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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.03.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 164/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15
Die Wohnungseigentümer haben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ebenso wie bei der Regelung seines Gebrauchs ein aus ihrer Verwaltungsautonomie entspringendes Ermessen, was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht; dieses Ermessen ist einer gerichtlichen Nachprüfung weitgehend entzogen.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 14.11.2000 wurden, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, folgende Beschlüsse gefasst:

1. Unter Tagesordnungspunkt (TOP) 6 wurden folgende Anträge des Antragstellers zur Änderung und Ergänzung der Hausordnung abgelehnt:

TOP 6.1: Bei einer Temperatur unter 10 Grad C müssen die Fenster im Trockenraum und Treppenhaus geschlossen werden bzw. bleiben.

TOP 6.2: Die Fenster im Trockenraum sind spätestens bei Sonnenuntergang mit beiden Verschlussriegeln zu schließen.

TOP 6.3: Das Gartentor ist bei Verlassen des Gartens zu schließen und spätestens bei Sonnenuntergang abzuschließen.

TOP 6.4: Der Garagenvorplatz darf nicht als Spielplatz genutzt werden und ist von Spielsachen, parkenden Fahrrädern, Kraftfahrzeugen usw. freizuhalten.

TOP 6.5a: Der innere Eingangsbereich muss von Kinderwagen und Gehhilfen freigehalten werden bzw. diese dürfen dort nicht abgestellt werden.

TOP 6.6: Jedes ruhestörende Geräusch ist möglichst auch bei Tage, unbedingt aber in der Zeit vor 8.00 Uhr und nach 20.00 Uhr sowie in der Zeit von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr zu vermeiden. Musizieren ist an Werktagen (Montag bis Samstag) von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr erlaubt, an Sonn- und Feiertagen nur von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr.

2. Auf Antrag eines anderen Wohnungseigentümers beschlossen die Wohnungseigentümer zu TOP 6.5 b:

Fahrzeuge aller Art - außer Kinderwagen und Gehhilfwagen - dürfen weder im Treppenhaus oder in den Kellervorplätzen noch auf den Gehwegen, in den Grünanlagen oder der Garagenzufahrt abgestellt werden.

3. Folgende weitere Anträge des Antragstellers wurden abgelehnt:

TOP 7: Der Entriegelungsmechanismus an der Haustür ist wieder einzubauen, um die Haustüre (ins Schloss gefallen) wieder aufdrücken zu können.

TOP 8: Dem Miteigentümer ... (= Antragsteller) wird genehmigt, seinen Pkw-Stellplatz zu überdachen.

TOP 9: Die im Jahr 2000 installierte Verglasung von den beiden Ost-Trockenraum-Fenstern ist zu entfernen.

TOP 10: Der 2000 in Betrieb genommene Luftentfeuchter im Trockenraum darf weiterhin nicht betrieben werden und ist wieder zu veräußern (verkaufen).

TOP 11: Im Kellerraum soll zwischen den Stahltüren an der Wand ein Schild installiert werden: "Keller- und Trockenraumtüren sind geschlossen zu halten."

TOP 13: Beseitigung der Baumängel durch die restlichen Miteigentümer, Kostenübernahme durch diese Eigentümer ohne Herrn ... (= Antragsteller) (für den Fall, dass der Bauträger nicht mehr belastbar ist).

TOP 14: Dr. H. ... als Vorsitzender des Verwaltungsbeirats wird seines Amts enthoben.

Der Antragsteller hat beantragt, die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.7.2001 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat am 16.7.2004 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Wohnungseigentümer hätten bei der Regelung ihrer Angelegenheiten einen weiten Ermessensspielraum. Ein Eingriff durch das Wohnungseigentumsgericht sei erst dann zulässig, wenn die von einem Wohnungseigentümer verlangte Änderung oder Ergänzung einer Regelung sich als die einzig richtige Entscheidung darstelle, oder wenn das Festhalten an einem Beschluss oder einer Vereinbarung als grob unbillig und damit gegen Treu und Glauben verstoßend angesehen werden müsse. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Der Eigentümerbeschluss zu TOP 6.1 und 6.2 (Schließen der Fenster im Trockenraum) sei nicht zu beanstanden. Die Hausordnung enthalte nämlich eine Regelung, nach der bei Einbruch der Dunkelheit die gemeinschaftlichen Fenster zu schließen sind. Wenn diese Regelung gelegentlich nicht eingehalten werde, sei dies kein Grund zur Änderung der Hausordnung. Eine Regelung in der Hausordnung, dass die Fenster bei Temperaturen unter 10 Grad Celsius geschlossen zu halten sind, sei nicht erforderlich. Zu Frostschäden sei es bisher nicht gekommen. Ein Regelungsbedürfnis ergebe sich auch nicht deshalb, weil die über dem Trockenraum liegende Wohnung des Antragstellers durch das erforderliche Lüften gelegentlich fußkalt werde. Dies gelte um so mehr, als die Lage der Wohnung über dem Trockenraum dem Antragsteller bereits bei Erwerb seiner Wohnung bekannt gewesen sei.

Ein Ermessensfehlgebrauch durch die Wohnungseigentümer liege nicht deshalb vor, weil sie es abgelehnt hätten, eine Regelung über das abendliche Abschließen des Gartentors zu treffen. Das Gartentor diene in erster Linie dazu, Müttern die Möglichkeit zu geben, kleinere Kinder vom Herauslaufen aus dem eingezäunten Gartenteil mit Sandkasten und Schaukel zu hindern. Auf Grund der örtlichen Gegebenheiten sei auch nicht zu befürchten, dass ein offen stehendes Gartentürchen zu einem unbefugten Betreten der Terrasse des Antragstellers einlade. Hinzu komme, dass der Antragsteller auf Grund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer die Möglichkeit habe, seinen Sondernutzungsbereich durch einen 80 cm hohen Maschendrahtzaun einzuzäunen.

Über die Nutzung des Garagenvorplatzes sei bereits in der bestehenden Hausordnung eine Regelung enthalten. Danach dürften dort keine Fahrzeuge abgestellt werden. Auch sei geregelt, dass Kinder zum Spielen den dafür bestimmten Platz benutzen sollten. Als ermessensfehlerhaft sei es nicht zu beanstanden, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer der Auffassung sei, dass es trotz des grundsätzlichen Verbots Kindern nicht verwehrt werden könne, gelegentlich auch auf dem Garagenvorplatz zu spielen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Antragstellers sei damit nicht verbunden.

Die Beschlüsse zu TOP 6.5 seien nicht zu beanstanden. Im Erdgeschoss des Hauses wohne eine gehbehinderte 86-jährige Mieterin. Die Mehrheit der Wohnungseigentümer sei der Auffassung, dass es dieser ermöglicht werden müsse, ihren Gehhilfewagen vor der Wohnungstür abzustellen. Dagegenstehende zwingende Gründe gebe es nicht. Insbesondere stehe auf Grund einer entsprechenden Bescheinigung der zuständigen Gemeinde fest, dass dadurch weder die Brandgefahr erhöht noch der Fluchtweg eingeengt werde.

Auch die Regelung der Hausordnung über das Musizieren sei nicht zu beanstanden. Die vom Antragsteller erstrebte Regelung würde nämlich berufstätigen Mitbewohnern das Musizieren unmöglich machen. Hinzu komme, dass nach der Hausordnung Klaviere auf schalldämmende Unterlagen zu stellen seien.

Ein Anspruch des Antragstellers auf Wiedereinbau des Entriegelungsmechanismus an der Haustür sei nicht gegeben. Der Ausbau eines solchen Mechanismus beruhe auf einem bestandskräftigen Eigentümerbeschluss. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der jetzige, rechtmäßig hergestellte Zustand nicht mehr beibehalten werden solle. Dass entgegen der Hausordnung nachts oft Fenster offen stehen würden, sei kein Grund dafür, auch noch die Tür ungesichert zu lassen.

Die übrigen Wohnungseigentümer seien ferner nicht verpflichtet, einer Überdachung des Stellplatzes des Antragstellers zuzustimmen. Die Überdachung stelle eine bauliche Veränderung dar, durch die der Gesamteindruck der Anlage optisch beeinträchtigt werde.

Der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, dass die Verglasung der Trockenraumfenster beseitigt werde. Der Einbau der Verglasung beruhe auf einem bestandskräftigen Eigentümerbeschluss. Auch hätten sich die Umstände zwischenzeitlich nicht geändert.

Auch hinsichtlich des Luftentfeuchters liege ein bestandskräftiger Eigentümerbeschluss vor. Veränderte Umstände, die den Betrieb des Luftentfeuchters im Trockenraum als einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Selbst wenn der Luftentfeuchter gelegentlich missbräuchlich zum Entfeuchten übermäßig nasser Wäschestücke eingesetzt werde, spreche dies nicht für dessen Abschaffung, sondern für eine Unterbindung des Missbrauchs.

Es liege allein im Ermessen der Wohnungseigentümer, ob im Keller ein Hinweisschild angebracht werde, nach dem Keller- und Trockenraumtüren geschlossen zu halten seien.

Für den Antrag des Antragstellers zu TOP 13 fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil nicht feststehe, ob der Bauträger noch existent sei und erfolgreich auf Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden könne.

Schließlich sei auch der Antrag auf Amtsenthebung des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats unbegründet. Es seien weder Pflichtverletzungen ersichtlich noch sei das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den übrigen Wohnungseigentümern derart erschüttert, dass eine Abberufung geboten sei. Es könne offen bleiben, ob eine Doppelabrechnung einer Dachrinnenreinigung vorgelegen habe oder nicht. Jedenfalls habe der Verwaltungsbeiratsvorsitzende erklärt, dass er diese doppelte Berechnung sehr wohl bemerkt und auch in der Eigentümerversammlung zur Sprache gebracht habe. Abgesehen davon würde ein einmaliges Versehen nicht ausreichen, um einen von der Mehrheit der Wohnungseigentümer geschätzten Verwaltungsbeiratsvorsitzenden seines Amts zu entheben. Die Amtsenthebung sei nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil zwischen dem Antragsteller und dem Verwaltungsbeiratsvorsitzenden erhebliche Spannungen bestehen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme gebe, das Zerwürfnis sei einseitig und grundlos allein vom Verwaltungsbeiratsvorsitzenden verursacht worden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die vom Antragsteller gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch das Landgericht liegt nicht vor. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann Entscheidungsgrundlage auch sein, was nicht Verhandlungsgegenstand in der mündlichen Verhandlung war. Der Antragsteller hatte somit Gelegenheit, außerhalb der mündlichen Verhandlung zu Sach- und Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verlangt nicht, dass in einem so umfangreichen Verfahren wie dem vorliegenden alle Einzelpunkte in der mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen. Abgesehen davon würde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Beschwerdegericht nur dann die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache durch das Rechtsbeschwerdegericht rechtfertigen, wenn die Entscheidung des Landgerichts darauf beruht. Zur Prüfung dieser Frage muss der Rechtsbeschwerdeführer darlegen, was er bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Hier fehlt es schon an einem Vortrag dazu, auf welche entscheidungserheblichen Umstände der Antragsteller noch hätte hinweisen wollen.

b) Die Wohnungseigentümer haben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ebenso wie bei der Regelung seines Gebrauchs ein aus ihrer Verwaltungsautonomie entspringendes Ermessen, was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht; dieses Ermessen ist einer gerichtlichen Nachprüfung weitgehend entzogen. Ein richterlicher Eingriff in Regelungen der Wohnungseigentümer, insbesondere deren Abänderung oder Ersetzung durch eine andere Regelung, kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an einem Beschluss oder einer Vereinbarung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Weniger streng sind die Voraussetzungen für ein gerichtliches Eingreifen dann, wenn es nicht um die Abänderung oder Ersetzung bestehender Regelungen, sondern um deren Ergänzung durch zusätzliche Gebrauchs- oder Verwaltungsregelungen geht. Auch bei der Entscheidung darüber ist aber die Verwaltungsautonomie der Wohnungseigentümer zu beachten; eine ergänzende gerichtliche Regelung wird nur dann in Betracht kommen, wenn sie als für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer unverzichtbar oder dringend geboten erscheint, wenn also gewichtige Gründe für sie sprechen und im Rahmen des dem Gericht eingeräumten Entscheidungsermessens nur eine einzige Entscheidung als richtig erscheint. Denn andernfalls wäre es bei der Vielzahl der denkbaren sinnvollen oder zweckmäßigen Verhaltensregeln einem einzelnen Wohnungseigentümer möglich, die Gemeinschaft ständig mit der Forderung nach weiteren Regelungen zu überziehen und der Mehrheit seinen Willen aufzuzwingen (BayObLG WuM 1999, 536/538).

Das Landgericht hat diese Grundsätze beachtet. Der Senat bezieht sich auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Landgerichts, die einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt.

c) Die Ermittlung und Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen ist Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen und die Beweiswürdigung nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler nachprüfen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO). Der Senat kann demnach nur überprüfen, ob das Landgericht den Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (§ 25 FGG), ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ferner ob die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden sind. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist frei von solchen Rechtsfehlern. Soweit der Antragsteller seine Würdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts setzt, kann er damit keinen Erfolg haben.

d) Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind als tatrichterliche Ermessensentscheidungen nach § 47 WEG nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die vom Landgericht getroffene Bestimmung, die den Antragsgegnern erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das Landgericht konnte dies maßgeblich auf die Vielzahl gerichtlicher Verfahren stützen, mit denen der Antragsteller ganz überwiegend erfolglos die übrigen Wohnungseigentümer überzogen oder zu denen er berechtigten Anlass gegeben hatte.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, dem in vollem Umfang unterlegenen Antragsteller auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Senat bewertet die Anträge ebenso wie das Landgericht, auf dessen Begründung verwiesen werden kann.

Ende der Entscheidung

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