ausschließliches Recht auf Benutzung des Treppenpodests erworben. Da es sich bei dem Podest um gemeinschaftliches Eigentum handelt, haben alle Wohnungseigentümer nach § 15 Abs. 3 WEG ein Recht zur Mitbenutzung, insbesondere um über die Auszugstreppe an die im Dachboden befindlichen gemeinschaftlichen Einrichtungen zu gelangen.

Ob es den Antragsgegnern zumutbar wäre, die Hinterlegung eines Schlüssels bei einer zuverlässigen Person im Haus zu akzeptieren, ist im Beschlussanfechtungsverfahren nicht zu prüfen. Hier ist allein entscheidend, dass das Verlangen der Antragsgegner, das Gitter stets unverschlossen zu halten, der Regelung in der Gemeinschaftsordnung entspricht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 und 2 WEG, wobei es angesichts des Unterliegens der Antragsteller in allen Rechtszügen angemessen ist, dass sie den Antragsgegnern wenigstens im Rechtsbeschwerdeverfahren die außergerichtlichen Kosten erstatten.

Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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