Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 203/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
1. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Gemeinschaftsordnung ohne Bindung an die Auslegung des Landgerichts selbständig auslegen. Bei der Auslegung ist auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung ergibt.

2. Durch Vereinbarung kann die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht für das gemeinschaftliche Eigentum ganz oder teilweise einem Wohnungseigentümer übertragen werden. Dies gilt insbesondere für Bauteile, an denen ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Den beiden Antragstellern gehört das Teileigentum Nr. 154, bei dem es sich um ein Café handelt. In der Gemeinschaftsordnung ist bestimmt, dass der jeweilige Eigentümer des Teileigentums Nr. 154 zur alleinigen Nutzung des gesamten Gaststättengebäudes sowie der daran angrenzenden Fläche der Fußgängerebene unter Ausschluss aller anderen Wohnungseigentümer berechtigt ist (Allg. Bestimmungen, Nr. 5 Buchst. c). Was die Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung sowie des Betriebs von Gebäudeteilen und Flächen angeht, sind Sondernutzungsrechte wie Sondereigentum zu behandeln (Allg. Bestimmungen, Nr. 5 Buchst. d). Jeder Wohnungseigentümer hat die in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile auf eigene Rechnung instand zu halten und instand zu setzen. Die Instandhaltung und Instandsetzung unter anderem der Außenfenster obliegt, auch wenn sie sich im Bereich des Sondereigentums befinden, der Gesamtheit der Wohnungseigentümer (§ 3 Abs. 1 Buchst. a). Die Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäudeteilen und Grundstücksflächen, die dem Sondernutzungsrecht eines Wohnungseigentümers unterliegen, ist jedoch ausschließlich Sache des jeweiligen Sondernutzungsberechtigten (§ 3 Abs. 1 Buchst. e). Die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt mit Ausnahme der zur Sondernutzung zugewiesenen Teile der Gesamtheit der Wohnungseigentümer (§ 3 Abs. 2 Buchs. a).

Die Antragsteller ließen im Jahr 1999 zur Behebung "wärmetechnischer Mängel" die Einscheibenverglasung ihres Teileigentums durch eine Isolierverglasung ersetzen und wendeten hierfür 18 .855 DM auf.

Durch Beschluss vom 3.7.2000 (Tagesordnungspunkt 9) lehnten die Wohnungseigentümer den Antrag der Antragsteller ab, die Kosten der Instandhaltung der Fensteranlage und einer Sanierung der Betonteile des Teileigentums zu übernehmen.

Die Antragsteller haben beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 3.7.2000 zu Tagesordnungspunkt 9 für ungültig zu erklären, die Antragsgegner zu verpflichten, an sie 18.855 DM nebst Zinsen zu zahlen, ferner festzustellen, dass die Wohnungseigentümer die Kosten der Instandsetzung der Fensteranlage des Teileigentums und einer Sanierung der im Bereich des Teileigentums, einschließlich der zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftseigentums, liegenden tragenden Betonteile zu tragen haben.

Das Amtsgericht hat am 10.9.2002 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 10.9.2003 dem Antrag nur insoweit entsprochen, als Gegenstand die Sanierung der tragenden Betonteile ist; im Übrigen hat es die Anträge abgewiesen. Dagegen haben sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie verfolgen ihre ursprünglichen Anträge weiter, die Antragsgegner jedoch nur insoweit, als sie zur Kostentragung einer über eine erstmalige ordnungsmäßige Herstellung hinausgehenden Sanierung der tragenden Betonteile verpflichtet wurden.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsteller hat im Wesentlichen keinen Erfolg, während das Rechtsmittel der Antragsgegner begründet ist.

1. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Die Auslegung der Gemeinschaftsordnung ergebe, dass die Betonsanierung Sache der Wohnungseigentümer insgesamt sei, während der Austausch der Fenster in den Verantwortungsbereich der Antragsteller falle. Nach der Gemeinschaftsordnung sei ein Sondernutzungsberechtigter grundsätzlich wie ein Sondereigentümer zu behandeln, auch wenn seine Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung in gewissem Umfang weiter gehe als die eines Sondereigentümers. Wegen des grundsätzlichen Gleichlaufs von Sondernutzungsberechtigung und Sondereigentum sei aber nicht davon auszugehen, dass auch die Sanierung von Betonteilen dem Sondernutzungsberechtigten obliege. Daran ändere nichts, dass den Antragstellern das Sondernutzungsrecht am gesamten Gaststättengebäude zugewiesen sei, während die sonstige Regelung der Gemeinschaftsordnung nur auf Gebäudeteile abhebe.

Etwas anderes gelte für die Fensteranlage. Die Gemeinschaftsordnung enthalte eine ausdrückliche Sonderregelung für die Tür-/Fensterelemente zu den Terrassen, die von einer Instandsetzungspflicht der Gemeinschaft ausgenommen seien.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

a) Zur Auslegung der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist das Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die Auslegung durch das Landgericht befugt. Dabei ist auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung ergibt (allg. Meinung und ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. BGHZ 121, 236/239; 139, 288/292; BayObLG NJW-RR 1988, 140; WuM 1991, 305; NZM 2001, 1138 f.; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9.Aufl. § 45 Rn. 90).

Die Instandhaltung und Instandsetzung von Gemeinschaftseigentum (vgl. § 21 Abs. 3, 5 Nr. 2 WEG) kann durch Vereinbarung ganz oder teilweise einem einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt werden. Dies gilt insbesondere für Bauteile, an denen ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist (allg. Meinung und ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLG NZM 2001, 1138/1140).

b) Die nächstliegende Bedeutung der verschiedenen Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung über die Verteilung der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht zwischen den Sondereigentümern, Sondernutzungsberechtigten und der Gesamtheit der Wohnungseigentümer ergibt, dass die Antragsteller als Eigentümer des Teileigentums Nr. 154 die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung des Teileigentums in vollem Umfang - ausgenommen lediglich solche Instandsetzungsmaßnahmen, die zur Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustands erforderlich sind - trifft. Was die Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustands angeht, anerkennen die Antragsgegner eine Verpflichtung der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zur Instandsetzung.

Vom Grundsatz her sieht die Gemeinschaftsordnung zwar hinsichtlich der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht einen Gleichlauf zwischen Sondereigentum und dem Gegenstand eines Sondernutzungsrechts vor. Aus § 3 Abs. 1 Buchst. a der Gemeinschaftsordnung könnte sich eine gewisse Einschränkung der Instandhaltungspflicht der Antragsteller als Sondernutzungsberechtigte ableiten lassen. § 3 Abs. 1 Buchst. e stellt aber eindeutig klar, dass demgegenüber die sich aus den Allgemeinen Bestimmungen, Nr. 5 ergebende Instandhaltungspflicht der Sondernutzungsberechtigten vorgeht. Im Ergebnis durchbricht in diesem Bereich die Gemeinschaftsordnung damit den grundsätzlichen Gleichlauf zwischen Sondereigentum und Gegenstand eines Sondernutzungsrechts zu Lasten der Sondernutzungsberechtigten. Eine Bestätigung findet diese Auslegung in § 3 Abs. 2 Buchst. a der Gemeinschaftsordnung, der von der Instandhaltung- und Instandsetzungspflicht für das Gemeinschaftseigentum durch alle Eigentümer das einem Sondernutzungsrecht unterliegende Eigentum ausnimmt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen in den einzelnen Rechtszügen sieht der Senat davon ab, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Die im Wesentlichen mit der Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen übereinstimmende Geschäftswertfestsetzung durch das Rechtsbeschwerdegericht beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

Zurück