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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.05.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 16/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21
Beschließen die Wohnungseigentümer der einzelnen Hausgemeinschaften einer Mehrhausanlage nach der Gemeinschaftsordnung über die Instandhaltung und Instandsetzung ihres Gebäudes, dann kann eine Hausgemeinschaft nicht den von zwei Hausgemeinschaften geschlossenen Aufzug-Wartungsvertrag kündigen.
BayObLG Beschluß

LG Regensburg 7 T 207/99; AG Regensburg 13 UR II 71/98

2Z BR 16/00

Verkündet am 25.05.2000

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Dr. Tilch sowie der Richter Demharter und Dr. Delius am 25. Mai 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 25. Januar 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 9000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Wohnanlage besteht aus fünf Wohnhäusern mit insgesamt 124 Wohnungen. Die Wohnungen der Antragsteller und der Antragsgegner liegen im Gebäude G 2 (= W.-Straße 5 und 7), in dem sich insgesamt 24 Wohnungen (Nrn. 49 bis 72) befinden. Das Gebäude G 2 hat zwei Hausaufgänge, W.-Straße 5 und 7. Die Wohnungen der Antragsteller und der Antragsgegner befinden sich in dem Hausaufgang W.--Straße 5.

Die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung (GO) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 5 Abs. 6

Art und Weise der Ausübung der dem Wohnungseigentümer zustehenden Rechte zur Nutzung des Sondereigentums und zur Mitbenutzung des gemeinschaftlichen Eigentums werden durch die vom Verwalter aufgestellte Hausordnung geregelt. Die Bestimmungen dieser Hausordnung können durch die Eigentümerversammlung mit 2/3-Mehrheit geändert werden.

§ 7 Abs. 1

Die Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes einschließl. der äußeren Fenster und des Grundstückes obliegt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; die Verteilung der hierbei entstehenden Kosten ist nach folgenden Grundsätzen durchzuführen:

a) Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Gebäudeteile

Diese Kosten werden von den einzelnen betroffenen Gebäudegemeinschaften getragen. Als Gebäudegemeinschaften gelten: Miteigentumsanteile Nr.

1 - 24 W.-Straße 9

25 - 48 W.-Straße 1, 3

49 - 72 W.-Straße5, 7

73 108 W.-Straße 2, 4, 6

109 - 124 L.-Straße 1, 3

b) Instandhaltung der übrigen zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile, wie z.B:

das Grundstück, die Grundstückseinfriedung und Bepflanzung, die Außenanlagen wie Wege, Pkw-Abstellplätze, Kinderspielplätze, die Versorgungsleitungen, bis zum Eintritt in die einzelnen Gebäude

Hierfür anfallende Kosten sind der gesamten Eigentümergemeinschaft anzulasten.

§ 14 Abs. 4

....

Jedes Wohnungseigentum gewährt eine Stimme; bei Abstimmungen über Instandhaltungsangelegenheiten sind nur die Wohnungseigentümer der betroffenen Gebäudeeinheit stimmberechtigt in sinngemäßer Anwendung von § 7 Abs. 1 a).

§ 7 Abs. 1 a der Teilungserklärung wurde später geändert und lautet jetzt wie folgt:

Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Gebäudeteile.

Diese Kosten werden von den einzelnen betroffenen Hausgemeinschaften getragen.

Als Hausgemeinschaft wurden dabei u.a. die Wohnungen Nr. 61 bis 72 (- W.-Straße 5) aufgeführt.

In der Eigentümergemeinschaft besteht eine Hausordnung aus dem Jahr 1969.

Am 25.11.1998 hielten die Eigentümer der Wohnungen in der W.- Straße 5 eine Versammlung ab, in der unter anderem folgende Beschlüsse gefaßt wurden:

1. Die Eigentümerversammlung beschließt den Vollwartungsvertrag mit der Firma Sch. zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Die Modernisierung des Aufzuges soll mit Abschluß eines Vollwartungsvertrages 1999 durchgeführt werden. Die Bezahlung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage.

2. Die Eigentümerversammlung beschließt die Neueinschätzung des Gebäudewertes mit einem Zeitwert von 3000 DM/m² + 20 % Vorsorgepauschale.

3. Die große Hausordnung soll wie bisher im wöchentlichen Turnus durchgeführt werden. Bei der großen Hausordnung sind zu reinigen: die Haustüre, sämtliche Kellertüren, Kellerabgänge mit Vorraum beider Keller, Aufzugskabine, rechter Keller mit Trockenraum, linker Keller mit Kellerabgang und Fahrradraum. Das Wasser dazu ist im rechten Keller erste Türe rechts zu holen.

Die Antragsteller haben beantragt, diese Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat den Antrag am 9.3.1999 abgewiesen. Das Landgericht hat ihm durch Beschluß vom 25.1.2000 stattgegeben. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Über die Kündigung des Vollwartungsvertrags und die Modernisierung des Aufzugs mit Abschluß eines neuen Vollwartungsvertrags hätten die Wohnungseigentümer der W.-Straße 5 nicht allein beschließen können. Der bisherige Vollwartungsvertrag sei von den Eigentümern der Wohnungen W.-Straße 1 bis 7 und 9 geschlossen worden. Dieser Vertrag habe daher nicht von den Wohnungseigentümern W.-Straße 5 gekündigt werden können. Daraus folge auch die Unwirksamkeit des Abschlusses eines neuen Vollwartungsvertrags. Im übrigen lägen auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 der Teilungserklärung nicht vor. Dort werde auf § 7 Abs. 1 a verwiesen. Nach dieser Bestimmung bildeten die Wohnungseigentümer der W.-Straße 5 und 7 eine Untergemeinschaft, nicht aber die Wohnungseigentümer der W.-Straße 5 allein. Darüber hinaus ergebe sich aus dem erholten Sachverständigengutachten, daß es sich nicht um eine Instandhaltung, sondern um eine wesentliche Änderung der Aufzugsanlage handle.

Der Eigentümerbeschluß über die Hausordnung widerspreche § 5 Abs. 6 GO. Auch insoweit hätten die Wohnungseigentümer W.- Straße 5 keinen wirksamen Beschluß fassen können. Der Eigentümerbeschluß weiche von der Hausordnung 1969 ab. Dort sei bestimmt, daß der Erdgeschoßflur und der Abgang zum Keller, von den Bewohnern des Erdgeschosses zu reinigen sei. Nach dem angefochtenen Beschluß müßten alle Wohnungseigentümer W.-Straße 5 im Turnus die Kellerabgänge mit reinigen.

Auch über die Neueinschätzung des Gebäudewerts hätten die Wohnungseigentümer W.-Straße 5 nicht allein beschließen können. Auch aus dem Vortrag der Antragsgegner, für jedes Gebäude sei eine eigene Brandversicherung abgeschlossen worden, ergebe sich nichts anderes. Da die W.-Straße 5 und 7 aus einem Gebäude bestehe, hätten auch die Eigentümer W.-Straße 7 mit abstimmen müssen. Die vom Gebäudewert abhängige Höhe der Beiträge zur Gebäude- und Brandversicherung gehörten in den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung. Darüber entscheide aber die Eigentümergemeinschaft insgesamt. Eine Untergemeinschaft könne insoweit keine Beschlüsse fassen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gehört zu einer ordnungmäßigen Verwaltung, die jeder Wohnungseigentümer verlangen kann (§ 21 Abs. 4, 5 Nr. 2 WEG). Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums steht den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu (§ 21 Abs. 1 WEG). Die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums haben sämtliche Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen (§ 16 Abs. 2 WEG).

Diese gesetzliche Regelung kann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG durch Vereinbarung abgeändert werden. Dies ist hier durch § 7 Abs. 1 a GO mit einer späteren Änderung hinsichtlich der Kostentragungepflicht geschehen und durch § 14 Abs. 6 GO hinsichtlich der Beschlußfassung. Während es nach der ursprünglichen Fassung der Gemeinschaftsordnung Sache der Wohnungseigentümer einer Gebäudeeinheit (hier: W.-Straße 5 und 7) war, über Instandhaltung und Instandsetzung für das betroffene Gebäude durch Mehrheitsbeschluß zu entscheiden und die Kosten zu tragen, ist durch die Änderung der Gemeinschaftsordnung dies auf die Eigentümer der einzelnen Hausgemeinschaft (hier W.-Straße 5) übertragen worden. Der Senat war mit den Besonderheiten der Wohnanlage bereits in seiner Entscheidung vom 31.3.1994 befaßt (BayObLGZ 1994, 98 = WÜM 1994, 567; zu den Besonderheiten einer Mehrhausanlage s. auch BayObLG ZMR 2000, 319 und Göken Die Mehrhausanlage im Wohnungseigentumsrecht).

Ob es sich bei der beschlossenen Modernisierung der Aufzugsanlage um eine Instandsetzung, sei es auch in der Form einer sog. modernisierenden Instandsetzung (s. dazu BayObLGZ 1988, 271; 1990, 28; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 21 Rn. 134) handelt oder um eine Änderung des gemeinschaftlichen Eigentums, kann dahinstehen. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Kündigung des bestehenden Wartungsvertrags und der Abschluß eines neuen Vertrage im Zusammenhang mit einer Modernisierung der Aufzugsanlage nicht von den Wohnungseigentümern der Hausgemeinschaft W..-Straße 5 vorgenommen werden konnte. Denn der Vertrag, der gekündigt werden soll, wurde nicht von diesen, sondern von den Wohnungseigentümern W.-Straße 1 bis 7 und 9 geschlossen. Er kann daher auch nur von diesen gekündigt werden. Eine rechtlich unwirksame Kündigung entspricht jedenfalls nicht den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, so daß der Eigentümerbeschluß keinen Bestand haben kann. Die Möglichkeit, daß der Vertragspartner die Wohnungseigentümer der Hausgemeinschaft W.-Straße 5 aus dem Vertrag entläßt, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein, ändert daran nichts. Im übrigen ist eine entsprechende Änderung des Vertrags selbst bei einem Einverständnis des Vertragspartners nicht ohne die übrigen vertragschließenden Wohnungseigentümer möglich. Der Eigentümerbeschluß über die Kündigung des Wartungsvertrags, die Modernisierung der Aufzugsanlage und der Abschluß eines neuen Wartungsvertrags stellt eine Einheit dar; er ist daher zu Recht insgesamt für ungültig erklärt worden.

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch den Eigentümerbeschluß über die Neueinschätzung des Gebäudewerts für ungültig erklärt. Gegenstand der Brandversicherung ist das Gebäude W.-Straße 5 und 7. Über den für die Brandversicherung maßgebenden Gebäudewert können daher jedenfalls nicht nur die Wohnungseigentümer der Hausgemeinschaft W.-Straße 5 beschließen. Dies ist vielmehr Sache aller Eigentümer des Gebäudes W.- Straße 5 und 7.

c) Schließlich hat das Landgericht ohne Rechtsfehler auch den Eigentümerbeschluß für ungültig erklärt, der sich mit der Hausordnung befaßt. Für die Gesamtgemeinschaft ist nach Maßgabe des § 5 Abs. 6 GO vom Verwalter eine Hausordnung aufgestellt worden, die für alle Wohnungseigentümer verbindlich ist. Nach der genannten Bestimmung der Gemeinschaftsordnung kann die Hausordnung nur mit 2/3-Mehrheit sämtlicher Wohnungseigentümer geändert werden. Eine Änderung nur durch die Eigentümer einer Hausgemeinschaft sieht die Gemeinschafteordnung nicht vor. Die Regelung des § 5 Abs. 6 GO geht als Sonderregelung einer sich möglicherweise aus § 14 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 a.GO ergebenden anderweiten Zuständigkeit vor, sofern Gegenstand der Hausordnung die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in Form der Reinigung des Gebäudes ist.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG. Es erscheint angemessen, den unterlegenen Antragsgegnern als Gesamtschuldnern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung durch die Vorinstanzen festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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