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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.12.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 195/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 5
WEG § 43
1. Die Anfechtung einer Jahresabrechnung oder eines Wirtschaftsplans wegen Anwendung eines unrichtigen Verteilungsmaßstabs ist in der Regel dann rechtsmissbräuchlich, wenn die übrigen Wohnungseigentümer mit dem Abrechnungsmaßstab einverstanden sind und der Antragsteller durch eine Änderung nur Nachteile erleiden würde.

2. Die Ermächtigung des Verwalters zur Führung gerichtlicher Verfahren kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

3. Erledigt sich ein Eigentümerbeschluss durch Zeitablauf und tritt damit Erledigung der Hauptsache ein, ist ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses in der Regel unzulässig.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Am 12.10.2001 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der mehrere Eigentümerbeschlüsse gefasst wurden. Verfahrensgegenständlich sind noch folgende Beschlüsse:

Im Rahmen von Tagesordnungspunkt (TOP) 1 wurde beschlossen, dem Ehemann einer Wohnungseigentümerin die Anwesenheit in der Versammlung zu gestatten. Zu diesem Zeitpunkt hatten diese Wohnungseigentümerin und ihr Ehemann die Versammlung jedoch bereits verlassen.

Weiter wurde unter TOP 1 beschlossen, dass die Wohnungseigentümer die Prozessführung in dem Verfahren hinsichtlich der Anfechtung der Eigentümerbeschlüsse durch den Antragsteller genehmigen. Die Wohnungseigentümer beschlossen ferner, eine Rechtsanwältin mit der Fortführung der anhängigen Gerichtsverfahren und der Vertretung in den künftigen gerichtlichen Verfahren, einschließlich der Zwangsvollstreckung, zu bevollmächtigen, soweit die Verfahren von den Wohnungseigentümern eingeleitet oder gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft anhängig gemacht werden. Außerdem beschlossen die Wohnungseigentümer, die weitere Beteiligte zu bevollmächtigen, die Wohnungseigentümer in sämtlichen Aktiv- als auch Passivprozessen, die von den Wohnungseigentümern geführt oder gegen diese noch geführt werden, zu vertreten, genehmigten die bisherige Prozessführung und bevollmächtigten die weitere Beteiligte dazu, Untervollmachten zu erteilen oder zu widerrufen.

Unter TOP 4 wurde die Jahresabrechnung 2000 und unter TOP 10 der Wirtschaftsplan 2001 beschlossen. Der Antragsteller rügt bei beiden Beschlüssen die Anwendung eines unrichtigen Kostenverteilungsschlüssels für die Umlegung der Verwalterkosten.

Unter TOP 7 wurde die Wahl des Verwaltungsbeirats beschlossen, wobei drei reguläre Mitglieder und ein Ersatzmitglied bestellt wurden.

Unter TOP 8 wurde die weitere Beteiligte für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2002 zur Verwalterin bestellt.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, sämtliche in der Eigentümerversammlung vom 12.10.2001 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.1.2003 den Beschluss zu TOP 7 insoweit aufgehoben, als ein Wohnungseigentümer zum Ersatz-Verwaltungsbeirat gewählt wurde. Im Übrigen hat es die Anträge des Antragstellers abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, soweit sein Antrag abgewiesen wurde. Die Antragsgegner haben Anschlussbeschwerde eingelegt, soweit der Beschluss der Eigentümerversammlung unter TOP 7 aufgehoben wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Antragsteller seine Anträge insoweit umgestellt, als zu TOP 7 und 9 beantragt wurde, festzustellen, dass die Wahl des Verwaltungsbeirats und die Bestellung der Verwalterin unwirksam gewesen seien. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29.8.2003, berichtigt durch Beschluss vom 18.11.2003, die Beschlüsse über die Entlastung des Verwaltungsbeirats und die Entlastung der Verwalterin aufgehoben und die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers sowie die Anschlussbeschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller seine zuletzt vor dem Landgericht gestellten Anträge weiter, soweit das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Bei dem Beschluss über die Möglichkeit der Teilnahme des Ehemanns einer Wohnungseigentümerin handle es sich um einen Geschäftsordnungsbeschluss, der nicht selbständig angefochten werden könne.

Die Genehmigung der Prozessführung durch die Verwalterin und die Verfahrensbevollmächtigte entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Beschluss bedeute nicht, dass die Antragsgegner die Verwalterin für alle Zukunft bevollmächtigt hätten. Die Vollmacht könne jederzeit, notfalls in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung, widerrufen werden.

Die Verteilung der Verwaltervergütung, wie sie der Jahresabrechnung 2000 und dem Wirtschaftsplan 2001 zugrunde liege, entspreche der Gemeinschaftsordnung.

Der Feststellungsantrag bezüglich der Wahl des Verwaltungsbeirats sei unbegründet. Das Amtsgericht habe bereits die Wahl des Vertreters für ungültig erklärt und weitere Mängel bestünden nicht.

Die Neubestellung der weiteren Beteiligten als Verwalterin widerspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Verwalterbestellung könne nur dann für ungültig erklärt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliege, der gegen die Wahl zum Verwalter spreche. Ein solcher Grund sei nicht gegeben.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Beschluss über die Teilnahme eines Nichtwohnungseigentümers an der Versammlung ist, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht selbständig anfechtbar. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (vgl. auch BayObLG NJW-RR 1996, 524).

b) Der Beschluss über die Prozessführung entspricht ebenfalls ordnungsmäßiger Verwaltung.

Der Senat hat den Beschluss selbständig objektiv und normativ auszulegen (st.Rspr.: z.B. BGHZ 139, 288/291 ff.). Nach der nächstliegenden Bedeutung des Beschlusses wird die bisherige Prozessführung der Verwalterin und der Verfahrensbevollmächtigten genehmigt. Darüber hinaus wird Vollmacht zur Führung von Aktiv- und Passivprozessen erteilt. Maßgeblich ist danach in erster Linie die Bevollmächtigung der weiteren Beteiligten, der auch das Recht eingeräumt wurde, Untervollmachten zu erteilen oder zu widerrufen. Demgegenüber ist die Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner von untergeordneter Bedeutung. Insbesondere ist die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner nicht ermächtigt, gegen oder im Widerspruch zum Vorgehen der ebenfalls bevollmächtigten weiteren Beteiligten gerichtliche Verfahren zu führen. Ein Wille der Wohnungseigentümer, zwei Personen die Ermächtigung zur Verfahrensführung zu erteilen, und zwar unabhängig voneinander und möglicherweise mit entgegengesetzten Zielen, ist fernliegend. Die Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten ist deshalb dahin auszulegen, dass diese die Wohnungseigentümer vertreten kann, wenn dies die Verwalterin im Rahmen ihrer Vollmacht für angezeigt hält. Insbesondere wird damit klargestellt, dass die weitere Beteiligte berechtigt ist, für die Wohnungseigentümer die Verfahrensbevollmächtigte einzuschalten.

Der Beschluss widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG sieht ausdrücklich vor, dass der Verwalter berechtigt und verpflichtet ist, Ansprüche gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen, sofern er hierzu durch Beschluss der Wohnungseigentümer ermächtigt ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. NZM 2001, 959) gilt § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG entsprechend für Passivprozesse, insbesondere für die Verfahrensvertretung im Beschlussanfechtungsverfahren. Dabei entspricht es regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung, eine generelle Ermächtigung zu erteilen. Umstände, die im vorliegenden Fall eine Abweichung hiervon rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

c) Die Anträge zu den TOP 4 und 10 sind unzulässig. Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden (§ 27 Abs. 2 FGG, § 546 ZPO) Feststellungen des Landgerichts würde der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Kostenverteilung benachteiligt, da er Eigentümer zweier großer Wohnungen ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 3124) ist zwar ein Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen. Dadurch wird es jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses im Einzelfall wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sein kann (Beschluss des Senats vom 27.11.2003 - 2Z BR 183/03). Ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt hier vor, da der Antragsteller durch die von ihm gewünschte Handhabung ausschließlich Nachteile erleiden würde und die Übrigen Wohnungseigentümer mit der bisherigen Umlegungsweise einverstanden sind. Im Übrigen hat der Senat am 27.11.2003, 2Z BR 186/03, entschieden, dass die Umlegung der Verwalterkosten der Gemeinschaftsordnung entspricht.

d) Die Bestellung eines Wohnungseigentümers zum Ersatzmitglied des Verwaltungsbeirats ist rechtskräftig für ungültig erklärt, so dass auf die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses insoweit nicht mehr einzugehen ist.

Der Umstand, dass neben den drei Mitgliedern des Verwaltungsbeirats ein Ersatzmitglied bestellt wurde, macht den Beschluss über die Bestellung des Verwaltungsbeirats nicht insgesamt nichtig. Den Wohnungseigentümern ging es bei der Beschlussfassung darum, einen dem Gesetz (§ 29 Abs. 1 WEG) entsprechenden Verwaltungsbeirat zu bestellen. Dies ist durch die Wahl von drei Mitgliedern des Verwaltungsbeirats geschehen. Dass zusätzlich noch ein Ersatzmitglied bestellt wurde, lässt die Bestellung des Verwaltungsbeirats als solchen unberührt. Dass die Bestellung der regelmäßigen Mitglieder des Verwaltungsbeirats und des Ersatzmitglieds in einem Beschluss zusammengefasst wurden, führt nicht zur Nichtigkeit des gesamten Beschlusses. Es liegen vielmehr teilbare Regelungen vor. Die Bestellung der regulären Mitglieder des Verwaltungsbeirats entspricht dem Gesetz, und es ist nicht erkennbar, dass in der Person der Bestellten Umstände vorliegen, die eine Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses rechtfertigen könnten.

e) Der Antrag auf Ungültigerklärung der Verwalterwahl ist mit Ablauf der Bestellungszeit unzulässig geworden. Dem hat der Antragsteller durch Umstellung auf einen Feststellungsantrag Rechnung getragen. Auch dieser Feststellungsantrag ist jedoch unzulässig. Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sieht einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht vor. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften anderer Prozessordnungen kommt nicht in Betracht (vgl. Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 86). Eine schwere Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers, insbesondere ein tiefgreifender Grundrechtseingriff, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu Kahl aaO) ein rechtliches Interesse an einer Feststellung begründen würde, liegt offensichtlich nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG, wobei der Senat der Festsetzung der Einzelpositionen durch das Landgericht folgt, soweit diese im Rechtsbeschwerdeverfahren noch verfahrensgegenständlich sind.



Ende der Entscheidung

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