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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.10.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 155/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
WEG § 25
1. Ein Eigentümerbeschluss, der einen einzelnen Kostenbeitrag der Wohnungseigentümer zu einer bestimmten Sanierungsmaßnahme festlegt, ist auch dann nicht nichtig, wenn die Festlegung dem geltenden Kostenverteilungsschlüssel widerspricht.

2. Ein Eigentümerbeschluss über die Kostentragung der Sanierungsmaßnahme für eine Tiefgarage ist nicht deshalb nichtig, weil er nur von den Teileigentümern der Tiefgarage gefasst wurde, obwohl das Tiefgaragengebäude gemeinschaftliches Eigentum aller Wohnungseigentümer ist.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die nach der Teilungserklärung vom 1.7.1969 aus drei Wohnblöcken mit insgesamt 74 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 36 Stellplätzen besteht. Neben den Wohnungen bildet die Tiefgarage ein eigenes Sondereigentum.

Gemäß § 12 Nr. 1b der Gemeinschaftsordnung (GO) sind die Betriebskosten von allen Wohnungseigentümern und Miteigentümern des Teileigentums (Tiefgarage) im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen.

In § 12 Nr. 2 GO ist vereinbart:

Eine Änderung der Verteilungsschlüssel für die Tragung der Kosten und Lasten kann von der Wohnungseigentümerversammlung mit 3/4-Mehrheit beschlossen werden. Eine Änderung des Verteilerschlüssels zwischen Wohnungsbesitzern und Stellplatzbesitzern kann durch einstimmigen Beschluss erfolgen.

Im Übrigen enthält § 13 Nr. 1 GO zur Zuständigkeit der Eigentümerversammlung eine mit dem Gesetz (§ 23 Abs. 1 WEG) wortgleich übereinstimmende Regelung.

In der Eigentümerversammlung vom 11.11.1977 beschlossen die Wohnungseigentümer einstimmig, ab 1.7.1978 die gesamten Kosten, sowohl die laufenden Kosten wie auch die Reparaturrücklage, für die Wohnungen und die Garagen zu trennen. Das Protokoll enthält noch den Zusatz, dass von den nicht anwesenden und nicht durch Vollmacht vertretenen Eigentümern die schriftliche Zustimmung eingeholt werde. Dies unterblieb.

Seit 1978 wird die beschlossene Kostenteilung unbeanstandet durchgeführt.

In der Eigentümerversammlung vom 26.11.1999 beschlossen die Tiefgarageneigentümer mehrheitlich, für die Sanierung der Tiefgaragendecke einen Kostenvorschuss von 4.200 DM (= 2.147,43 EUR) je Eigentümer, zahlbar bis 1.4.2000, zu erheben.

In einem weiteren Beschluss vom 17.11.2000 legten die Wohnungseigentümer fest, dass die Gesamtsanierung 2001 durchgeführt und die noch fehlenden Zahlungen von je 4.200 DM unverzüglich auf das Sonderkonto zu erbringen seien.

Beide Eigentümerbeschlüsse wurden nicht angefochten. Die Antragsgegnerin, die zu den Garageneigentümern gehört, hat bisher noch nichts bezahlt.

Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung in der Eigentümerversammlung vom 13.7.2001 haben die Antragsteller am 23.8.2001 beim Amtsgericht einen Mahnbescheid über einen Hauptsachebetrag von 4.200 DM zuzüglich Zinsen erwirkt. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht am 27.9.2002 den Antrag abgewiesen. Der sofortigen Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht am 23.6.2003 stattgegeben, den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Antragsgegnerin zur Zahlung verpflichtet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin hat für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe beantragt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzuweisen.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 11.11.1977 zur Kostentrennung sei nicht nichtig, sondern wirksam. Die Gemeinschaftsordnung eröffne eine Abänderungsmöglichkeit. Hiernach könne durch einstimmigen Beschluss der Eigentümerversammlung der Kostenverteilungsschlüssel abgeändert werden. Der Zustimmung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentümer bedürfe es hingegen nicht. Das ergebe die Auslegung der Gemeinschaftsordnung.

Zudem seien auch die Beschlüsse vom 26.11.1999 und 17.11.2000, in denen die Zahlungspflicht der Garageneigentümer mit je 4.200 DM festgelegt worden sei, nicht angefochten worden. Selbst wenn den beiden Beschlüssen ein fehlerhafter Kostenverteilungsschlüssel zugrunde gelegen hätte, wären diese nicht als nichtig zu behandeln.

Schließlich könnte die etwaige Nichtigkeit des seit 20 Jahren praktizierten Kostenverteilungsschlüssels allenfalls Auswirkungen in der Zukunft haben, nicht jedoch für die bereits beschlossene Sanierung der Tiefgaragendecke und die Kostenbeteiligung der einzelnen Wohnungseigentümer.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Zahlungspflicht der Antragsgegnerin folgt bereits aus dem nicht angefochtenen Eigentümerbeschluss vom 26.11.1999. Dieser hat die konkrete Verpflichtung jedes Tiefgarageneigentümers zum Gegenstand, für die Deckensanierung der Tiefgarage bis 1.4.2000 einen bestimmten Geldbetrag als Sonderumlage auf ein dafür errichtetes Konto einzuzahlen. Der Beschluss ist bestandskräftig, weil er nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG angefochten wurde. Nichtig ist der Beschluss nicht. Denn eine absolute Beschlussunzuständigkeit der Wohnungseigentümerversammlung, welche für vereinbarungsändernde Beschlüsse, nämlich für solche, die den Kostenverteilungsschlüssel abändern, bestehen würde, ist nicht gegeben. Der Beschluss beinhaltet die einmalige Zahlung eines Geldbetrags und bezieht sich nicht auf die Grundordnung der Gemeinschaft. Sollte er dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel widersprechen, bedingt die Vereinbarungswidrigkeit nicht seine Nichtigkeit (vgl. BayObLG ZMR 2001, 822; ZMR 2003, 590; Häublein ZWE 2001, 363). Es handelt sich nicht um eine Regelung, die weitere Maßnahmen in der Zukunft legitimieren soll, sondern um eine Einzelfallentscheidung, die sich mit ihrem Vollzug erschöpft (vgl. Wenzel ZWE 2001, 226/234). Dafür hat die Eigentümerversammlung unabhängig von der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme (§ 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG) eine Beschlusskompetenz (BGHZ 145, 158). Der Eigentümerbeschluss vom 26.11.1999 ist auch nicht deshalb nichtig, weil an der Abstimmung nur die Garageneigentümer beteiligt wurden. Selbst wenn ein Abstimmungsmangel vorgelegen haben sollte, hätte dies nur die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründet, nicht aber zu seiner Nichtigkeit geführt. Es hat nicht ein absolut unzuständiges Gremium entschieden, sondern der Beschluss wurde in einer Wohnungseigentümerversammlung gefasst.

b) Ob der weitere Eigentümerbeschluss vom 17.11.2000 die Zahlungspflicht nochmals selbständig festlegt oder nur deklaratorisch wiederholt, kann dahinstehen. Er lässt den vorangegangenen Beschluss jedenfalls inhaltlich unberührt.

c) Auf den Eigentümerbeschluss vom 11.11.1977 kommt es deshalb nicht an.

3. Da somit die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, worauf bereits der Berichterstatter mit Verfügung vom 30.7.2003 hingewiesen hat, ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren abzuweisen (§§ 14 FGG, 114 ZPO).

4. Der Senat hält es nach § 47 Satz 1 WEG für angemessen, der Antragsgegnerin als unterlegener Beteiligter die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Hingegen hat der Senat mit Rücksicht auf die instanzgerichtlich unterschiedlichen Entscheidungen davon abgesehen, auch die Erstattung von außergerichtlichen Kosten nach § 47 Satz 2 WEG anzuordnen.

Die Geschäftswertfestsetzung ergibt sich aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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