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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 207/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
1. Ein Nachteil kann auch in der optisch nachteiligen Veränderung des Gesamteindrucks einer Wohnanlage liegen. Ob ein solcher vorliegt, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann.

2. Als Nachteil kommen nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen in Betracht.

3. Ein Wohnungseigentümer, der einer Baumaßnahme nicht zuzustimmen brauchte und auch nicht zugestimmt hat, kann nicht mit Folgekosten wie Schadensersatzansprüchen Dritter belastet werden.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Wohnanlage besteht aus 30 Wohnungen und einem Laden, in dem ein Lebensmittelmarkt betrieben wird. Von der Straße aus gibt es eine Zufahrt zu der Wohnanlage. Rechts von dieser Zufahrt liegen in Höhe des Ladens mehrere Kfz-Stellplätze, an denen dem Ladeninhaber ein Sondernutzungsrecht zusteht. Daran schließen sich in dem neben dem Laden liegenden Wohngebäude mehrere Garagen an. Auf der linken Seite der Zufahrt befinden sich zahlreiche Kfz-Stellplätze, an denen dem Ladeneigentümer ein Sondernutzungsrecht zusteht. Die von der Straße aus gesehen hinteren sechs Stellplätze überlässt der Ladeneigentümer, dem auch an diesen Stellplätzen ein Sondernutzungsrecht zusteht, den Wohnungseigentümern zur Nutzung als Privatparkplätze. Am Ende des Hofes liegen im rechten Winkel zur Zufahrt die Parkplätze, an denen die Wohnungseigentümer Sondernutzungsrechte haben.

Da die Kunden des Lebensmittelmarkts häufig die ihnen vom Ladeneigentümer überlassenen Privatstellplätze, die Stellplätze, an denen ihnen Sondernutzungsrechte zustehen, und die Garagen verstellen, beschlossen die Wohnungseigentümer am 8.10.2003 mit Mehrheit,

... in Höhe des letzten, nun von der Eigentümergemeinschaft nutzbaren Stellplatzes bis zur Hauswand eine Absperrkette anzubringen, die sechs Stellplätze als Privatparkplätze auszuschildern und durch entsprechende Ausweisung und Beschriftung der Feuerwehrzufahrt die Zufahrt zu den Garagen G 6 und G 7 sicherzustellen.

Der Antragsteller hat beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.6.2004 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 21.9.2004 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Es könne dahingestellt bleiben, ob die beschlossene Maßnahme eine bauliche Veränderung beinhalte, da eine solche unterstellt, durch sie niemand über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werde.

a) Das behauptete Risiko, jemand könne über die Kette stolpern und Schadensersatzansprüche gegen die Wohnungseigentümer stellen, bestehe lediglich theoretisch. Eine konkrete Beeinträchtigung liege nicht vor.

b) Es sei nicht ersichtlich, inwieweit durch eine Absperrkette eine optisch nachteilige Veränderung des Gesamteindrucks der Wohnanlage eintreten könne. Nicht entscheidungserheblich sei, ob es besser wäre, an der für die Kette vorgesehenen oder an einer anderen Stelle statt der Absperrkette eine Absperrschranke zu errichten.

c) Es sei nicht auszuschließen, dass nach wie vor Fahrzeuge unberechtigt vor den Garagen abgestellt würden, die von der Straße aus gesehen sich vor der Kette befinden. Es sei aber nicht nachvollziehbar, weshalb insoweit durch das Anbringen der Kette ein Nachteil für den Antragsteller zu erwarten sei.

d) Ein über das unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil liege auch nicht darin, dass jemand, um zu den Garagen und Stellplätzen hinter der Absperrung zu gelangen, erst aus seinem Fahrzeug aussteigen, die Kette aushängen und dann wieder einhängen müsse. Dieser zumutbaren Mühewaltung müsse entgegengehalten werden, dass durch die Absperrung erreicht werden könne, Kunden des Lebensmittelmarktes von einem unberechtigten Parken auf den Privatparkplätzen der Wohnungseigentümer oder vor deren Garagen abzuhalten.

e) Die in dem Eigentümerbeschluss vorgesehene Beschilderung sei für die Wohnungseigentümer nur vorteilhaft; ein Nachteil dadurch sei nicht in Sicht.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Eine bauliche Veränderung, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, bedarf nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG der Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Es kann dahingestellt bleiben, welche bauliche Maßnahme zur Errichtung der Absperrkette nach dem Eigentümerbeschluss erforderlich und zulässig ist. Desgleichen kann offen bleiben, ob das Anbringen einer Absperrkette nur dann als bauliche Veränderung anzusehen ist, wenn sie fest und dauerhaft im Boden verankert ist. Hier fehlt es in jedem Fall nämlich an einem Nachteil, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht.

b) Ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG kann auch in der optisch nachteiligen Veränderung des Gesamteindrucks einer Wohnanlage liegen. Ob eine solche gegeben ist, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht eine optisch nachteilige Veränderung verneint. Dabei ist es ohne wesentlichen Belang, ob man zur Beurteilung dieser Frage von einer festen und dauerhaften Verankerung der Absperrvorrichtung im Boden ausgeht oder ob die Absperrkette nur zwischen zwei beweglichen Pylonen gespannt wird.

c) Der Beurteilung durch den Tatrichter obliegt es in gleicher Weise, ob ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG deshalb vorliegt, weil Fahrzeuge nunmehr in größerem Umfang als vorher unberechtigt vor den vor der Kette liegenden Garagen abgestellt würden oder weil die Kette erst aus- und dann wieder eingehängt werden muss, um in den hinteren Hofteil zu gelangen. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch insoweit einen Nachteil verneint.

d) Als Nachteil im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG kommen nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen in Betracht (vgl. BayObLG DWE 1990, 30 f.). Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass durch die Absperrkette konkrete und objektive Beeinträchtigungen in Form von Stolpern über die Kette nicht zu befürchten sind. Abgesehen davon könnte durch eine - hier unterstellte - Baumaßnahme ein Wohnungseigentümer, der der Maßnahme nicht zuzustimmen brauchte und ihr auch nicht zugestimmt hat, nicht mit Folgekosten wie Schadensersatzansprüchen belastet werden (vgl. § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 WEG; BGHZ 116, 392/379; BayObLG ZWE 2004, 91).

e) Den umfangreichen Sachvortrag des Antragstellers in der Rechtsbeschwerdebegründung vom 25.10.2004 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Soweit oben dazu nicht Stellung genommen worden ist, liegt er neben der Sache oder kann als erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragener Sachvortrag keine Berücksichtigung finden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

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