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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 21/02
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 14 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 22 Abs. 1
Fehlt es an dem notwendigen Eigentümerbeschluss oder Verwalterzustimmung, so kann ein Wohnungseigentümer verlangen, das eigenmächtige Veränderungen rückgängig gemacht werden, unabhängig davon, ob es sich um bauliche Veränderungen handelt, die den anderen Wohnungseigentümer in seinen Rechten über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigen.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Wohnung des Antragstellers (M 3) liegt neben der des Antragsgegners (M 2) im Untergeschoss. Der jeweiligen Wohnung zugeordnet ist eine vorgelagerte Sondernutzungsfläche mit Terrasse und Gartenanteil.

Ursprünglich befand sich unmittelbar an der äußeren Hauswand auf der Grenze der beiden Sondernutzungsflächen ein hellgrauer länglicher Pflanztrog mit strukturierter Oberfläche. Der Antragsgegner hatte diesen entfernt und an dessen Stelle (drei oder) vier ursprünglich hellgraue, später braun gestrichene Eternitpflanzkübel ohne Oberflächenstruktur entlang der Grenze aufgestellt und im Anschluss daran, zum Garten hin, einen etwa 40 bis 50 cm hohen Zaun aus Kunststoffdraht gezogen.

Dieser grenzt nun die beiden Sondernutzungsflächen der Länge nach voneinander ab. Der hellgraue Pflanztrog ist noch vorhanden und steht im spitzen Winkel zu den braunen Trögen auf der Terrasse des Antragsgegners. Der Antragsgegner, der in früheren Jahren Hunde in der Wohnung hielt, ist inzwischen ausgezogen.

Nach § 1 Abs. 5 der Gemeinschaftsordnung (GO) bedürfen Änderungen an der äußeren Gestalt und der Farbe des Gebäudes - einschließlich Balkone und Loggien - sowie der gärtnerischen Anlagen eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer. Maßnahmen, welche die einheitliche Gestaltung stören, insbesondere Anbringen oder Aufstellen von Blumentrögen vor Fenstern und Balkonbrüstungen und dergleichen, ferner bauliche Änderungen innerhalb des Sondereigentums, soweit dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers berührt wird, bedürfen der vorherigen Zustimmung des Verwalters. Diese kann gemäß § 1 Abs. 6 GO durch Beschluss der Eigentümerversammlung ersetzt werden.

In einem früheren gerichtlichen Verfahren gegen sämtliche Wohnungseigentümer hatte der Antragsteller sinngemäß die Beseitigung der im Sondernutzungsbereich des Antragsgegners vorgenommenen Veränderungen begehrt. Dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen im wesentlichen mit der Begründung, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche richteten sich nur gegen den Störer, nicht auch gegen die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit. Zuvor hatten die Beteiligten am 19.6.1996 in einem gerichtlichen Teilvergleich unter anderem Regelungen zur Gestaltung und zum Verlauf der Grenze zwischen den Sondernutzungsflächen getroffen und vereinbart:

Von Seiten der Beteiligten V. (Antragsteller) und W. (Antragsgegner) ist dieser Teilvergleich unwiderruflich. Auf Seiten der Gemeinschaft steht die Vergleichswirksamkeit noch unter dem Vorbehalt vergleichsgenehmigender Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft.

Diesen Teilvergleich hatten die Wohnungseigentümer gemäß Beschluss der Versammlung vom 17.7.1996 nicht genehmigt.

In der Eigentümerversammlung vom 27.5.1999 wurde der Antrag des Antragsgegners, das im Grenzbereich der beiden Terrassen verwirklichte "Arrangement" aus drei Pflanztrögen nachträglich zu genehmigen, mehrheitlich angenommen. Auf Anfechtung wurde dieser Beschluss mit rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung vom 29.9.2000 für ungültig erklärt.

Im gegenständlichen Verfahren verlangt der Antragsteller vom Antragsgegner die Entfernung der braunen Eternitpflanztröge und des Kunststoffzauns sowie die Wiederaufstellung des grauen Pflanztrogs an dessen ursprünglicher Stelle. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13.6.2000 den Antragsgegner verpflichtet, den Grenzverlauf so zu gestalten, wie dies in dem Teilvergleich vom 19.6.1996'vorgesehen war. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners und die unselbständige Anschlussbeschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 21.1.2002 den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und den Antragsgegner verpflichtet, die braunen Eternitpflanztröge und den Kunststoffzaun zu entfernen sowie den hellgrauen Pflanztrog wieder an der ursprünglichen Stelle aufzustellen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde bleibt erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Eine vertragliche Regelung über die Gestaltung der Grenze und deren Verlauf sei unter den Beteiligten des hiesigen Verfahrens nicht zustande gekommen. Der gerichtliche Teilvergleich vom 19.6.1996 habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass die Wohnungseigentümer zustimmen. Es sei in jenem Verfahren nur um Ansprüche gegen diese gegangen. Der Vergleich habe nicht eine vertragliche Regelung unter den hier Beteiligten bezweckt. Diese hätten nur durch die getroffene Regelung an ihren eigenen Erklärungen festgehalten werden, während die Frage des Widerrufs ausschließlich der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe überlassen bleiben sollen.

Der Antragsteller sei berechtigt, vom Antragsgegner die Entfernung der braunen Tröge zu verlangen. Dies folge aus der Gemeinschaftsordnung, nach der Änderungen der äußeren Gestalt des Gemeinschaftseigentums einen Mehrheitsbeschluss erfordern und das Aufstellen von Blumentrögen anzeigepflichtig sei und der Zustimmung des Verwalters bedürfe. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Schließlich stehe der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands der Umstand entgegen, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 27.5.1999, den gegenwärtigen Zustand zu genehmigen, gerichtlich für ungültig erklärt wurde.

Auch ein früherer Eigentümerbeschluss aus dem Jahr 1994, durch den die Erlaubnis zum Aufstellen eines weiteren Pflanztrogs nach Art des vorhandenen grauen erteilt worden sei, rechtfertige nicht die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands. Wiederherzustellen sei der ursprüngliche Zustand mit einem Pflanztrog in hellgrauem Eternit.

Der Antragsgegner müsse überdies auch den Zaun entfernen. Nach der Teilungserklärung dürfe der Antragsgegner zwar grundsätzlich die Terrasse und die Gartenfläche vor seiner Wohnung unter Ausschluss aller übrigen Eigentümer allein nutzen. Der Antragsgegner habe sich mit der Aufstellung des Zauns auch ursprünglich im Rahmen seines Nutzungsrechts bewegt. Nun aber habe sich die Sachlage verändert. Der Antragsgegner nutze die Wohnung nicht mehr und wolle sie veräußern. Bei Entfernung der vier Pflanztröge sei der Zaun in seiner Abgrenzungs- und Schutzfunktion ohne Sinn, weil zur Gebäudegrenze hin eine erhebliche Lücke verbleibe. Deshalb bestehe kein Anspruch mehr, den Zaun zu belassen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Ihr steht nicht der gerichtliche Vergleich vom 19.6.1996 entgegen. Nach Wortlaut und Sinn der Widerrufsklausel steht die Wirksamkeit des Vergleichs unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass die Wohnungseigentümer als damalige Antragsgegner ihn genehmigen. Das ist nicht geschehen. Es war nicht Ziel des damaligen Vergleichs, unabhängig von der Erledigung des Verfahrensgegenstands jedenfalls einen vollstreckbaren Anspruch gegen den Antragsgegner zu schaffen. Die Unwiderruflichkeit für den Antragsteller und den Antragsgegner bedeutete nur, dass diese zunächst formell an ihre Erklärungen gebunden sein sollten, das Wirksamwerden der damit verbundenen rechtsgeschäftlichen Regelung jedoch von der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft abhing.

b) Der Anspruch des Antragstellers auf Beseitigung der vorhandenen braunen Tröge und des Zaunes sowie die Herstellung des ursprünglichen Zustandes folgt aus § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1, § 1011 BGB i.V.m. § 1.Abs. 5 und 6 GO. Es handelt sich um einen individuellen Anspruch, den jeder Wohnungseigentümer ohne Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend machen kann (BGHZ 106, 222; 111, 148; BayObLG ZMR 1997, 374). Dieser hat unter anderem zum Inhalt, dass jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, der § 15 Abs. 3 WEG, mithin dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.

c) § 1 Abs. 5 GO schreibt in zulässiger Abweichung von § 22 Abs. 1 WEG vor, dass Änderungen an der äußeren Gebäudegestalt und der gärtnerischen Anlagen eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer bedürfen. Maßnahmen, welche die einheitliche Gestaltung stören, erfordern die Zustimmung des Verwalters, welche durch den Beschluss der Eigentümerversammlung ersetzt werden kann (§ 1 Abs. 6 GO). Das Aufstellen der Blumentröge und die Errichtung des Kunststoffzauns fallen unter diese Regelung. Denn der Zaun ändert die gärtnerische Anlage, indem er die vorgegebene Einheit und Durchgängigkeit der Gartenfläche unterbricht. Die Blumentröge wirken auf das einheitliche Erscheinungsbild der Anlage im Sinn einer Störung ein. Dies kann den Feststellungen im angegriffenen Beschluss des Landgerichts, die den Senat in tatsächlicher Hinsicht binden, noch hinreichend entnommen werden. Im übrigen lässt sich der Zustand für das Rechtsbeschwerdegericht auch aus den zu den Akten gegebenen Lichtbildern feststellen.

d) Ein derartige Änderungen billigender Beschluss der Wohnungseigentümer liegt nicht vor; ebenso wenig liegt eine Zustimmungserklärung des Verwalters vor. Soweit der Antragsgegner sich auf einen Beschluss der Wohnungseigentümer vom 29.8.1994 sowie einen gerichtlichen Vergleich vom 2.7.1985 beruft, betrafen diese nicht die Genehmigung des derzeitigen davon abweichenden Zustands. Beide gestatteten nämlich lediglich die Aufstellung eines weiteren Pflanztrogs im Anschluss an den auf der Terrasse ursprünglich befindlichen in gleicher Art und Größe. Schließlich wurde in einem vorangegangenen Wohnungseigentumsverfahren ein Beschluss der Wohnungseigentümer, der das vorhandene "Arrangement", also den gegenwärtigen Zustand, genehmigt, rechtskräftig für ungültig erklärt. Dieser ist somit von Anfang an nicht existent (BGHZ 106, 113/116).

e) Für die Entscheidung unerheblich ist, ob das Aufstellen der braunen Blumentröge und das Verrücken des ursprünglich vorhandenen Trogs eine bauliche Veränderung im Sinn von § 22 Abs. 1 WEG darstellt. Der Senat hat in seinem die Wohnanlage betreffenden Beschluss vom 18.3.1997 (ZMR 1997, 374) die Aufstellung eines nicht fest im Boden verankerten Pflanztrogs nach Art des hier ursprünglich vorhandenen nicht als bauliche Veränderung erachtet. Demgegenüber wurde in dem ohne Entscheidung des Senats rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, das die Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses über die nachträgliche Genehmigung der eigenmächtig aufgestellten Pflanztröge betraf, von den dort befassten Tatsachengerichten eine bauliche Veränderung im Sinn von § 22 Abs. 1 WEG angenommen. Nicht entscheidungserheblich ist diese Frage hier deswegen, weil § 1 Abs. 5 und 6 GO, insoweit zulässig (Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 22 WEG Rn. 23), die Voraussetzungen verschärft, unter denen der einzelne Wohnungseigentümer Änderungen an der äußeren Gebäudegestalt und an gärtnerischen Anlagen vornehmen sowie Maßnahmen ergreifen kann, die die einheitliche Gestaltung der Wohnanlage stören. Zwar hat der einzelne Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch darauf, dass das Wohnungseigentum ordnungsgemäß, d.h. dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechend verwaltet wird. Ein solcher Anspruch kann auch die Genehmigung beabsichtigter oder vorgenommener Änderungen und Maßnahmen der beschriebenen Art umfassen (siehe etwa BayObLGZ 2001, 232 für den Anspruch auf Abänderung der Hausordnung). Dem Unterlassungsbegehren kann er jedoch grundsätzlich nicht entgegengehalten werden (BayObLGZ 2001, 232/236). Im übrigen liegt es auch auf der Hand und wird durch den Eigentümerbeschluss vom 29.8.1994 und den gerichtlichen Vergleich vom 2.7.1985 eindrucksvoll bestätigt, dass das vom Antragsgegner gebildete "Arrangement" jedenfalls nicht die einzige Form ordnungsmäßiger Verwaltung darstellen kann und ein Anspruch, gerade diesen Zustand zu genehmigen, demnach nicht ersichtlich ist.

f) Der Beseitigungsanspruch umfasst auch den Kunststoffzaun. Insoweit ist es ebenfalls ohne Bedeutung, ob dessen Errichtung als gegenständliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums der Regelung des § 22 Abs. 1 WEG unterfällt (vgl. etwa OLG Düsseldorf WE 1997, 310; ausführlich und m. w. N. Staudinger/Bub WEG § 22 Rn. 206 ff.). Dahinstehen kann ferner, ob die ursprüngliche Wertung des Landgerichts im Beschluss vom 25.9.1996, der Zaun beeinträchtige in seiner Eigenschaft als Begrenzung der dem Antragsgegner zugewiesenen Sondernutzungsfläche den Antragsteller nicht in unvermeidlicher Weise, haltbar ist. Die dort getroffene Wertung lässt sich jedenfalls nicht aus Abschnitt V Nr. 1 der Teilungserklärung herleiten, nach der die Wohnungseigentümer die vor ihren Wohnungen gelegenen Terrassen und Gartenflächen allein unter Ausschluss aller übrigen Wohnungseigentümer benutzen dürfen. Denn das Sondernutzungsrecht räumt nicht per se das Recht zur Einzäunung ein (Staudinger/Bub § 22 Rn. 207). Für die weitgehend im Tatsächlichen wurzelnde Interessenabwägung kann es aber durchaus eine Rolle gespielt haben, dass der Antragsgegner damals seine Wohnung nutzte und Hunde hielt, nunmehr aber durch die veränderten Verhältnisse das Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des parkähnlichen Charakters höher zu veranschlagen ist (Staudinger/Bub aaO Rn. 206, 209).

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 Satz 1 WEG angemessen, dass der Antragsgegner als unterlegener Beteiligter die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt. Angesichts der im Ergebnis gleichlautenden Entscheidungen der Tatsachengerichte und der Beschlusslage in der Eigentümergemeinschaft war es auch von vornherein offensichtlich, dass die Rechtsbeschwerde aussichtslos ist. Deshalb ist es billig, dass der Antragsgegner dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten gemäß § 47 Satz 2 WEG zu erstatten hat.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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