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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 21/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 47
WEG § 48 Abs. 3 Satz 1
1. Es ist grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, nach der Zurücknahme eines Rechtsmittels von der Anordnung der Kostenerstattung durch den Rechtsmittelführer abzusehen, wenn die Zurücknahme auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels beruht. Weitere besondere Umstände sind aber zu berücksichtigen und können, insbesondere wenn die Rechtsverfolgung mutwillig war, zur Anordnung der Kostenerstattung führen. Diese Beurteilung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, kann aber vom Rechtsbeschwerdegericht im Einzelfall nachgeholt werden.

2. Geschäftswert für die Anfechtung von Beschlüssen über die Verwalterentlastung.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Wohnungseigentümer beschlossen in der Versammlung vom 4.6.2003 zu Tagesordnungspunkt 4 unter anderem, dem Verwalter für das Wirtschaftsjahr 2002 Entlastung zu erteilen.

Der Antragsteller hat beantragt, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 10.10.2003 stattgegeben. Es hat ausgeführt, dass dem Verwalter nach dem Gesetz kein Entlastungsanspruch zustehe. Im Übrigen bestehe der Anspruch jedenfalls deshalb nicht, weil schlüssig ein Sachverhalt vorgetragen sei, aus dem sich ergebe, dass Schadensersatzansprüche gegen die Verwalterin bestehen könnten; dieses Vorbringen sei nicht ausgeräumt. Gegen den Beschluss haben die Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt und nach Fristsetzung schriftlich begründet. Hierauf hat der Antragsteller erwidert. In der mündlichen Verhandlung vom 19.1.2004 haben die Antragsgegner nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Empfehlung des Beschwerdegerichts ihr Rechtsmittel zurückgenommen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom gleichen Tag den Antragsgegnern die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten jedoch abgesehen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers richtet sich gegen die Versagung der außergerichtlichen Kostenerstattung durch das Landgericht.

II.

Das nach § 45 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 20a Abs. 2 FGG zulässige Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Nach der Zurücknahme ihres Rechtsmittels sei es angemessen, die Antragsgegner mit den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten. Jedoch sei es nicht veranlasst, die Antragsgegner auch zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu verpflichten. Es lägen nämlich besondere Umstände vor, von einer Erstattungsanordnung abzusehen. Die Antragsgegner hätten das Rechtsmittel sofort nach dem gerichtlichen Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten zurückgenommen. Die Rücknahme beruhe somit auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels. Die Antragsgegner hätten damit zu einer Abkürzung des Verfahrens beigetragen und sowohl dem Gericht als auch der Gegenseite zusätzlichen Arbeitsaufwand erspart. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es in der Vergangenheit hinsichtlich der Frage der Verwalterentlastung unterschiedliche Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts einerseits, des Bundesgerichtshofs andererseits, gegeben habe, so dass die Frage der Ordnungsmäßigkeit einer Verwalterentlastung durchaus nicht einfach zu beurteilen sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Nach der Zurücknahme der sofortigen Beschwerde hatte das Landgericht noch gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insbesondere ob er wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BayObLGZ 1997, 148/151 m.w.N.; BayObLG WuM 2003, 296).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat grundsätzlich derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Ausnahmsweise kann jedoch von der Anordnung einer Kostenerstattung abgesehen werden, wenn eine alsbaldige Zurücknahme des Rechtsmittels auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in dessen Aussichtslosigkeit beruht (BayObLG NJW-RR 1999, 1245). Der Grund dafür, in diesem Fall ausnahmsweise keine Kostenerstattung anzuordnen, ist darin zu erblicken, dass eine unverzügliche Zurücknahme, die dem Gericht und den Beteiligten einen Aufwand an Zeit und Kosten erspart, gefördert werden soll (BayObLG NJW-RR 1999, 1245 f.; WuM 2003, 296, dazu auch Deckert ETW 2/5419).

c) Auch wenn bei einer konkreten Betrachtung des Verfahrensablaufs die durch die Zurücknahme bedingte Ersparnis für die Beteiligten und das Gericht gering erscheint, schließt dies das Absehen von einer Erstattungsanordnung nicht grundsätzlich aus (z.B. BayObLG ZWE 2002, 78 - Leitsatz -; Beschluss vom 30.1.2003, 2Z BR 138/02). So kann es einem Beteiligten in der Regel nicht angelastet werden, dass der maßgebliche rechtliche Hinweis nicht bereits im Vorhinein, sondern erst in der mündlichen Verhandlung erteilt und das Rechtsmittel sodann alsbald zurückgenommen wird. Soweit in der Literatur diese Rechtsprechung gelegentlich Kritik erfährt (namentlich Deckert, zuletzt ETW 2/5419), wird verkannt, dass die Kostenerstattung gemäß § 47 Satz 2 WEG auch im Fall der Rechtsmittelzurücknahme kein Automatismus ist, sondern gerichtlichem Ermessen unterliegt.

d) Wird das Rechtsmittel aufgrund der vom Gericht vermittelten Einsicht in die mangelnden Erfolgsaussichten zurückgenommen, können nach der Rechtsprechung des Senats dennoch besondere Umstände die Kostenerstattung rechtfertigen, so z.B. bei mutwilligen oder von vornherein offensichtlich aussichtslosen Rechtsmitteln (BayObLG ZWE 2002, 78 - Leitsatz -; Beschluss vom 9.10.2003, 2Z BR 169/03). Das Landgericht hat das Vorliegen solcher Umstände im Ergebnis deshalb verneint, weil die grundsätzliche Frage, ob ein Eigentümerbeschluss über die Verwalterentlastung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.7.2003 rechtlich umstritten war (vgl. BGH NJW 2003, 3124; BayObLGZ 2003, 53; 2003, 174/178). Darauf kommt es indessen nicht an, weil auch nach der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs ein Beschluss über die Verwalterentlastung jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (BGH NJW 2003, 3124; 2003, 3554).

Die Antragsgegner haben mit ihrem Rechtsmittel grundsätzlich bestritten, dass aus der fortdauernden Treuhänderstellung der früheren Verwalterin Erstattungsansprüche gegen die Gemeinschaft entstanden sein können, welche einen Schadensersatzanspruch gegen ihre derzeitige Verwalterin auszulösen vermögen. Auf diesen Gesichtspunkt ist zwar bereits das Amtsgericht in seinem Beschluss eingegangen und hat zutreffend darauf abgestellt, dass für die Ungültigerklärung des Entlastungsbeschlusses bereits der nicht ausgeräumte Verdacht genügt, der schlüssig begründete Anspruch könne bestehen. Dass der Anspruch jedoch nicht schon deshalb verneint werden kann, weil die Treuhandtätigkeit ursprünglich mit der Verwaltervergütung als abgegolten vereinbart war, hat erst das Landgericht mit seinem Hinweis in der mündlichen Verhandlung klargestellt. Das Rechtsmittel kann deshalb nicht als von Vornherein offensichtlich aussichtslos und mutwillig bezeichnet werden, was die Belastung der Antragsgegner auch mit den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens rechtfertigen würde. Die dazu erforderliche, vom Landgericht unterlassene Ermessensausübung kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nachholen (BayObLG NZM 1999, 852 f.).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen, weil er unterlegen ist, von der Anordnung einer Kostenerstattung für diesen Rechtszug jedoch abzusehen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 470 EUR festgesetzt. Maßgeblich ist die Höhe der außergerichtlichen Kosten, deren Erstattung der Antragsteller verlangt. Diese richten sich ihrerseits am Geschäftswert für die Beschwerdeinstanz aus. Das Landgericht hat ihn rechtsfehlerfrei nach der Höhe des behaupteten Ersatzanspruchs, um dessen Ausschluss es durch die Verwalterentlastung geht, ausgerichtet (vgl. BayObLG WuM 1999, 185).



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