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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.06.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 178/99
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 3
BGB § 1004 Abs. 1
Ist in der Teilungserklärung ein Teileigentum als Sauna ausgewiesen, darf dort kein "Pärchentreff" oder "Swinger-Club" betrieben werden.
BayObLG Beschluß

LG München I - 1 T 15552/99; AG München 481 UR II 50/96

2Z BR 178/99

Verkündet am 16.06.2000

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Dr. Tilch sowie der Richter Werdich und Dr. Delius am 16. Juni 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Unterlassung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 9. November 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 48000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage, die aus 12 Häusern mit insgesamt 511 Wohnungen, 13 Teileigentumseinheiten und einer Tiefgarage besteht. Der Antragsgegnerin gehört das Teileigentum Nr. 525. Es ist im Grundbuch als "Sauna" bezeichnet; wegen des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums, auch wegen der Benutzungsregelungen, ist dabei auf die Bewilligungen vom 18.8.1970 und 15.4.1971 Bezug genommen. Im Nachtrag zur Teilungserklärung vom 15.4.1971 ist das Teileigentum Nr. 525 bezeichnet als

"Miteigentumsanteil zu 2,13/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an der im nördlichen Bereich der Tiefgarage gelegenen Sauna mit einer Nutzfläche von ca. 804,80 qm, bestehend aus:

Vorraum, Garderobe, Kassenraum mit Aufenthaltsraum, Warmwasserraum, Kaltwasserraum, 2 Saunakabinen 1 Massageraum, 1 Ruheraum, 1 Schwimmhalle, 4 WC mit je einem Vorraum, 1 Aufenthaltsraum für Personal im 1. Untergeschoß, 1 Gang, 1 Kontrollraum, 3 Maschinenräumen, l Ankleideraum, 1 WC im 2. Untergeschoß, 2 Lagerräumen im Saunabereich, 2 Lagerräumen im Haus 5 im 1. Untergeschoß, 1 Lagerraum im Haus 6 im 1. Untergeschoß, 1 Lagerraum im Haus 8 im 1. Untergeschoß, 1 Lagerraum im Haus 9 im 1. Untergeschoß, 5 Lagerräumen im Haus 10 im 2. Untergeschoß, 2 Lagerräumen im Haus 11 im 1. Untergeschoß".

Die Gemeinschaftsordnung (Anlage III zur Teilungserklärung vom 18.8.1970) bestimmt in § 1 Abs. 1:

Die in der Wohnanlage errichteten Läden und Lagerräume dürfen ohne zusätzliche Genehmigung und ohne Einschränkung irgendwelcher Branchen gewerblich genutzt werden. Dasselbe gilt auch für evtl. verkaufte Teile der Tiefgaragen.

Die Antragsgegnerin hat ihr Teileigentum vermietet; der Mieter betreibt darin einen sogenannten "Pärchentreff" oder "Swinger-Club". Er wirbt dafür in Zeitungsanzeigen mit Bezeichnungen wie "Erotischer Treff für Paare und Singles" oder "Toleranter Treff" unter Angabe einer Telefonnummer. Dem Anrufer werden Anschrift, Öffnungszeiten und Eintrittspreise (Herren zwischen 150 DM und 230 DM, Paare 50 DM, Damen frei) bekanntgegeben mit dem Hinweis, es handle sich um einen Treff für tolerante Paare, die dort alles tun könnten was Spaß macht bei gegenseitiger Toleranz.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, das Teileigentum Nr. 525 als Pärchentreff zu nutzen und dort einen Betrieb zu führen oder führen zu lassen, durch den die Aufnahme sexueller Kontakte beliebiger Personen in den Räumen ermöglicht oder erleichtert wird, ferner für einen solche Geschäftsbetrieb zu werben oder werben zu lassen. Ein weiterer Antrag ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Bedeutung.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 13.8.1999 dem Antrag auf Untersagung der Nutzung des Teileigentums als Pärchentreff oder ähnlicher Betrieb stattgegeben, den Antrag auf Untersagung der Werbung für einen solchen Betrieb aber abgewiesen. Hiergegen haben die Antragsgegnerin und die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, die Antragsgegnerin mit dem Ziel, der Abweisung des Antrags auf Nutzungsuntersagung und die Antragsteller in Weiterverfolgung ihres Antrags auf Verbot der Werbung. Das Landgericht hat am 9.11.1999 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen und ihr untersagt, für den im Beschluß des Amtsgerichts näher bezeichneten Betrieb per Zeitungsinserat, per Telefonansage oder in ähnlicher Form zu werben. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, deren Ziel die Abweisung sämtlicher Anträge ist.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsteller hätten Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Teileigentums der Antragsgegnerin als Pärchentreff. Bei der Bezeichnung des Teileigentums als Sauna handle es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter, aufgrund deren die Antragsgegnerin gewerbsmäßig eine Sauna betreiben oder betreiben lassen dürfe. Zulässig sei auch eine andere Nutzung, sofern diese nicht mehr störe oder beeinträchtige. Aufgrund der vorgelegten Zeitungsanzeigen und der abgehörten Telefonansage sei die Kammer davon überzeugt, daß im Pärchentreff des Mieters der Antragsgegnerin sexuelle Handlungen zwischen Personen, die sich bisher noch nicht gekannt hätten oder die mit anderen Personen verheiratet seien, ermöglicht würden. Dies werde von der Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellt. Diese Nutzung des Teileigentums der Antragsgegnerin, das als Sauna aber nicht zu jeglicher freien gewerblichen Nutzung ausgewiesen sei, widerspreche grundsätzlich den Vereinbarungen.

Die Nutzung als Pärchentreff störe bei typisierender Betrachtungsweise jedenfalls wegen der erschwerten Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit der anderen Einheiten mehr als der Betrieb einer herkömmlichen Sauna. Zwar werde im Teileigentum der Antragsgegnerin keine Prostitution betrieben, sondern lediglich ein Pärchentreff. Die gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz betriebene Kuppelei sei zwar nicht mehr strafbar, aber nach wie vor mit einem sozialen Unwerturteil behaftet. Deshalb wirke sich der Betrieb einer solchen von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung mißbilligten Einrichtung kauf- oder mietpreismindernd auf alle im gleichen Anwesen gelegenen Einheiten aus. Dies könne die Kammer aus eigener Sachkenntnis beurteilen, eines Sachverständigengutachtens bedürfe es daher nicht. Eine Beeinträchtigung werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Betrieb des Pärchentreffs nach außen völlig diskret und ohne örtliche Außenwerbung abgewickelt werde, sowie daß die Anschrift aus der Zeitungswerbung nicht ersichtlich sei und erst auf Telefonanruf bekanntgegeben werde. Maßgebend sei allein, daß Lage, Ort und Art des Betriebs einem beliebigen Kundenkreis, also auch potentiellen Käufern und Mietern bekanntgemacht würden. Bei typisierender Betrachtungsweise sei wegen erheblicher Wertminderung des Anwesens eine von den übrigen Wohnungseigentümern nicht hinzunehmende Beeinträchtigung festzustellen. Des Nachweises weiterer konkreter Beeinträchtigungen, etwa durch Lärmbelästigung, bedürfe es daher nicht.

Auch wenn die Antragsgegnerin ihr Teileigentum nicht selbst nutze, sei sie als Störerin anzusehen. Ihre Unterlassungspflicht schließe die Pflicht ein, eine unzulässige Nutzung durch den Mieter zu unterbinden. Der Antragsgegnerin sei auch die Werbung für den Pärchentreff zu untersagen. Bei einer gewerblichen Nutzung sei die Werbung für diese Nutzung nicht von dem genutzten Objekt zu trennen. Die von der Mieterin veranlaßte Werbung sei eindeutig objektbezogen, auch wenn die Lage des Pärchentreffs aus den Zeitungsanzeigen nicht ersichtlich sei. Im übrigen wäre es wenig verständlich, wenn die Untersagung der Werbung im Fall einer Vermietung des Teileigentums nur durch Inanspruchnahme des Mieters erreicht werden könnte, während dem Eigentümer, der die zweckwidrige Nutzung selbst betreibt, auch die Werbung dafür untersagt werden könne.

2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Bei der Bezeichnung des Teileigentums der Antragsgegnerin in der Teilungserklärung und im Grundbuch als "Sauna" handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinn von § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, daß die Antragsgegnerin aufgrund dieser Zweckbestimmung in den Räumen des Teileigentums gewerbsmäßig eine Sauna betreiben darf (BayObLG NJW-RR 1994, 1036/1037). Zulässig ist grundsätzlich auch eine andere Nutzung, sofern sie nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung. Wird ein Teileigentum im Sinn dieser Grundsätze zweckbestimmungswidrig genutzt, kann ein anderer Wohnungs- oder Teileigentümer Unterlassung dieser Nutzung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG verlangen (allgemeine Meinung und st. Rspr. den Senats, z.B. BayObLG WUM 1993, 490; WE 1998, 398; ZMR 2000, 234).

b) Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Nutzung des Teileigentums der Antragsgegnerin als Pärchentreff den Bestimmungen der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung widerspricht. Es hat sich allerdings nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob § 1 der Gemeinschafteordnung, wonach die in der Wohnanlage errichteten Läden und Lagerräume sowie evtl. verkaufte Teile der Tiefgaragen ohne jede Genehmigung und ohne Einschränkung irgendwelcher Branchen gewerblich genutzt werden dürfen, zu einem anderen Ergebnis führt. Der Senat kann die Bestimmungen der in der Anlage III zur Teilungserklärung enthaltenen Gemeinschaftsordnung wie jede Grundbucherklärung selbst auslegen. Die Auslegung ist nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmen, dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Erklärten ergibt (vgl. BGHZ 113, 374/378; BayObLG ZMR 1998, 184/185 m.w.N.). Es kann offenbleiben, ob die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten für Läden und Lagerräume auch für das in der Teilungserklärung und im Grundbuch als Sauna bezeichnete Teileigentum der Antragsgegnerin gilt, das zwar im Bereich der Tiefgarage gelegen ist, aber nicht zu ihr gehört und ein eigenes Teileigentum bildet. Denn die nächstliegende Bedeutung dieser Gebrauchsregelung ist, daß in den Teileigentumseinheiten jedes erlaubte Gewerbe im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen betrieben werden darf (vgl. BayObLGZ 1994, 237/242), nicht aber, daß auch eine gewerbliche Nutzung zulässig sein soll, die mit einem sozialen Unwerturteil behaftet ist und von breiten Bevölkerungskreisen als anstößig empfunden wird, auch wenn sie gesetzlich nicht verboten ist (vgl. KG NZM 2000, 264/265 f.). Der Betrieb eines Pärchentreffs oder "Swinger-Clubs" verstößt gegen die in der Rechtsgemeinschaft als maßgebliche Ordnungsvoraussetzungen anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen (Metzner Gaststättengesetz 5. Aufl. § 4 Rn. 32; Michel/Kienzle Das Gaststättengesetz 13. Aufl. § 4Rn. 16 und Fn. 96), er wird daher von der Gebrauchsregelung des § 1 Abs. 1 der Gemeinschaftsordnung nicht gedeckt (vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 1036/1037; Staudinger/Kreuzer WEG § 15 Rn. 19 und 56; Bärmann/Pick WEG 8. Aufl. § 13 Rn. 50).

c) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, daß die Nutzung des Teileigentums als Pärchentreff mehr stört und beeinträchtigt als die bestimmungsgemäße Nutzung als Sauna. Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Betrieb des Mieters der Antragsgegnerin diskret und ohne örtliche Außenwerbung abgewickelt wird, wie die Antragsgegnerin vorträgt; einer Beweiserhebung bedurfte es daher insoweit nicht. Bei der gebotenen "typisierenden", d.h. verallgemeinernden Betrachtungsweise (vgl. BayObLG WuM 1993, 697/699 f.; BayObLG NZM 1999, 80/81) kommt es nicht darauf an, ob der Betrieb in der Wohnanlage selbst wahrnehmbar ist oder nicht. Art und Lage des Betriebs werden mittels Werbung, insbesondere durch Zeitungsinserate und Telefonansage, in der Öffentlichkeit bekanntgemacht; dies führt zu einer Herabsetzung des Ansehens der Wohnanlage sowie einer Minderung ihres Wohn- und Mietwerts. Zu Unrecht rügt die Antragsgegnerin, daß das Landgericht es unterlassen hat, hierüber Beweis zu erheben.

(1) Es entspricht der Lebenserfahrung, daß die Nutzung eines Wohnungs- oder Teileigentums, die mit einem sozialen Unwerturteil behaftet ist oder als anstößig empfunden wird, nachteilige Auswirkungen auf den Verkehrswert und Mietwert der übrigen Einheiten hat (vgl. BayObLGZ 1994, 237/243; BayObLG NJW-RR 1995, 1228; OLG Karlsruhe NZM 2000, 194; OLG Hamm WE 1995, 34; LG Tübingen MDR 2000, 387/388; a.A. zu einem Sonderfall - Großstadt ohne Sperrbezirk - LG Berlin NJW-RR 2000, 601/602). Dies stellt einen Nachteil im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG dar, den die übrigen Wohnungseigentümer nicht hinnehmen müssen.

(2) Das Landgericht brauchte auch keinen Augenschein in der Wohnanlage einzunehmen. Deren Lage an einer Hauptverkehrsstraße ist gerichtsbekannt. Wenn ihr äußeres Erscheinungsbild Mängel aufweist, wie die Antragsgegnerin vorträgt, hat dies nicht zur Folge, daß die Wohnungs- und Teileigentümer zusätzliche Beeinträchtigungen dulden müssen, die sich aus der zweckbestimmungswidrigen Nutzung eines Teileigentums ergeben.

d) Der Unterlassungsanspruch wegen bestimmungswidriger Nutzung ihres Teileigentums richtet sich gegen die Antragsgegnerin als Eigentümerin (BayObLG NZM 1998, 773/775). Zu Recht hat ihr das Landgericht auch untersagt, für den Pärchentreff zu werben, denn die Werbung gehört zum Betrieb und wirkt sich in gleicher Weise nachteilig auf das Ansehen und den Wert der Wohnanlage aus wie der Betrieb selbst (vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 1036/1037; s.a. Michel/Kienzle § 4 Rn. 16).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, der unterlegenen Antragsgegnerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung der Vorinstanzen auf 48000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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