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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 213/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
Durch die Errichtung eines Wintergartens auf der Terrassenfläche, an der ein Sondernutzungsrecht besteht, werden die übrigen Wohnungseigentümer über das zulässige Maß hinaus in ihren Rechten in der Regel schon dadurch beeinträchtigt, dass durch den Wintergarten eine intensivere Nutzung der Terrassenfläche ermöglicht wird.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teilerbbauberechtigten (im Folgenden: Wohnungseigentümer) einer Wohnanlage. Den Antragsgegnern gehört eine Eigentumswohnung mit vorgelagerter Terrasse. Auf dieser errichteten sie im Jahr 1998 ohne Genehmigung der übrigen Wohnungseigentümer einen Wintergarten mit einer Grundfläche von etwa 30 m². Eine Baugenehmigung für das Vorhaben wurde erst am 29.11.2002 erteilt.

In der Eigentümerversammlung vom 10.3.1999 wurde der Antrag der Antragsgegner, die Errichtung des Wintergartens nachträglich zu genehmigen, mit Mehrheit abgelehnt. Dieser Eigentümerbeschluss ist nicht angefochten worden. Angenommen wurde der Antrag, die Antragsgegner zur Beseitigung des Wintergartens und zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands aufzufordern und dies erforderlichenfalls gerichtlich durchzusetzen. Der Antrag der Antragsgegner, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, wurde mit Beschluss des Senats vom 19.2.2004 (Az. 2Z BR 212/03) rechtskräftig abgewiesen.

Die im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung (GO) enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 7 Nutzung des Sondereigentums

(1) Im Rahmen der Zweckbestimmung nach § 2 GO kann jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum ungehindert nutzen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Der Bestand, die Sicherheit und das architektonische und ästhetische Bild des Gebäudes dürfen nicht beeinträchtigt werden.

§ 8 Einwirkungen auf die Außenseite der Gebäude

Vor Ausgestaltung der nach außen sichtbaren Gebäudeteile, insbesondere der Terrassen und Freisitze durch Anstrich, Anbringung von Gegenständen u.ä. ist mit dem Verwalter Rücksprache zu nehmen, damit dieser mit dem Architekten die Gesamtgestaltung der Fassade abstimmen kann. Werden die Hinweise des Verwalters nicht beachtet, so kann die Versammlung der Wohnungseigentümer die Beseitigung des Anstrichs oder derjenigen Ausstattungsgegenstände verlangen, die ohne Zustimmung des Verwalters angebracht wurden. ...

§ 10 Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und der Erbbaurechtsfläche

(2) Keinem Wohnungseigentümer ist gestattet, Räume zur privaten Nutzung außer den ihm zugeteilten zu schaffen oder in Anspruch zu nehmen.

(5) Den im Aufteilungsplan mit den Nummern ... (darunter die Wohnung der Antragsgegner) bezeichneten Erdgeschosswohnungen sind die im gleichen Plan ... schraffierten Grünflächen, auf denen sich Freisitze befinden, vorgelagert. Die Benutzung dieser Flächen und Freisitze wird gemäß § 15 WEG dahingehend geregelt, dass dem Wohnungseigentümer der jeweiligen Wohnung der alleinige Gebrauch der vorgelagerten Grünfläche mit Freisitz zusteht. ... Die Sondernutzung bezieht sich nicht auf bauliche oder farbliche Veränderungen an dem Freisitz, über die von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschlossen wird.

Die Antragsteller haben bei dem Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, den Wintergarten auf der ihrer Wohnung vorgelagerten Terrasse zu beseitigen. Mit Beschluss vom 20.1.2003 hat das Amtsgericht die Antragsgegner als Gesamtschuldner antragsgemäß zur Beseitigung des Wintergartens verpflichtet. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner dagegen hat das Landgericht mit Beschluss vom 22.9.2003 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsgegner ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Amtsgericht habe zutreffend einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit §§ 13, 14, 22 WEG bejaht. Denn der eigenmächtig errichtete Wintergarten stelle eine bauliche Veränderung i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar, die die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtige. Auf die Farbgebung des Wintergartens komme es dabei nicht an. Ein Nachteil i.S. von § 14 WEG liege bereits in der durch den Anbau ermöglichten intensiveren Nutzung der Terrassenfläche zu Wohnzwe-cken. § 10 Abs. 2 und 5 GO stelle klar, dass weder eine bauliche Veränderung des Freisitzes noch die Schaffung zusätzlicher Räume zur privaten Nutzung gestattet sei. Durch die Errichtung des Wintergartens hätten sich die Antragsgegner zusätzlichen Wohnraum geschaffen. Dem Beseitigungsverlangen der Antragsteller könne auch nicht der Einwand der Unzumutbarkeit oder der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden. Die Antragsgegner seien durch die eigenmächtige Schaffung vollendeter Tatsachen bewusst das Risiko eingegangen, dass ihre Investitionen umsonst sein könnten. Dass die Antragsgegner gegen die Antragsteller wegen Zunahme der Immissionen von der Straße her einen Anspruch auf Genehmigung des Wintergartens hätten, sei ohnehin fernliegend.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Da nach § 30 Abs. 3 Satz 2 WEG für das Wohnungserbbaurecht die Vorschriften über das Wohnungseigentum entsprechend anzuwenden sind, haben die Vorinstanzen zu Recht und mit zutreffender Begründung den geltend gemachten Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1, § 22 Abs. 1 WEG bejaht.

Die über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende Beeinträchtigung der Antragsteller sieht das Landgericht zu Recht in der intensiveren Nutzbarkeit der Gemeinschaftsfläche der Terrasse. Dies entspricht der feststehenden Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BayObLG NZM 2003, 242).

b) Im Übrigen liegt es nahe, den Beseitigungsanspruch unmittelbar aus § 10 Abs. 2 GO abzuleiten, der es verbietet, im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums Räume zur privaten Nutzung zu schaffen. Das haben die Antragsgegner aber durch die Errichtung des Wintergartens getan. Aus der nutzbaren Fläche der Terrasse haben sie einen Raum zur privaten Nutzung geschaffen. Des weiteren haben sie dadurch gegen § 8 GO verstoßen. Auf eine Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer kommt es dabei nicht an.

c) Einen Anspruch auf Duldung des Wintergartens haben die Antragsgegner schon deshalb nicht, weil der Eigentümerbeschluss, die Genehmigung für den Wintergarten abzulehnen, bestandskräftig geworden ist. Ein solcher ablehnender Eigentümerbeschluss hat Beschlussqualität (BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339; BayObLGZ 2002, 20) und steht einem Anspruch auf Duldung entgegen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 WEG; die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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