Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 187/01
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
FGG § 12
Der Durchbruch durch eine tragende Wand zwischen zwei Wohnungen benachteiligt die übrigen Wohnungseigentümer nicht, wenn weder die Statik des Gebäudes noch die Brandsicherheit gefährdet werden noch der Gesamteindruck optisch verändert wird.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius

am 14. Februar 2002

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 14. November 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge auf 5000 Euro festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen wird entsprechend abgeändert.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Am 27.4.1998 fassten die Wohnungseigentümer unter anderem folgenden Beschluss:

Die Eigentümergemeinschaft beschließt, den Durchbruch im Bereich der beiden Wohnzimmer der Wohnungen 320 und 319 zu gestatten. Ebenso wird der Durchbruch der Betonzwischenwände der beiden Loggien genehmigt.

Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung eines Statikers ist vorzulegen.

Sämtliche mit dem Durchbruch verbundenen Kosten, auch etw. Folgekosten gehen zu Lasten der ...(= Eigentümerin der beiden Wohnungen).

Die Genehmigung wird nur solange erteilt" als ... Eigentümerin dieser Wohnung ist.

Die Arbeiten sind geräuscharm und von einem anerkannten Fachbetrieb durchzuführen (Diamantensägeverfahren).

Bei einem evt. Verkauf oder einem sonst. Rechtsnachfolger einer oder beider Wohnungen ist der Ursprungszustand wieder auf Kosten der ... (= Eigentümerin der beiden Wohnungen) herzustellen.

Bei der Wand zwischen den beiden Wohnungen handelt es sich um eine tragende Wand.

Der Antragsteller hat beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 14.12.1998 stattgegeben. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 14.11.2001 die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Ein Durchbruch einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Wand bedürfe als bauliche Veränderung der Zustimmung der nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer. Bei einer tragenden Zwischenwand sei ein nicht hinnehmbarer Nachteil erst dann ausgeschlossen, wenn keine Gefahr für die Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit geschaffen werde. Die Antragsgegner hätten trotz Aufforderung und Fristsetzung keine Unterlagen zur statischen Unbedenklichkeit und zur Brandsicherheit vorgelegt. Damit seien sie ihrer Darlegungs- und Verfahrensförderungspflicht nicht nachgekommen. Für Amtsermittlungen bestehe kein Anlass. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Entfernung der Trennwände zwischen den Loggien eine optische Beeinträchtigung darstelle, da Lichtbilder trotz eines Hinweises nicht vorgelegt worden seien.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Durchbruch durch eine tragende Wand zwischen zwei Wohnungen stellt eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, die über eine ordnungsmäßige Instandsetzung oder Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums .hinausgeht. Sie kann daher nicht nach § 21 Abs. 3 WEG als Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung beschlossen werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG). Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn diejenigen Wohnungseigentümer zustimmen, die durch sie über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maße hinaus einen Nachteil erleiden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG). Eine Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer ist bei einem Mauerdurchbruch durch eine tragende Wand nur dann ausgeschlossen, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums unterblieben ist, insbesondere zum Nachteil der übrigen Eigentümer keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit geschaffen wurde (BGHZ 146, 241/248 f.; BayObLGZ 2000, 252/255 f.). Ist danach eine Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer durch die Baumaßnahme ausgeschlossen, kann sie auch durch einen Mehrheitsbeschluss genehmigt werden. Ein solcher Mehrheitsbeschluss ist nicht wegen der fehlenden Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig. Er ist zwar nicht erforderlich, in aller Regel aber geeignet, Unsicherheit darüber zu beseitigen, ob die bauliche Veränderung vorgenommen werden darf (BayObLGZ 2001, 196/200).

b) Das Landgericht hat diese Rechtsgrundsätze rechtsfehlerfrei zur Anwendung gebracht. Es geht zutreffend davon aus, dass der in dem angefochtenen Eigentümerbeschluss auch genehmigte Durchbruch der Betonwände zwischen den Loggien eine optisch nachteilige Veränderung des Gesamtbilds der Wohnanlage bewirken kann. Eine solche Veränderung würde das Maß des § 14 Nr. 1 WEG in aller Regel übersteigen (allgemeine Meinung und ständige Rechtsprechung des Senats, z. B. BayObLG ZWE 2000, 575). Ferner ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der fehlende Nachweis, der Unbedenklichkeit hinsichtlich der Stabilität und Brandsicherheit des Gebäudes als Folge der Baumaßnahme einen Nachteil darstellt, der bei einem geordneten Zusammenleben nicht unvermeidlich ist (vgl. § 14 Nr. 1 WEG). Es kann dahin stehen, ob die in dem angefochtenen Eigentümerbeschluss vorgesehene Unbedenklichkeitsbescheinigung eines Statikers als Bedingung für die Genehmigung der Baumaßnahme anzusehen ist. Denn eine solche Bescheinigung würde diejenigen in Betracht kommenden Nachteile nicht betreffen, die nicht im Zusammenhang mit einem möglichen Eingriff in die Statik des Gebäudes stehen.

c) Die Antragsgegner haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 10.9.2001 zugesagt, binnen zwei Wochen eine Bescheinigung eines Architekten über die statische Unbedenklichkeit und eine Auskunft zur Brandsicherheit vorzulegen, ferner Lichtbilder von der Balkontrennwand. Bereits durch richterliche Verfügung vom 27.7.2001 wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, entsprechende Nachweise vorzulegen. Durch weitere Verfügung vom 5.11.2001 wurde den Antragsgegnern erneut aufgegeben, die Unterlagen bis 30.11.2001 vorzulegen. Vorgelegt wurden die Unterlagen bis zur Entscheidung des Landgerichts nicht. Auch in der Folgezeit haben die Antragsgegner weder eine Bescheinigung zur statischen Unbedenklichkeit und zur Brandsicherheit vorgelegt noch Lichtbilder von der Balkontrennwand.

Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht aufgrund dieses Verhaltens der Antragsgegner davon ausgegangen, ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG als Folge der beabsichtigten Baumaßnahme könne nicht ausgeschlossen werden. Zwar gilt im Wohnungseigentumsverfahren der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 43 Abs. 1 WEG, § 12 FGG). Dieser Grundsatz ist aber, weil es sich bei den Wohnungseigentumsverfahren in der Regel um sogenannte echte Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, durch die Darlegungs- und Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt (vgl. BGHZ 146, 241/ 249). Das Landgericht brauchte im vorliegenden Fall nicht von Amts wegen Ermittlungen dazu anzustellen, ob durch eine Beseitigung der Wände zwischen den Loggien eine optische Beeinträchtigung herbeigeführt wird und im übrigen durch den Wanddurchbruch die Statik oder Brandsicherheit gefährdet wird. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die Zusage der Antragsgegner, entsprechende Nachweise vorzulegen. Die Antragsgegner haben zu keiner Zeit erklärt, hierzu nicht in der Lage zu sein. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie die angebotenen Unterlagen nicht grundsätzlich vorlegen könnten. Der neue Sachvortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht zulässig. Selbst wenn die Antragsgegner die mit Schriftsatz vom 21.12.2001 erneut zugesagte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt hätten, könnte dies nicht mehr berücksichtigt werden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG a.F., § 561 ZPO a.F.).

3. Es erscheint angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnern als Gesamtschuldnern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der von den Vorinstanzen angenommene Geschäftswert von 10000 DM erscheint auch dem Senat grundsätzlich angemessen. Jedoch wird im Hinblick auf die Umstellung auf Euro für alle Rechtszüge ein Geschäftswert von 5000 Euro festgesetzt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).



Ende der Entscheidung

Zurück