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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 178/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 4
BGB § 242
Ein Wohnungseigentümer kann die Herstellung eines den Plänen entsprechenden Bauzustandes dann nicht verlangen, wenn dies dem Anspruchsgegner bei Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus zwei versetzt aneinander gebauten Häusern besteht.

Im Aufteilungsplan sind die an der Westseite des Hauses der Antragsgegner gelegenen Fenster im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss mit einer Breite von 100 cm eingezeichnet. Die tatsächliche Breite der Fenster beträgt 195 cm; diese Bauausführung stammt noch aus der Zeit vor der Begründung von Wohnungseigentum. Die Grenze zwischen der Sondernutzungsfläche der Antragstellerin und der Antragsgegner verläuft an der Westseite des Hauses der Antragsgegner in gedachter Verlängerungslinie von dem Punkt aus, an dem nach dem Aufteilungsplan der nördliche Fensterrahmen endet. Dieser Punkt liegt nach dem Aufteilungsplan 170 cm von der südlichen Außenmauer des Hauses der Antragstellerin entfernt.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die Fenster wie im Aufteilungsplan vorgesehen zurückzubauen oder an deren Rückbau zusammen mit der Antragstellerin mitzuwirken. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 5.4.2001 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 6.11.2001 die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Ein Anspruch auf Rückbau der Fenster unter dem Gesichtspunkt der Herstellung eines ordnungsmäßigen, dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustandes bestehe nicht, weil die Angaben im Aufteilungsplan über die Lage und die Größe der Fenster keine verbindliche Regelung für die Bauausführung beinhalteten. Auch ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG sei nicht gegeben, weil sich aus dem jetzigen Bauzustand kein Nachteil für die Antragstellerin ergebe. Die Möglichkeit, von den beiden Fenstern der Antragsgegner auf die Sondernutzungsfläche der Antragstellerin zu schauen, sei auch dann gegeben, wenn die Fenster auf 1 Meter Breite zurückgebaut würden. Im Erdgeschoss sei überdies eine Einsichtsmöglichkeit schon deshalb nicht gegeben, weil die Antragstellerin in ihrem Garten eine Sichtblende errichtet habe. Auch unter dem Gesichtspunkt des Brandschutzes sei ein Nachteil für die Antragstellerin aufgrund des jetzigen Zustandes nicht vorhanden. Im Falle eines Feuers könne dieses sowohl durch ein 1,95 m breites, also auch durch ein 1,0 m breites Fenster auf das Sondereigentum der Antragstellerin überspringen. Demgegenüber sei zugunsten der Antragsgegner zu berücksichtigen, dass bei einem Umbau Kosten in Höhe von ca. 10000, DM anfallen würden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 i.V.m. § 22 Abs. 1 WEG besteht nicht, weil eine bauliche Veränderung die Umgestaltung eines vorhandenen, dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands voraussetzt. Hier wurden aber die Fenster in ihrem jetzigen Zustand bereits vor Begründung von Wohnungseigentum gebaut.

b) Ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG, unabhängig von den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 WEG, ist gleichfalls nicht gegeben. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass das Eigentum der Antragstellerin durch eine von den Antragsgegnern ausgehende Störung beeinträchtigt wird. Der Anspruch besteht nicht, wenn die Antragstellerin zur Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB). Das ist dann der Fall, wenn die Antragsgegner sich beim Gebrauch ihres Eigentums innerhalb der Grenzen des § 14 Nr. 1 WEG halten (vgl. BayObLG NJW-RR 1988, 587 f.). Diese Grenze ist hier nicht überschritten. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zum Ergebnis gekommen, dass die Möglichkeit, in den Sondernutzungsbereich der Antragstellerin einzusehen, nicht geringer wird, wenn die Fenster auf eine Breite von 100 cm zurückgebaut werden. Ein Nachteil im Sinn von § 114 Nr. 1 WEG kann im übrigen nicht bereits aus dem Umstand hergeleitet werden, dass eine bestimmte bauliche Gestaltung dem Aufteilungsplan widerspricht (vgl. BGH NJW 2001, 1212 f.; BayObLG NJW-RR 1988, 587 f.). In diesem Zusammenhang kann deshalb offen bleiben, ob der Aufteilungsplan hinsichtlich der Breite der Fenster überhaupt eine verbindliche Regelung enthält.

Die Antragsteller in hält aufgrund der jetzigen baulichen Gestaltung einen Nachteil deshalb für gegeben, weil es sich ihrer Auffassung nach bei der Hauswand, in der sich die Fenster befinden, um eine äußere Brandwand im Sinn des Art. 31 Abs. 2 BayBO handle und dass nach Art. 31 Abs. 9 BayBO Fenster in Brandwänden unzulässig seien. Das Vorbringen ist bereits nicht schlüssig. Sind Fenster in Brandwänden unzulässig, dann ist es unerheblich, ob ein Fenster eine Breite von 1 m oder 1,95 m hat. Abgesehen davon ist der Bau in seinem jetzigen zustand bauaufsichtlich genehmigt worden, ohne dass Einwendungen im Hinblick auf Art. 31 BayBO erhoben worden sind. Im übrigen gilt auch hier, dass ein Nachteil im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG nicht bereits aus dem Umstand hergeleitet werden kann, dass ein baulicher Zustand einer gesetzlichen Bestimmung widerspricht (vgl. BGH NJW 2001, 12121.). Es kann somit dahinstehen, ob und inwieweit Art. 31 BayBO hier eingreift. Die tatrichterliche Würdigung, dass ein 10d cm breites Fenster keinen größeren Brandschutz gewähre als ein Fenster von 195 cm Breite, kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler untersucht werden. Solche liegen nicht vor.

c) Auch als Maßnahme der erstmaligen Herstellung eines dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands kann die Antragstellerin weder einen Rückbau der Fenster noch die Mitwirkung der Antragsgegner daran verlangen. Ein solcher Anspruch besteht seinem Wesen nach nur darin, dass der Zustand auf Kosten der Gemeinschaft hergestellt wird (BayObLG NJW-RR 1988, 587 f.). Sinngemäß ist das Verlangen der Antragstellerin aber so zu verstehen, dass sie sich an den von den Vorinstanzen auf 10000 DM geschätzten Unkosten für den Rückbau der Fenster nicht beteiligen will. Die Frage, ob die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs hier gegeben wären, braucht deshalb nicht verfolgt zu werden.

Abgesehen davon findet der Anspruch auf erstmalige Herstellung eines dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustands seine Grenze in dem Rechtsgedanken des § 242 BGB. Ein Wohnungseigentümer kann daher die Herstellung eines den Plänen entsprechenden Bauzustandes dann nicht verlangen, wenn dies dem Anspruchsgegner bei Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (BayObLG NZM 2000, 515). Ein solcher Fall liegt hier vor. Für die Antragsgegner sind, abgesehen von der Vermeidung der durch einen Umbau verursachten Kosten, die breiten Fenster aus Gründen des größeren Lichteinfalls von Vorteil. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegner nicht einen planwidrigen Zustand herbeigeführt haben, sondern dass der bauliche Zustand, den die Antragstellerin beseitigt haben möchte, bereits zu dem Zeitpunkt gegeben war, als Wohnungseigentum begründet wurde. Ein schützenswertes Interesse, den ursprünglichen Bauzustand dem späteren Aufteilungsplan anzupassen, ist nicht erkennbar. Hinsichtlich des Sichtschutzes haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass es ohne Bedeutung ist, welche Breite das Fenster hat. Hinsichtlich des Brandschutzes wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

III.

Es erscheint angemessen, dass die in allen Rechtszügen unterlegene Antragstellerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat, § 47 WEG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts durch die Vorinstanzen mit 10000 DM entspricht § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Umstellung auf den Euro erscheint es geboten, für alle Rechtszüge einen einheitlichen Geschäftswert festzusetzen, und zwar in Höhe von 5000 EUR.

Ende der Entscheidung

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