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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 227/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
1. Ein Eigentümerbeschluss, der bauliche Veränderungen zum Gegenstand hat, ist nicht wegen absoluter Unzuständigkeit der Wohnungseigentümer zur Beschlussfassung nichtig.

2. Bei Versäumung der Frist zur Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Eine Wiedereinsetzung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Wohnungseigentümer, der in der Eigentümerversammlung nicht anwesend war, aufgrund des Einladungsschreibens mit einem bestimmten Eigentümerbeschluss rechnen musste, das Protokoll über die Versammlung und damit Kenntnis von dem Eigentümerbeschluss aber erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist erlangt hat.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Wohnanlage wurde wegen der Insolvenz des Bauträgers nicht vollständig fertiggestellt und weist erhebliche Mängel auf.

In der Einladung zu einer Eigentümerversammlung am 12.7.2002 sind unter Tagesordnungspunkt (TOP) 5 die Stichpunkte Sanierungsplan, Treppenhaus, Laubengangverglasung, weitere Sonderumlage, Bericht über Maßnahmen zur weiteren Mängelbeseitigung, Beschlüsse aufgezählt.

Am 12.7.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 5 u.a. die Verglasung der Aufzüge und eine Gefällebeschichtung einschließlich der Architekten- und Ingenieurleistungen; hierfür sollte eine Sonderumlage von 650000 Euro erhoben werden.

Der Antragsteller, der in der Eigentümerversammlung nicht anwesend war, hat am 30.8.2002 beantragt, den Eigentümerbeschluss, soweit Gegenstand die Verglasung der Aufzüge und eine Gefällebeschichtung einschließlich Architekten- und Ingenieurleistungen ist, für nichtig zu erklären, hilfsweise ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu gewähren und den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat die Anträge am 3.3.2003 abgewiesen und das Landgericht hat die sofortige Beschwerde dagegen am 22.10.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe in der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt: Selbst wenn die beschlossenen baulichen Veränderungen den Antragsteller über das hinnehmbare Maß hinaus beeinträchtigen würden, läge zwar ein Verstoß gegen das Gesetz vor, aber kein nichtiger Eigentümerbeschluss. Der Beschluss wäre vielmehr nur dann ungültig, wenn er für ungültig erklärt worden wäre. Eine solche Ungültigerklärung komme nicht in Betracht, weil der Antragsteller die Anfechtungsfrist nicht eingehalten habe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumung könne nicht gewährt werden. Der Antragsteller habe aufgrund des sehr umfassenden Einladungsschreibens mit dem von ihm angegriffenen Eigentümerbeschluss rechnen müssen. Es komme daher nicht darauf an, ob er die Niederschrift über die Eigentümerversammlung vor Ablauf der Anfechtungsfrist erhalten habe.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, kann grundsätzlich nicht mit Mehrheit der Stimmen von den Wohnungseigentümern beschlossen werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG). Es kann dahinstehen, ob die von den Wohnungseigentümern am 12.7.2002 unter TOP 5 beschlossenen Maßnahmen eine ordnungsmäßige Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zum Gegenstand haben oder die erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands der Wohnanlage. Auch wenn dies zu verneinen sein sollte, wäre der Eigentümerbeschluss nicht nichtig. Ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG macht den Eigentümerbeschluss zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig. Im Fall seiner Anfechtung wäre er gemäß § 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären. Für bauliche Veränderungen fehlt den Wohnungseigentümern jedenfalls nicht grundsätzlich die Beschlusskompetenz, die zur Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses führen würde (BGHZ 145, 158/168 = NJW 2000, 3500/3503; BayObLG NZM 2001, 133).

b) Der Eigentümerbeschluss kann nicht für ungültig erklärt werden, weil er nicht innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 WEG angefochten worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann zwar bei Versäumung dieser Frist grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 2 FGG gewährt werden (BayObLGZ 1989, 13/15; zuletzt trotz der Einwendungen hiergegen Beschluss des Senats vom 28.8.2003, 2Z BR 160/03). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung hat das Landgericht aber ohne Rechtsfehler verneint. Die Fristversäumung war nicht unverschuldet (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG). Nach § 23 Abs. 2 WEG ist zur Gültigkeit eines Eigentümerbeschlusses erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist. An den Inhalt der Bezeichnung des Beschlussgegenstands sind keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Es genügt vielmehr eine schlagwortartige Bezeichnung (BayObLGZ 1992, 79/84 f.). Aufgrund der ausführlichen Stichworte in dem Einladungsschreiben zu TOP 5 musste der Antragsteller damit rechnen, dass ein Eigentümerbeschluss wie geschehen gefasst wurde. Selbst wenn er die Versammlungsniederschrift erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist erhalten haben sollte, ist seine Unkenntnis von dem genauen Wortlaut des Eigentümerbeschlusses nicht unverschuldet. Er hätte, wenn er in der Versammlung nicht anwesend war, sich vor Ablauf der Anfechtungsfrist über die gefassten Beschlüsse beim Verwalter erkundigen können und müssen (BayObLG ZMR 2003, 435).

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG.

Maßgebend für den Geschäftswert ist nach § 48 Abs. 2 Satz 1 WEG das Interesse aller Wohnungseigentümer und nicht nur das des Antragstellers. Der Geschäftswert beträgt daher nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG 650000 Euro. Dieser Betrag ist jedoch gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG auf einen Betrag von 80000 Euro zu ermäßigen, weil die sich aus einem Geschäftswert von 650000 Euro ergebenden Kosten in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Interesse des Antragstellers stünden.



Ende der Entscheidung

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