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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 200/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10
WEG § 16
WEG § 21
Zur Auslegung der Regelung einer Gemeinschaftsordnung über die Kostentragungspflicht für die Instandsetzung einer Tiefgarage.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter am Obersten Landesgericht Lorbacher und Dr. Schmid sowie der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Deneke-Stoll am 17. Januar 2005 in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 20. September 2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 25.300 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. § 4 der Gemeinschaftsordnung (GO) enthält unter der Überschrift "Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums" folgende Regelung:

(1) Der Wohnungs- bzw. Teileigentümer trägt den anderen Wohnungs- bzw. Teileigentümern gegenüber die Kosten der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung seiner im Sondereigentum befindlichen Räume und der darin befindlichen Anlagen und Ausstattung einschließlich der Schönheitsreparaturen.

...

(3) Die Kosten für die Instandhaltung und den Betrieb der Tiefgarage obliegen uneingeschränkt anteilmäßig den Eigentümern der Garagenabstellplätze.

In § 8 GO ist vorgesehen, dass der Anteil des einzelnen Wohnungs- bzw. Teileigentümers an den Vorauszahlungen durch den Verwalter bestimmt wird. Die endgültige Jahresabrechnung erfolgt nach 1000stel Miteigentumsanteilen.

Die Tiefgarage bildet nach der Teilungserklärung ein selbständiges Sondereigentum. Dort befinden sich 20 Kfz-Stellplätze. In dem Gebäude selbst sind 30 Wohnungen. Nicht jeder Wohnungseigentümer hat demzufolge auch einen Tiefgaragen-Stellplatz.

Das Gebäude ist im Bereich der Tiefgarage sanierungsbedürftig. Nach einem von den Wohnungseigentümern erholten Gutachten sind vor allem im Anschlussbereich der Tiefgaragendecke zum aufgehenden Wohngebäude Abdichtungsarbeiten durchzuführen. Außerdem wurden bei den tragenden Stützen sowie den Bodenflächen erhebliche Schäden festgestellt.

In der Eigentümerversammlung vom 20.5.2003 wurde folgender Beschlussantrag 10.2003 angenommen:

Zur Finanzierung der kurz- bis mittelfristig notwendigen Sanierungsmaßnahmen wird eine Sonderumlage in Höhe von EUR 126.000 fällig gestellt, entsprechend dem in der Teilungserklärung verankerten Verteilungsschlüssel. Die Sonderumlage wird in drei Raten mit je EUR 42.000 fällig, und zwar zum 15.7.03, 1.12.03 und 1.2.04.

Ausweislich des Protokolls wies die Verwalterin nach der Abstimmung darauf hin, dass Maßnahmen, wie z.B. Anstrich des Bodens, der Wände und der Decken sowie Arbeiten, die nichts mit der Erhaltung der konstruktiven Bauteile der Tiefgarage zu tun haben, zu Lasten der Sondereigentümer der Tiefgaragenplätze gehen.

Ein Antrag des Antragstellers (Beschlussantrag 11.2003), dass die beschlossenen Sonderumlagen insgesamt nur von den Garageneigentümern zu tragen seien, wurde mehrheitlich abgelehnt.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass sowohl aufgrund der Gemeinschaftsordnung als auch aus dem Gesichtspunkt einer Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen die Sanierungskosten ausschließlich von den Eigentümern des Sondereigentums Tiefgarage zu tragen sind.

Der Antragsteller hat bei Amtsgericht beantragt, die Beschlüsse 10.2003 und 11.2003 für ungültig zu erklären. Ein weiterer Antrag ist nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 29.3.2004 die Beschlussanfechtungsanträge abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht am 20.9.2004 zurückgewiesen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ziel auf Ungültigerklärung der Beschlüsse weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein Verstoß gegen die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung liege schon deshalb nicht vor, weil im Beschluss 10.2003 eine Kostenverteilung entsprechend der Teilungserklärung festgelegt worden sei.

Im Übrigen ergebe die Auslegung der Teilungserklärung, dass § 4 Abs. 3 GO lediglich die Kosten der Arbeiten/Instandsetzungsmaßnahmen am Sonder-/Teileigentum betreffe. Für tragende Bauteile, deren Erhaltung maßgeblich im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer liege und die über den bloßen Bereich der Tiefgarage hinaus greifen, würde diese Regelung nicht gelten.

Einer Aufrechnungserklärung komme erst im Rahmen der Zahlungsverpflichtung des Antragstellers Bedeutung zu.

Der Beschluss sei auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit für ungültig zu erklären. Es genüge hier, dass der geschuldete Betrag von den Wohnungseigentümern ohne weiteres selbst errechnet werden könne.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Beschluss 10.2003 ist nicht deshalb für ungültig zu erklären, weil der Anteil der einzelnen Wohnungseigentümer nicht betragsmäßig ausgewiesen ist. Zwar ist eine Sonderumlage eine Ergänzung zum Wirtschaftsplan und hat deshalb grundsätzlich die auf jeden Wohnungseigentümer entfallenden Beträge anzugeben (st. Rspr. des Senats, z.B. BayObLG NJW-RR 1991, 1360 und zuletzt Beschluss des Senats vom 29.12.2004 - 2Z BR 112/04; a.A. KG NJW-RR 1991, 736). Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG bedarf es jedoch im vorliegenden Fall nicht, da der Senat Ausnahmen von der betragsmäßigen Bezifferung für die Fälle zugelassen hat, in denen der geschuldete Betrag von den Wohnungseigentümern ohne weiteres selbst errechnet werden kann (BayObLG NZM 1998, 337). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Aus § 8 GO ergibt sich, dass die beschlossene Sonderumlage nach 1000stel Miteigentumsanteilen zu zahlen ist. Jeder Wohnungseigentümer kann deshalb den ihn treffenden Betrag selbst errechnen.

Die Gemeinschaftsordnung sieht in § 8 vor, dass der Verwalter den anteilmäßigen Betrag bestimmt. Diese Bestimmung der Teilungserklärung ist so auszulegen, dass der Verwalter dann tätig werden kann, wenn kein Eigentümerbeschluss vorliegt. Dass durch diese Regelung die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer beschränkt werden sollte, kann nicht angenommen werden.

Die Hinweise des Verwalters auf eine mögliche Kostentragungspflicht allein der Garageneigentümer ist nicht Gegenstand des Beschlusses und deshalb in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Wie die endgültige Kostenverteilung zu erfolgen hat, kann in diesem Verfahren auch dahinstehen. Die Wohnungseigentümer haben den Wirtschaftsplan, und damit auch die den Wirtschaftsplan ergänzenden Regelungen über eine Sonderumlage, nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 5 WEG) aufzustellen. Hierzu gehört es, dass solche Forderungen berücksichtigt werden, mit deren Begleichung die Wohnungseigentümer rechnen müssen (Beschluss des Senats vom 29.12.2004 - 2Z BR 112/04). Mit den Beschlüssen 07., 08. und 09.2003 haben die Wohnungseigentümer die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen unangefochten beschlossen. Die Wohnungseigentümer sind deshalb Auftraggeber und haften für die geschuldeten Zahlungen. Diese Haftung im Außenverhältnis ist unabhängig davon, wie die Kosten im Innenverhältnis verteilt werden. Es entspricht deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung, die gesamten Kosten durch eine Sonderumlage zu decken.

b) Die Heranziehung aller Wohnungseigentümer zur Sonderumlage könnte allerdings dann ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, wenn aufgrund der endgültigen Kostenverteilungsregelung feststehen würde, dass die Kosten der Maßnahme ausschließlich die Eigentümer der Tiefgarage treffen würden.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Senat folgt der Auslegung der Gemeinschaftsordnung durch das Landgericht.

Der Senat hat die Gemeinschaftsordnung wie jede Grundbucherklärung selbst auszulegen. Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGH ZMR 1993, 287; BayObLG ZMR 2001, 833).

§ 4 GO betrifft bereits seiner Überschrift nach die Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums. Hierzu gehören nicht die Teile des Gebäudes, die für den Bestand und die Standsicherheit des Gebäudes erforderlich sind (§ 5 Abs. 2 WEG). § 4 Abs. 1 GO nennt die im Sondereigentum befindlichen Räume. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gehören zu einem Raum nicht die tragenden, den Raum abschließenden Bauteile. Der über § 4 Abs. 1 GO hinausgehende Regelungsgehalt des § 4 Abs. 3 GO ist schwer einsehbar, da die Tiefgarage in der Teilungserklärung als Sondereigentum ausgestaltet ist. § 4 Abs. 3 GO hat deshalb im Wesentlichen klarstellende Funktion. Dabei wird insbesondere verdeutlicht, dass Instandhaltungskosten der Tiefgarage selbst und Betriebskosten nur von den Eigentümern der Garagenstellplätze zu tragen sind. Dass dadurch eine gesonderte Kostentragungspflicht auch für Bauteile, die zwingend Gemeinschaftseigentum sind, begründet werden soll, hätte einer deutlicheren Formulierung bedurft. Der Umstand, dass in § 4 Abs. 3 GO nur die Instandhaltung und nicht wie in § 4 Abs. 1 GO auch die Instandsetzung genannt ist, spricht vielmehr dafür, dass nur laufende Instandhaltungskosten von den Tiefgarageneigentümern zu tragen sind. Eine von § 16 Abs. 2 WEG abweichende Kostentragungspflicht muss der Gemeinschaftsordnung hinreichend deutlich zu entnehmen sein. Das ist hier nicht der Fall.

c) Das Landgericht konnte es auch dahingestellt sein lassen, ob die nunmehr zu beseitigenden Schäden von den Eigentümern der Tiefgarage wegen mangelnder Instandhaltung schuldhaft verursacht worden sind. Ein eventueller Schadensersatzanspruch ist in diesem Beschlussanfechtungsverfahren nicht von Bedeutung. Durch den Beschluss wird nämlich die Forderung, mit der aufgerechnet werden könnte, erst begründet. Darüber hinaus ist eine Aufrechnung gegen Zahlungsansprüche aufgrund einer Sonderumlage nur zulässig, wenn die Gegenforderung aus einer Notmaßnahme nach § 21 Abs. 2 WEG oder aus §§ 680, 683 BGB resultiert oder wenn die Gegenforderung anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist (BayObLG NZM 2003, 66/67). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

d) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auch der Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses 11.2003 unbegründet ist, da die Wohnungseigentümer nicht verpflichtet waren, die Sonderumlage ausschließlich von den Garageneigentümern zu erheben.

e) Zu Unrecht bezieht sich der Antragsteller auf die Entscheidung des Senats vom 12.5.2004 (ZMR 2004, 765/766). Dieser Entscheidung lag eine anders ausgestaltete Teilungserklärung zugrunde. Insbesondere waren dort durch die Teilungserklärung objektbezogen getrennte Abrechnungseinheiten vorgesehen, was vorliegend nicht der Fall ist.

3. Es entspricht der Billigkeit, den in allen Instanzen unterlegenen Antragsteller mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten (§ 47 WEG).

Die in Übereinstimmung mit dem Landgericht getroffene Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG.



Ende der Entscheidung

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