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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.01.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 180/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 2
Auch wenn eine für ihn günstige Vereinbarung nicht in das Grundbuch eingetragen wurde, wirkt sie zugunsten des Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Dr. Delius und Lorbacher

am 10. Januar 2002

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses über die Bildung von Rücklagen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 24. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge unter Abänderung der Geschäftswertfestsetzung durch die Vorinstanzen auf 2500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die 1992 begründete Wohnanlage besteht aus einem Mehrfamilienhaus und einem Anbau, in dem sich die Wohnung Nr. 2 des Antragstellers befindet.

In § 7.1 der Gemeinschaftsordnung ist bestimmt, dass Beiträge zu einer angemessenen Instandhaltungsrücklage, die jeder Wohnungseigentümer verlangen kann, nach Miteigentumsanteilen zu tragen sind. § 7.2 der Gemeinschaftsordnung enthält Ausnahmen für Zugänge und Außentüren.

In der ersten Eigentümerversammlung vom 29.1.1993, in der alle damaligen Wohnungseigentümer anwesend waren, wurde unter anderem bestimmt, dass der damalige Eigentümer der Wohnung Nr. 2 (Anbau) Rücklagen selbst bildet.

Am 25.10.2000 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt 3, dass sich der Antragsteller ab sofort an der Rücklagenbildung nach Maßgabe des Wirtschaftsplans zu beteiligen hat.

Das Amtsgericht hat am 20.6.2001 den Antrag des Antragstellers, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 24.10.2001 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Antragsteller habe sich gemäß § 7.1 der Gemeinschaftsordnung anteilig an den Instandhaltungskosten zu beteiligen, soweit nicht § 7.2 der Gemeinschaftsordnung Ausnahmen vorsehe. Daran habe die am 29.1.1993 getroffene Regelung nichts geändert. Sie habe zum Inhalt, dass auch der Eigentümer der Wohnung Nr. 2 im Anbau Rücklagen bilden müsse; dies mache nur dann einen Sinn, wenn er sich auch an den gemeinschaftlichen Kosten zu beteiligen habe. Geregelt worden sei allenfalls, ob sich der Antragsteller an der gemeinschaftlichen Rücklagenbildung beteiligen müsse. Dass dies der Fall sei, hätten die Wohnungseigentümer nunmehr beschlossen. Dies entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung.

2. Die Entscheidung hält jedenfalls im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung, auf die jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch hat (vgl. § 21 Abs. 4 WEG), gehört insbesondere auch die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und zu deren Sicherung die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage (§ 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG).

Jeder Wohnungseigentümer ist nach § 16 Abs. 2 WEG den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Daraus folgt auch die Verpflichtung, in diesem Umfang zu der Instandhaltungsrücklage beizutragen.

Diese Grundsätze der gesetzlichen Regelung übernimmt die Gemeinschaftsordnung. Daran ändert es nichts, dass für bestimmte Teile des Gemeinschaftseigentums (Zugänge, Eingangstüren) hiervon abweichend die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht nur bestimmten Wohnungseigentümern auferlegt ist.

b) Die in der Eigentümerversammlung vom Jahr 1993 getroffene Regelung, dass der Eigentümer des Anbaus eine Instandhaltungsrücklage selbst bildet, enthält eine Abweichung von der mit dem Gesetz übereinstimmenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung. Bei dieser Regelung handelt es sich, wie bei allen in dieser Eigentümerversammlung getroffenen Regelungen, um eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2, WEG und nicht um einen Eigentümerbeschluss. Über die Regelungen wurde von den Wohnungseigentümern nicht abgestimmt; vielmehr handelt es sich um einvernehmlich von allen anwesenden Wohnungseigentümern getroffene Regelungen vertraglicher Art. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine Abänderung der Gemeinschaftsordnung grundsätzlich durch eine Vereinbarung und nicht durch einen Mehrheitsbeschluss möglich ist (BayObLGZ 2001 73/76 = ZMR 2001, 638; OLG Düsseldorf ZMR 2001, 649; OLG Zweibrücken ZMR 2001, 734 f.; vgl. auch Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 23 Rn. 16b).

Die Vereinbarung bedarf der Auslegung. Sie kann sich im Hinblick auf die vorangehende Aufteilung der auf die Rücklage für das Mehrfamilienhaus zu leistenden Zahlungen sinnvoller Weise nicht darin erschöpfen, dass der Eigentümer des Anbaus sich nicht an der von der Gemeinschaft zu bildenden und aufzubringenden Instandhaltungsrücklage zu beteiligen hat. Vielmehr ist die nächstliegende Bedeutung der Regelung, dass der Eigentümer des Anbaus nicht nur verpflichtet ist, selbst eine angemessene Rücklage für den Anbau zu bilden, sondern auch zur Instandhaltung und Instandsetzung des Anbaus allein verpflichtet ist.

c) Da die Vereinbarung vom Jahr 1993 über die Bildung der Instandhaltungsrücklage für den Anbau nicht als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen wurde, wirkt sie nicht gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers (§ 10 Abs. 2 WEG). Soweit eine nicht eingetragene Vereinbarung für den Sondernachfolger von Vorteil ist, kann er sich jedoch auf die Vereinbarung berufen (allgemeine Meinung; z. B. OLG Hamm FGPrax 1998, 175/176). Dem Antragsteller ist es daher unbenommen, für sich die Vereinbarung vom Jahr 1993 in Anspruch zu nehmen. Andererseits wirkt die Vereinbarung aber nicht gegen Sondernachfolger der übrigen Wohnungseigentümer. Eine solche Sondernachfolge hat stattgefunden, wie sich aus einem Vergleich der in der Niederschrift über die Versammlung vom Jahr 1993 aufgeführten Wohnungseigentümer mit den in der Antragsschrift genannten derzeitigen Wohnungseigentümern ergibt. Durch den Eintritt von Sondernachfolgern einzelner der übrigen Wohnungseigentümer ist die Änderung vom Jahr 1993, weil die Verbindlichkeit über die Regelung über die Bildung einer Instandhaltungsrücklage für den Anbau, nur im Verhältnis zu allen Wohnungseigentümern einheitlich beurteilt werden kann, hinfällig geworden (OLG Köln MDR 2001, 1405; vgl. Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 10 WEG Rn. 10 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Dies hat zur Folge, dass die sich aus dem Gesetz und der Gemeinschaftsordnung ergebende Regelung wieder Gültigkeit erlangt hat. Der damit maßgeblichen Rechtslage trägt der angefochtene Eigentümerbeschluss Rechnung, so dass er nicht für ungültig erklärt werden kann.

3. Es erscheint angemessen, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsteller die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts durch die Vorinstanzen mit 5000 DM entspricht § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Umstellung auf den Euro erscheint es geboten, für alle Rechtszüge einen einheitlichen Geschäftswert festzusetzen, und zwar in Höhe von 2500 Euro.



Ende der Entscheidung

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