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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.03.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 182/01
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 13
WEG § 14
WEG § 15 Abs. 2
WEG § 22 Abs. 1
ZPO § 265
1. Die Veräußerung des Wohnungseigentums während eines rechtshängigen Wohnungseigentumsverfahrens tangiert nicht die Verfahrensführungsbefugnis des Veräußerers.

2. Werden vorrübergehend auf einer Gemeinschaftsfläche Biertische, Bänke und Schirmeaufgestellt,so handelt es sich nicht um eine bauliche Veränderung.


Gründe:

I.

Der Antragsteller war Wohnungseigentümer einer Wohnanlage; er hat seine im 3. Stock des Anwesens gelegene Wohnung im Laufe des vorliegenden Verfahrens an seinen Sohn übertragen. Dem Antragsgegner zu 1 gehört die Gaststätte, die sich im Erdgeschoss befindet; er hat diese verpachtet. Die Antragsgegner zu 2 sind die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Vor der der Straße zugewandten Seite des Hauses befindet sich zwischen Gaststätte und Gehweg eine asphaltierte Fläche, die im Gemeinschaftseigentum steht. Die Wohnungseigentümer beschlossen am 29.6.2000 mit Stimmenmehrheit, die Fläche dem Pächter der Gaststätte zum Betreiben eines Freiausschanks in der Zeit zwischen 1.4. und 30.9. eines jeden Jahres gegen ein noch zu vereinbarendes Entgelt zu verpachten.

Der Antragsteller hat am 25.7.2000 die Feststellung beantragt, dass der Eigentümerbeschluss unwirksam ist. Das Amtsgericht hat am 23.3.2001 den Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6.11.2001 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zu 1 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Feststellungsinteresse des Antragstellers sei durch die Veräußerung seiner Wohnung nicht entfallen. Der Feststellungsantrag sei auch begründet. Die erstmalige Verpachtung der Wegfläche an einen Dritten sei als Einräumung eines Sondernutzungsrechtes auszulegen. Ein solches könne nur durch Vereinbarung begründet werden; daran fehle es hier. Der Eigentümerbeschluss sei nichtig. Abgesehen davon werde der Antragsteller, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt habe, durch den Betrieb eines Freiausschanks auf der Gemeinschaftsfläche beeinträchtigt. Es bedürfe keiner eingehenden Begründung dafür, dass ein solcher Betrieb vor einem Wohnanwesen geeignet sei, die Wohnungseigentümer durch Lärm u.a. erheblich zu belästigen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Veräußerung des Wohnungseigentums während eines rechtshängigen Wohnungseigentumsverfahrens lässt die Verfahrensführungsbefugnis des Veräußerers unberührt. Einer formellen Beteiligung des Erwerbers durch das Gericht bedarf es nicht (vgl. dazu im einzelnen BGH NJW 2001, 3339 f.).

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Eigentümerbeschluss nicht deshalb nichtig, weil durch Mehrheitsbeschluss ein Sondernutzungsrecht an einer Gemeinschaftsfläche begründet worden sei und der Wohnungseigentümerversammlung hierzu die absolute Beschlusskompetenz fehle (vgl. BGH NJW 2000, 3500).

Der Senat legt den Eigentümerb eschluss in eigener Kompetenz aus (BGH aaO). Nach dessen Wortlaut und Sinn soll die Gemeinschaftsfläche verpachtet werden. Die Nutzungszuweisung an den Pächter führt auch nicht zum vollständigen Ausschluss vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums und der damit verbundenen Gebrauchsvorteile durch die Wohnungseigentümer (vgl. BGH NJW, 2000, 3500/3502). Der angefochtene Eigentümerbeschluss setzt den Mitgebrauch der Wohnungseigentümer vielmehr voraus und regelt nur die Art und Weise der Ausübung, indem er die Möglichkeit des unmittelbaren (Eigen-)Gebrauchs durch die des mittelbaren (Fremd-)Gebrauchs ersetzt und an die Stelle des unmittelbaren Gebrauchs den Anteil an den Pachteinnahmen treten lässt (BGH NJW 2000, 3211 f.; BayObLGZ 1999, 337/339). Eine Auslegung des Eigentümerbeschlusses im Sinn des Landgerichts scheidet schon deshalb aus, weil ein Sondernutzungsrecht nur für einen Wohnungs- oder Teileigentümer der betreffenden Anlage, nicht aber für einen beliebigen Dritten begründet werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 31.1.2002 - Az. 2Z BR 183/01).

c) Der Eigentümerbeschluss ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht deshalb für ungültig zu erklären, weil eine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG vorliegt, der nicht alle benachteiligten Wohnungseigentümer zugestimmt haben. Das Aufstellen von Biertischen, Bänken und Schirmen, die im Boden nicht fest verankert sind, für jeweils sechs Monate im Jahr ist nicht mit einer auf Dauer angelegten gegenständlichen Veränderung des Grundstücks verbunden (vgl. BayObLG WÜM 1991, 448 f.; ZMR 1997, 374/376). Die Maßnahme stellt deshalb keine bauliche Veränderung des Grundstücks dar.

d) Der Eigentümerbeschluss ist jedoch für ungültig zu erklären, weil in der Verpachtung der Gemeinschaftsfläche zum Betrieb eines Freiausschanks kein ordnungsmäßiger Gebrauch im Sinn des § 15 Abs. 2 WEG zu sehen ist.

(1) ob ein Gebrauch ordnungsmäßig ist, richtet sich nach der Verkehrsanschauung und bietet einen gewissen Ermessensspielraum. Ordnungsmäßig ist der Gebrauch, den § 14 WEG gestattet und der nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Die Einzelheiten sind anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums bei Beachtung des Gebots der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen zu ermitteln (BGH NJW 2000, 3211 f.). Die Entscheidung liegt weitgehend auf dem Gebiet tatrichterlicher Würdigung.

(2) Das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen das Landgericht Bezug nimmt, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wohnungseigentümer durch Lärm und auf andere Weise belästigt würden, wenn die Gemeinschaftsfläche zum Betrieb eines Freiausschanks genutzt wird. Dort, wo die Gaststätte liege, herrsche zwar erheblicher Verkehrslärm. Berücksichtigt werden müsse auch, dass durch die Gaststätte selbst, also ohne Freiausschank, Lärm verursacht werde. Andererseits müsse aber beim Betrieb einer Freischankflache damit gerechnet werden, dass gerade in den Abendstunden Gäste längere Zeit im Freien säßen und durch laute Gespräche und Gelächter die Wohnungseigentümer beeinträchtigten. Hinzu komme, dass der Hauseingang unmittelbar neben der Freischankfläche liege; die Wohnungseigentümer müssten es nicht hinnehmen, dass jederzeit beobachtet werden könne, wer mit wem und wann das Haus betrete oder verlasse.

Diese tatrichterliche Würdigung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Solche liegen nicht vor. Der Tatrichter hat aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze entschieden; der Einnahme eines Augenscheins bedurfte es somit nicht. Den tatrichterlichen Erwägungen ist noch hinzuzufügen, dass erfahrungsgemäß der Verkehrslärm abends abflaut und der Lärm, der von der Freischankfläche ausgeht, damit um so störender wird. Auch wenn das Anwesen über Schallschutzfenster verfügt, muss es doch den Wohnungseigentümern möglich sein, an warmen Tagen in der Zeit, in der der Verkehrslärm abflaut, die Fenster öffnen zu können.

3. Es erscheint angemessen, dass der in allen Rechtszügen unterlegene Antragsgegner zu 1 die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat, § 47 WEG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts durch die Vorinstanzen mit 10000 DM entspricht § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Im Hinblick auf die zwischenzeitliche Umstellung auf den Euro erscheint es geboten, für alle Rechtszüge einen einheitlichen Geschäftswert festzusetzen, und zwar in Höhe von 5000 EUR.

Ende der Entscheidung

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