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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 190/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45
Legt der Verwalter nach seiner Abberufung sofortige Beschwerde gegen einen gerichtlichen Beschluss ein, der ihn zur Herausgabe der Verwaltungsunterlagen verpflichtet, bemisst sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des Herausgabeanspruchs erfordert.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Verwalterin einer Wohnanlage, der Antragsgegner ist der frühere Verwalter.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht "als Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft" beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die im Antrag näher bezeichneten Verwaltungsunterlagen an sie als neue Verwalterin herauszugeben.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Er hatte nämlich die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 24.7.2003 über seine Abberufung als Verwalter und Bestellung der Antragstellerin als neue Verwalterin angefochten und ist der Auffassung, die Antragstellerin habe weder ihre Verwaltereigenschaft noch ihre Befugnis zur "Prozessführung" nachgewiesen.

Das Amtsgericht hat dem Antrag, soweit es nicht von einer übereinstimmenden Erledigterklärung ausgegangen ist, durch Beschluss vom 15.6.2004 stattgegeben. Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Durch Verfügung vom 24.8.2004 hat der Vorsitzende der Beschwerdekammer die Beteiligten unter Setzung einer Äußerungsfrist von zwei Wochen darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, da die sofortige Beschwerde mangels Erreichens des Beschwerdewerts unzulässig sein dürfte. Daraufhin hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 31.8.2004 erklärt, dass er sich der Auffassung des Gerichts anschließe. Der Antragsgegner hat durch am 7.9.2004 bei Gericht eingegangenes Telefax sein Einverständnis mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung geäußert und ausgeführt, die Beschwer könne nicht auf den Aufwand des Zusammenstellens und Herrichtens der Unterlagen verkürzt werden. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde durch Beschluss vom 7.9.2004 als unzulässig verworfen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

a) Sie ist insbesondere formgerecht eingelegt. Dass das Beschwerdeschreiben offensichtlich vom Antragsgegner selbst verfasst und von einem Rechtsanwalt als "unterzeichnender Rechtsanwalt" unterschrieben wurde, ist zur Wahrung der Form des § 29 Abs. 1 FGG ausreichend, da der Rechtsanwalt durch seine Unterschrift zu erkennen gegeben hat, dass er die Beschwerdeschrift inhaltlich geprüft hat und die Verantwortung für dafür übernimmt (BayObLGZ 1973, 184/185).

b) Die Rechtsbeschwerde ist unabhängig vom Erreichen des Beschwerdewerts zulässig, weil das Landgericht die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen hat (Weitnauer/Mansel WEG 9. Aufl. § 45 Rn. 4 m.w.N.).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde sei unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EURO nicht übersteige. Die Rechtsmittelbeschwer bemesse sich nicht nach dem Geschäftswert des Verfahrens, sondern allein nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Das Abwehrinteresse des Antragsgegners als Beschwerdeführer werde durch den voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten bestimmt, der mit der Herausgabe der Unterlagen verbunden sei. Diesen bewertete das Gericht mit maximal 150 EURO.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte, weil es das Rechtsmittel für unzulässig erachtet hat (Merle in Bärmann/Pick/ Merle WEG 9. Aufl. § 44 Rn. 24).

b) Soweit der Antragsgegner rügt, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es vor Ablauf der ihm gesetzten Äußerungsfrist entschieden habe, rechtfertigt dies nicht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Zwar dürfte am 7.9.2004, dem Tag der Beschlussfassung, die frühestens mit Zugang der Verfügung vom 24.8.2004 beginnende Äußerungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sein. Andererseits ist die Stellungnahme des Antragsgegners ausweislich der auf dem Fax befindlichen Sendebestätigung bereits um 13.51 Uhr und nicht, wie im Rahmen der Rechtsbeschwerde vorgetragen, "gegen ca. 16.42 Uhr" übermittelt worden. Daher kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, das Gericht habe die Ausführungen des Antragsgegners nicht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt. Im Übrigen würde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung nur rechtfertigen, wenn die Entscheidung darauf beruhen würde. Zur Prüfung dieser Frage muss der Rechtsbeschwerdeführer darlegen, was er bei Gewährung rechtlichen Gehörs innerhalb der gesetzten Frist weiter vorgetragen hätte (st. Rspr., vgl. BayObLGZ 1988, 356/358; BayObLG ZMR 2002, 212). Dies aber ist hier nicht geschehen.

c) Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zutreffend als unzulässig verworfen.

(1) Die Rechtsmittelbeschwer des § 45 Abs. 1 WEG bemisst sich nicht nach dem Geschäftswert des Verfahrens, sondern allein nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGHZ 119, 216). Im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften, zur Rechnungslegung, zur Einsichtgewährung in bestimmte Unterlagen, zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder dergleichen bemisst sich der Wert der Beschwer nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie nach einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Verpflichteten, nicht aber nach dem Wert des Auskunftsanspruchs (BGHZ 128, 85; BayObLG WE 1998, 75). Für die Herausgabe der Verwaltungsunterlagen, zu der der Verwalter nach Beendigung der Verwaltertätigkeit verpflichtet ist (Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentumsrechts 4. Aufl. Rn. 1095), kann nichts anderes gelten. Der wirtschaftliche Zweck des Herausgabeanspruchs besteht in erster Linie darin, den Wohnungseigentümern bzw. dem von diesen bestellten neuen Verwalter die notwendigen Schriftstücke und Informationen für seine Tätigkeit zu geben. Dem gegenüber ist Gegenstand des Rechtsmittels des zur Herausgabe verpflichteten früheren Verwalters das Ziel, die Unterlagen nicht herausgeben zu müssen. Hat sein dahin gehender Antrag Erfolg, erspart er den Aufwand an Zeit und Kosten, der mit der Erfüllung der Verpflichtung verbunden ist. Dieser Aufwand ist grundsätzlich maßgebend für die Festsetzung des Beschwerdewerts. Das daneben etwa bestehende Interesse, die Durchsetzung etwaiger sonstiger gegen ihn gerichteter Ansprüche, z.B. Schadensersatzansprüche, zu verhindern, geht über den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung hinaus. Dass der somit zu veranschlagende Aufwand den nach § 45 Abs. 1 WEG maßgeblichen Wert von 750 EURO übersteigt, ist ausgeschlossen und wurde bislang vom Antragsgegner auch nicht behauptet.

(2) Die Lage ist hier auch nicht deswegen anders zu beurteilen, weil der Antragsgegner die Beschlüsse über seine Abberufung und die Bestellung der Antragstellerin als neue Verwalterin angefochten hat. Denn die hieraus resultierende Ungewissheit über den Ausgang jenes gerichtlichen Verfahrens ändert nichts am Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, der sich auf die Herausgabe der Unterlagen beschränkt. Anfechtbare Beschlüsse bleiben im Übrigen bis zur Rechtskraft der Ungültigkeitserklärung des Gerichts wirksam und durchführbar, da Anfechtungsanträge, jedenfalls solange keine einstweiligen Anordnungen (§ 44 Abs. 3 WEG) getroffenen wurden, keine aufschiebende Wirkung entfalten (Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 23 Rn. 23 m.w.N.). Somit hätte der Antragsgegner die Herausgabe, die die Antragstellerin in Verfahrensstandschaft für die Wohnungseigentümer beansprucht hat, nicht unter Hinweis auf das laufende Anfechtungsverfahren verweigern können.

Inzwischen sind die Anfechtungsanträge durch den Beschluss des Senats vom 20.9.2004 (2Z BR 147/04) rechtskräftig abgewiesen worden. Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Gegenvorstellung des Antragsgegners hatte keinen Erfolg (Beschluss des Senats vom 4.11.2004).

(3) Da das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zu Recht als unzulässig verworfen hat, kommt es auf die Frage, ob die Antragsstellerin berechtigt war, den Anspruch der Wohnungseigentümer geltend zu machen, nicht an.

4. Es entspricht der Billigkeit, den in allen Instanzen erfolglosen Antragsgegner mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EURO veranschlagt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG). Für die Bemessung des Interesses ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Verwaltungstätigkeit erheblich erschwert ist, wenn hierzu nicht alle wesentlichen Unterlagen zur Verfügung stehen. Der Geschäftswert ist nicht identisch mit dem Beschwerdewert.

Ende der Entscheidung

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