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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 169/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 47
1. Grundsätzlich kann zwar dann von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen werden, wenn ein Rechtsmittel auf Grund der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Erfolglosigkeit zurückgenommen wird. Dies gilt aber nicht, wenn die Erfolglosigkeit offensichtlich ist. Davon ist regelmäßig bei einem wegen Fristversäumung unzulässigen Rechtsmittel auszugehen.

2. Legt ein gewerbsmäßig tätiger Hausverwalter als Bevollmächtigter von Wohnungseigentümern ein wegen Fristversäumung unzulässiges Rechtsmittel ein und nimmt es auf gerichtlichen Hinweis wieder zurück, sind ihm wegen des in Betracht kommenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs regelmäßig allein die dadurch verursachten Kosten zu erstatten.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Wohnungseigentümer fassten in ihrer Versammlung vom 13.2.2003 verschiedene Beschlüsse, die von der Antragstellerin angefochten wurden. Das Amtsgericht hat dem Antrag auf Ungültigerklärung mit Beschluss vom 12.5.2003 stattgegeben. Hiergegen hat die weitere Beteiligte in eigenem Namen sowie im Namen der Antragsgegner zu 2 nach Ablauf der Beschwerdefrist sofortige Beschwerde eingelegt. Auf richterlichen Hinweis hat sie das Rechtsmittel am 15.7.2003 wieder zurückgenommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17.7.2003 den Antragsgegnern zu 2 und der weiteren Beteiligten samtverbindlich die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt, eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten jedoch nicht angeordnet. Soweit die Kostenerstattung versagt wurde, hat die Antragstellerin sofortige weitere Beschwerde eingelegt und beantragt, die Antragsgegner zu 2, hilfsweise die weitere Beteiligte zu verpflichten, die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

II.

Das Rechtsmittel ist im Wesentlichen erfolgreich.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten könne ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Zurücknahme der Beschwerde aus der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels beruhe. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Dahingestellt könne bleiben, ob die Unzulässigkeit der Beschwerde auch ohne den gerichtlichen Hinweis erkennbar gewesen sei. Jedenfalls habe für die Bevollmächtigten der Antragstellerin kein Anlass bestanden, vor Ablauf der in der richterlichen Hinweisverfügung gesetzten Frist im Beschwerdeverfahren durch schriftsätzliche Antragstellung hervorzutreten. Es wäre daher unbillig, die Gegenseite mit außergerichtlichen Kosten zu belasten, die allein durch die Antragstellung verursacht worden seien.

2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Rechtsmittel wurde zurückgenommen; deshalb hatte das Landgericht nur noch über die Kosten der sofortigen Beschwerde gemäß § 47 WEG zu entscheiden. Grundsätzlich hat dann derjenige, der das Rechtsmittelverfahren in Gang gesetzt hat, die dadurch verursachten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu tragen, wenn er sein Rechtsmittel wieder zurücknimmt. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann allerdings etwas anderes gelten (BayObLG ZMR 2000, 396; NJW-RR 2003, 518; vgl. auch Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 47 Rn. 15 m.w.N.). Als besonderer Umstand wird etwa angesehen, dass das Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt wurde (BayObLG NZM 2000, 300) oder ein Rechtsmittel auf Grund der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Erfolglosigkeit unverzüglich wieder zurück genommen wird (BayObLG NJW-RR 2003, 518). Die damit verbundene Begünstigung des Rechtsmittelführers ist aber dann nicht angemessen, wenn die Erfolglosigkeit offensichtlich ist. Ist nämlich eine Beschwerde von vorneherein aussichtslos, erscheint es regelmäßig billig, den Rechtsmittelführer auch mit den Kosten der übrigen Verfahrensbeteiligten zu belasten.

b) Nach diesen Grundsätzen entspricht es hier der Billigkeit, eine Kostenerstattung zu Gunsten der Antragsteller anzuordnen. Ein wegen Fristversäumung unzulässiges Rechtsmittel ist offensichtlich aussichtslos; ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn Anhaltspunkte vorlägen, nach denen ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist erfolgreich erschiene. Solche Anhaltspunkte fehlen hier. Die weitere Beteiligte ist als gewerbliche Verwalterin tätig. Als Bevollmächtigte von Wohnungseigentümern in einem gerichtlichen Verfahren kann von ihr erwartet werden, dass sie die formellen Voraussetzungen für die Rechtsmitteleinlegung, insbesondere die zu wahrenden Fristen kennt. Legt sie die sofortige Beschwerde verspätet ein, kann auch beim Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung (dazu BGH NJW 2002, 2171) keine Wiedereinsetzung erteilt werden (BayObLG NJW-RR 2003, 301). Die verschuldete Fristversäumung müssen sich auch die Antragsgegner zu 2 zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

c) Allerdings trifft die Pflicht zur Kostenerstattung hier nur die weitere Beteiligte, nicht auch die Antragsgegner zu 2. Denn bei der Anordnung einer Kostenerstattung sind die materiell-rechtlichen Erstattungsansprüche der Verfahrensbeteiligten untereinander zu berücksichtigen (BayObLGZ 2002, 321; BayObLG NJW-RR 2003, 301). Die gerichtliche Kostenentscheidung entspricht nämlich nur dann billigem Ermessen, wenn sie einer etwaigen materiellen Erstattungspflicht Rechnung trägt (BayObLGZ 2002, 321/324). Zu den Verfahrensbeteiligten gehört im Beschlussanfechtungsverfahren auch der Verwalter (§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG). Wenn es ein professioneller Verwalter übernimmt, Wohnungseigentümer gerichtlich zu vertreten, und hierbei gerichtliche Fristen versäumt, handelt er regelmäßig schuldhaft (§ 276 BGB). Ein etwaiges Verschulden seines Büropersonals ist ihm nach § 278 BGB zuzurechnen. Dem gemäß ist es billig, ausschließlich die weitere Beteiligte mit den gegenständlichen Kosten zu belasten.

3. Es entspricht der Billigkeit, der weiteren Beteiligten die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und richtet sich nach dem Interesse aller Verfahrensbeteiligten. Maßgebend sind die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.



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