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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 179/01
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 47
WEG § 48
WEG § 25 Abs. 4
ZPO § 91 a
Der Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses kann auch nach dessen Vollzug solange aufrechterhalten werden, wie der Eigentümer nicht auf eine Rückgängigmachung der Maßnahme verzichtet.
Beschluss 2Z BR 179/01 11.04.02

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen zu 1 und 3,und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Bis Juni 1999 war der Antragsteller zu 2 anstelle der Antragstellerin zu 3 Wohnungseigentümer.

Am 9.5.2000 fand eine Wohnungseigentümerversammlung statt. In dieser Versammlung vertraten die erschienenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer weniger als die Hälfte der Miteigentumsanteile. Die Versammlung beschloss mit 102 Ja-Stimmen, einer Stimmenthaltung und ohne Gegenstimme eine Teilerneuerung der Heizungsanlage/Fernwärmeversorgung mit einem Kostenaufwand von ca. 240000 DM. Die beschlossene Maßnahme wurde sodann durchgeführt. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 9.5.2001 wurde der Beschluss vom 9.5.2000 bestätigt. Ein Antrag auf Ungültigerklärung dieses Beschlusses wurde nicht gestellt.

Die Antragstellerinnen zu 1 und 3 haben beantragt, den Beschluss vom 9.5.2000 für ungültig zu erklären. Sie waren der Auffassung, dass der Beschluss vom 9.5.2000 nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen habe, da ein "Wärme-Contracting-Vertrag" mit den Stadtwerken München günstiger gewesen wäre. Die Eigentümer seien von der Verwaltung nicht richtig informiert worden. Die Eigentümerversammlung sei auch nicht beschlussfähig gewesen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 31.10.2000 die Anträge der Antragstellerinnen zu 1 und 3 als unzulässig zurückgewiesen und den Antragstellerinnen samtverbindlich die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner auferlegt sowie den Geschäftswert auf 200000 DM festgesetzt. Das Amtsgericht hat ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerinnen verneint, da die beschlossenen Maßnahmen zwischenzeitlich durchgeführt worden seien.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts haben die Antragstellerinnen zu 1 und 3 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat eine übereinstimmende Erledigterklärung der Hauptsache angenommen und unter Abänderung der Kostenentscheidung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 1.10.2001 den Antragstellerinnen zu 1 und 3 die Gerichtskosten der zweiten Instanz und die den Antragsgegnern in der zweiten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten auferlegt sowie den Geschäftswert auf 200000 DM festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerinnen zu 1 und 3, mit der sie eine Änderung der Kostenentscheidung für die zweite Instanz und eine Herabsetzung des Geschäftswertes erstreben.

II.

Das nach § 20a Abs. 2 FGG zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1. Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nur die Geschäftswertfestsetzung und die Kostenentscheidung des Landgerichts hinsichtlich des Verfahrens der zweiten Instanz. Die Entscheidung des Landgerichts über die Kosten der ersten Instanz ist nicht angefochten und damit rechtskräftig.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegner hätten der Erledigterklärung der Antragsteller nicht widersprochen. Deshalb sei von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung auszugehen. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens seien deshalb nur noch die bis zur Erledigung angefallenen gesamten Verfahrenskosten. Über diese sei gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei die Grundsätze der §§ 91 ff. ZPO herangezogen werden könnten. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Kostenentscheidung sei, wie das Verfahren voraussichtlich ohne die Erledigungserklärung bei einer streitigen Fortsetzung ausgegangen wäre. Die Antragstellerinnen zu 1 und 3 wären voraussichtlich auch in zweiter Instanz unterlegen. Für den Antrag habe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestanden. Die Antragsteller hätten zwar nicht ausdrücklich erklärt, dass sie keine Rückgängigmachung der Maßnahme begehren würden, hätten sich in der Sache aber mit der durchgeführten Maßnahme abgefunden und jedenfalls keinen Rückbau verlangt. Die Tatsache, dass die Antragsteller den in der Eigentümerversammlung vom 9.5.2001 gefassten Beschluss nicht angefochten hätten, bestätige dies. Zur Festsetzung des Geschäftswertes führte das Landgericht unter Bezugnahme auf die Gründe der Entscheidung des Amtsgerichts an, dass als Geschäftswert grundsätzlich die Kosten der Gesamtmaßnahme in Höhe von 240000 DM anzusetzen seien, im Hinblick auf das Interesse der Antragsteller dieser Betrag jedoch geringfügig auf 200000 DM zu reduzieren sei.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.

b) Nach Erledigung der Hauptsache ist nur noch über die Kosten zu entscheiden. Dabei richtet sich die Kostenentscheidung nach § 47 WEG. Der in § 91a ZPO zugrunde liegende Rechtsgedanke kann jedoch herangezogen werden. Als wesentlicher Gesichtspunkt für die Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache ist zu berücksichtigen, wie das Verfahren voraussichtlich ohne die Erledigterklärung bei einer streitigen Fortsetzung ausgegangen wäre (BayObLG WE 1991, 172). Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Ermessensentscheidung des Landgerichts nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hat, insbesondere ob er wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht gelassen hat, ob er sich mit Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder ob er sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (BayObLGZ 19731, 30/33).

Die Entscheidung des Landgerichts beruht darauf, dass es angenommen hat, die Antragstellerinnen zu 1 und 3 wären voraussichtlich unterlegen, da sie keinen Rückbau der Maßnahme verlangt hätten und deshalb für die begehrte Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Wie auch das Landgericht nicht verkannt hat, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Ungültigerklärung eines Beschlusses nicht schon dann, wenn dieser Beschluss vollzogen ist. Das Rechtsschutzbedürfnis fällt erst weg, wenn sich der Antragsteller mit der beschlossenen und durchgeführten Maßnahme abgefunden hat (BayObLG NJW-RR 1992, 1367). Das Landgericht hat nicht verkannt, dass die Antragstellerinnen zu 1 und 3 in der Beschwerdebegründung die Rückgängigmachung der durchgeführten Maßnahmen verlangt haben. Die Annahme des Landgerichts, dass sie sich gleichwohl mit der Maßnahme abgefunden hätten, ist damit nicht zu vereinbaren. Eine derartige Auslegung verstößt gegen Denkgesetze. Von Rechtsirrtum beeinflusst ist die weitere Annahme des Landgerichts, die Antragstellerinnen zu 1 und 3 hätten sich mit der durchgeführten Maßnahme abgefunden, weil sie gegenüber der Gemeinschaft niemals konkret einen Rückbau verlangt hätten. Solange der verfahrensgegenständliche Beschluss nicht für ungültig erklärt war, hätten die Antragstellerinnen zu 1 und 3 mit einem solchen Begehren keinen Erfolg haben können, da ein Beschluss nach § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG solange gültig ist, bis er rechtskräftig für ungültig erklärt ist. Aus der bloßen Untätigkeit der Antragstellerinnen zu 1 und 3'gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern kann deshalb nicht geschlossen werden, dass sie sich mit der Maßnahme abgefunden haben. Dass die Antragstellerinnen den Beschluss vom 9.5.2001 nicht angefochten haben, lässt zwar den Schluss darauf zu, dass sie sich nunmehr mit der Maßnahme abgefunden haben. Dieser Umstand kann jedoch aus Rechtsgründen nicht zum Nachteil der Antragstellerinnen zu 1 und 3 herangezogen werden. Der Beschluss vom 9.5.2001 wurde nämlich erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens gefasst. Die Nichtanfechtung dieses Beschlusses ist deshalb das erledigende Ereignis, das in zweifacher Weise zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses geführt hat, nämlich einmal deshalb, weil die Ungültigerklärung des früheren Beschlusses den Antragstellern keinen Nutzen mehr gebracht hätte, und zum anderen deshalb, weil sie damit auch zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich mit der durchgeführten Maßnahme abfinden. Die Erstbeschwerde wäre deshalb unter Heranziehung dieses Gesichtspunktes nicht von vornherein unzulässig gewesen, sondern wäre durch das die Erledigung herbeiführende Ereignis unzulässig geworden. Diesem Umstand wurde aber durch die übereinstimmende Erledigterklärung Rechnung getragen.

Da nach der übereinstimmenden Erledigterklärung weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr zu treffen sind, kann das Rechtsbeschwerdegericht über die Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst entscheiden.

Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Antragstellerinnen zu 1 und 3 und den Antragsgegnern jeweils zur Hälfte aufzuerlegen und die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen.

Der Senat hat sich bei der Billigkeitsentscheidung nach § 47 WEG von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Ob der angefochtene Beschluss tatsächlich ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist offen. Die Tatsacheninstanzen haben hierzu - von ihren Rechtsstandpunkten aus konsequent - keine Feststellungen zu Voraussetzungen und Auswirkungen der möglichen Maßnahmen getroffen. ob die von den Antragstellern favorisierte Lösung eines "Wärme-Contractings" solche Vorteile gegenüber der beschlossenen Maßnahme gehabt hätte, dass diese nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, kann deshalb nicht beurteilt werden. Nicht entschieden werden kann auch, ob das "Wärme-Contracting", das sich nach dem Akteninhalt wohl eher als Anlagenleasing darstellen würde, überhaupt als (modernisierende) Instandsetzung beschlossen werden könnte. Andererseits kann nach dem Akteninhalt auch nicht positiv festgestellt werden, dass der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, zumal die Antragstellerinnen bereits die Erforderlichkeit der Umbaumaßnahme bestritten haben.

Von einer Unzulässigkeit des Antrags wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses kann nach den obigen Ausführungen bis zum Eintritt des die Erledigung begründenden Ereignisses nicht ausgegangen werden.

Ob bereits der Einberufungsmangel und die darauf beruhende Beschlussunfähigkeit dem Antrag zum Erfolg verholfen hätten, kann dahinstehen. Zwar sind nach neuerer Auffassung Beschlüsse, die von § 25 Abs. 3 und 4 WEG abweichen und eine sogenannte "Eventualversammlung" zulassen, nichtig (Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 25 WEG Rn. 13; Wenzel ZWE 2001, 226 ff.). Zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung vom 9.5.2000 war jedoch die neuere Rechtsprechung des BGH zur Nichtigkeit von Beschlüssen, die vom Gesetz abweichende Regelungen treffen (BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500), noch nicht ergangen. Beschlüsse, die eine Ersatzversammlung vorsahen, wurden zum damaligen Zeitpunkt weit überwiegend für wirksam angesehen, wenn sie nicht für ungültig erklärt wurden. Es kann deshalb im vorliegenden Fall unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht außer Betracht bleiben, dass die Einberufung der damaligen Versammlung dem Wohnungseigentümerbeschluss vom 5.12.1973 entsprach.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel letztlich nicht erreicht haben, da sie die Weiterverfolgung ihres Anliegens aufgegeben haben. Bei dieser Sachlage erscheint eine hälftige Kostenaufteilung für das Beschwerdeverfahren angemessen.

c) Die Geschäftswertfestsetzung war ohne Rücksicht auf die Rechtsbeschwerde von Amts wegen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO abzuändern.

Der Geschäftswert ist nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung festzusetzen. Nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG ist der Geschäftswert jedoch niedriger festzusetzen, wenn die nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG berechneten Kosten des Verfahrens zu dem Interesse eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ausgangspunkt für die Geschäftswertfestsetzung ist der Betrag der für die beschlossene Maßnahme aufzuwendenden Kosten. Die Herabsetzung des Geschäftswertes von 240000 DM auf 200000 DM ist jedoch in Anbetracht des relativ niedrigen Eigeninteresses der Antragstellerinnen zu gering. Nach den Feststellungen des Landgerichts in der Verfügung vom 16.5.2001 beläuft sich das Eigeninteresse der Antragstellerinnen zu 1 und 3 auf jeweils 1495,20 DM. Die Festsetzung eines Streitwertes von 200000 DM erscheint demgegenüber unangemessen hoch. Mit einer Reduzierung um nur 40000 DM gegenüber den Gesamtkosten wird der Bedeutung des § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG, den Zugang zu den Gerichten durch ein hohes Kostenrisiko nicht übermäßig zu erschweren, nicht hinreichend Rechnung getragen. Dem Senat erscheint es angemessen, den Geschäftswert für das Verfahren in erster und zweiter Instanz auf 18000 Euro festzusetzen. Das entspricht ca. 15 % des Gesamtvolumens.

4. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG. Da die Antragstellerinnen überwiegend, jedoch nicht in dem von ihnen erstrebten Umfang obsiegt haben, erscheint es angemessen, sie mit einem Drittel der Gerichtskosten zu belasten und den Antragsgegnern zwei Drittel der Gerichtskosten aufzuerlegen. Umstände, die es rechtfertigen würden, von dem Grundsatz abzuweichen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, liegen nicht vor.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Kosteninteresse der Beteiligten festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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