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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 166/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15
WEG § 23
WEG § 43
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Ungültigerklärung eines Erstbeschlusses entfällt mit Bestandskraft eines ersetzenden oder bestätigenden Zweitbeschlusses.

2. Fehlt für den Beschlussgegenstand die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung, so ist von einer Beschlussfassung abzusehen. Ein ablehnender Beschluss ist nichtig (wie BayObLGZ 2004 Nr. 51).

3. Wenn in der Teilungserklärung die Verpflichtung zur Errichtung von Besucherstellplätzen festgelegt ist, fehlt der Eigentümerversammlung die Kompetenz, über die Einrichtung der Stellplätze zu beschließen. Dies gilt sowohl für einen positiven als auch für einen ablehnenden Beschluss.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In der Teilungserklärung ist bestimmt, dass 16 oberirdische Kfz-Stellplätze, darunter vier allgemeine Besucherstellplätze, zur Entstehung gelangen. Das zuständige Landratsamt beanstandete, dass nicht alle erforderlichen Stellplätze errichtet worden seien. Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 22.5.2003 ist zu Tagesordnungspunkt (TOP) 2 Folgendes bemerkt:

Erstellung der fehlenden Außenstellplätze und deren Finanzierung

Der Verwalter berichtete umfassend über alle bisherigen Aktivitäten, insbesondere über den umfangreichen Schriftverkehr mit einem Eigentümer. Aufgrund der wiederholten Einlassungen wurde in Abstimmung mit dem Beirat eine Stellungnahme eingeholt von der Kanzlei ...

Die Kosten für die Stellungnahmen wurden von den Beiräten und den anwesenden Eigentümern zur Zahlung im Wirtschaftsjahr 2003 genehmigt.

Abstimmungsergebnis: ...

Zu Beschluss kam weiter folgender Antrag:

Erstellung der Besucherstellplätze auf dem dafür vorgesehenen Grund der WEG. Gegen diesen einstimmig zu fassenden Beschluss legte ein Eigentümer unter Vorbehalt der Nachprüfung Widerspruch ein. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Nach Verhandlungen zwischen der Hausverwaltung und dem Bauamt des Landratsamts ... konnte eine Aussetzung des Vollzugs für die Erstellung der Stellplätze erwirkt werden. Diese Aussetzung ist gültig bis zum Widerruf durch das Landratsamt

Damit entfällt diese Position der Sonderumlage bis zum Neubeschluss.

Am 17.6.2004 beschlossen die Wohnungseigentümer:

Aufgrund der unklaren Rechtslage beschloss die Versammlung, derzeit keinen Beschluss zu fassen über die Erstellung der drei Außenstellplätze.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 22.5.2003 und einen weiteren Beschluss, der im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Interesse ist, aufzuheben. Bezüglich des ersten Eigentümerbeschlusses wird eingewandt, der Verwalter habe das Abstimmungsergebnis falsch gewertet. Außerdem hat der Antragsteller die Feststellung beantragt, dass in der Eigentümerversammlung vom 22.5.2003 wirksam beschlossen worden sei, die fehlenden drei Stellplätze auf dem dafür vorgesehenen Grund zu errichten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.3.2004 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat am 8.7.2004 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist zum Teil begründet. Der in der Eigentümerversammlung vom 22.5.2003 zur Erstellung der Besucherstellplätze gefasste Beschluss ist wegen fehlender Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung nichtig. Demzufolge ist der Feststellungsantrag unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Es fehle bereits ein formell wirksamer Eigentümerbeschluss, weil über den Antrag, die fehlenden Besucherstellplätze zu errichten, wegen der angekündigten Ablehnung durch einen Eigentümer überhaupt nicht abgestimmt worden sei.

Abgesehen davon fehle es im Hinblick auf den Eigentümerbeschluss vom 17.6.2004 am Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 22.5.2003.

Jedenfalls liege ein wirksamer Beschluss über die Errichtung der Stellplätze schon deshalb nicht vor, weil eine solche Maßnahme nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden könne. Daran fehle es hier.

2. Die Entscheidung des Landgerichts ist hinsichtlich des Antrags auf Aufhebung des angefochtenen Eigentümerbeschlusses rechtsfehlerhaft. Hinsichtlich des Feststellungsantrags hält die Entscheidung des Landgerichts nur im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Für den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 22.5.2003 fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Ungültigerklärung eines Erstbeschlusses entfällt zwar mit Bestandskraft eines ersetzenden oder bestätigenden Zweitbeschlusses (Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 23 WEG Rn. 18 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Eigentümerbeschluss vom 17.6.2004 besagt nämlich nur, dass derzeit kein Beschluss über die Erstellung der Außenstellplätze gefasst werde. Eine ausdrückliche oder konkludente Bezugnahme auf den Eigentümerbeschluss vom 22.5.2003 fehlt. Der Eigentümerbeschluss vom 17.6.2004 hebt weder den Eigentümerbeschluss vom 22.5.2003 auf noch bestätigt er ihn. Wenn im Übrigen am 17.6.2004 ein Eigentümerbeschluss des Inhalts gefasst worden sein sollte, dass die Erstellung von Außenstellplätzen unterbleiben soll, wäre ein solcher Beschluss wie der Eigentümerbeschluss vom 22.5.2003 wegen fehlender Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig.

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei dem Eigentümerbeschluss vom 22.5.2003 nicht um einen Nichtbeschluss. Der Verwalter hat festgestellt, dass der Antrag, die fehlenden Außenstellplätze zu errichten, abgelehnt sei, weil Einstimmigkeit erforderlich sei und ein Wohnungseigentümer "Widerspruch eingelegt" habe. Für das Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses kommt es auf die Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter an (BGH NJW 2001, 3339). Die Feststellung des Beschlussergebnisses ist in ausreichender Weise erfolgt. Ein formal einwandfrei zustande gekommener Eigentümerbeschluss liegt vor.

c) Auch ein ablehnender Beschluss hat Beschlussqualität und ist deshalb anfechtbar (BGH NJW 2001, 3339). Jedenfalls im vorliegenden Fall besteht für die Anfechtung des Beschlusses auch ein Rechtsschutzinteresse, weil der Antragsteller gleichzeitig beantragt festzustellen, dass die Wohnungseigentümer am 22.5.2003 wirksam beschlossen hätten, die fehlenden drei Besucherstellplätze auf dem dafür vorgesehenen Grund zu errichten.

d) Der angefochtene Beschluss ist wegen Fehlens einer Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung nichtig (vgl. BGH NJW 2000, 3500).

Der Eigentümerbeschluss befasst sich mit der grundsätzlichen Frage, ob die fehlenden Außenstellplätze errichtet werden sollen. Es geht also nicht um die Umsetzung einer gesetzlichen oder in der Teilungserklärung enthaltenen Verpflichtung in dem Sinn, dass geregelt werden soll, an welcher Stelle oder in welcher Weise die Stellplätze errichtet werden sollen (vgl. dazu BayObLGZ 2004, 15/18). Über derartige Fragen können die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit beschließen. Bei der Frage, ob Stellplätze errichtet werden sollen, handelt es sich nicht mehr um eine bloß mehrheitlich zu treffende Gebrauchsregelung, sondern um eine Frage, die einer Vereinbarung bedarf. Dies gilt zumindest dann, wenn wie hier die Verpflichtung zur Errichtung bestimmter Stellplätze in der Teilungserklärung enthalten ist. Ein Eigentümerbeschluss, fehlende Außenstellplätze derzeit oder überhaupt nicht zu errichten, setzt sich über die in der Teilungserklärung enthaltene Regelung hinweg. Ein solcher Schritt ist einem Mehrheitsbeschluss nicht zugänglich. Unerheblich ist, ob ein Eigentümerbeschluss zum Inhalt hat, die fehlenden Außenstellplätze zu errichten, derzeit oder überhaupt nicht zu errichten, oder ob die Wohnungseigentümer Anträge mit diesem Inhalt ablehnen. Die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung bemisst sich nämlich nicht danach, ob ein Antrag angenommen oder abgelehnt wird, sondern danach, ob der Antragsgegenstand einer Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft zugänglich ist. Das Vorliegen einer Beschlusskompetenz ist Voraussetzung dafür, dass über einen Antrag überhaupt sachlich abgestimmt werden darf (BayObLGZ 2004 Nr. 51). Im vorliegenden Fall fand eine sachliche Abstimmung statt. Der Beschluss hat sich nicht lediglich darauf beschränkt, von einer Beschlussfassung mangels Beschlusskompetenz abzusehen.

Im Verfahren über die Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses ist auch ohne Antragsänderung die Nichtigkeit des Beschlusses zu prüfen (vgl. BayObLGZ 1986, 444/447). Eigentümerbeschlüsse, die nicht der Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung unterfallen, sind nichtig (BGH NJW 2000, 3500).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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