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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 228/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
FGG § 27
ZPO § 559
Die Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs ist Sache des Tatrichters. Die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist auf Rechtsfehler bei der Auslegung beschränkt.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Antragsgegner zu 1 sind die Wohnungseigentümer der Wohnung Nr. 1, zu der nach der Teilungserklärung das alleinige und ausschließliche Recht der Sondernutzung an der Terrasse im Erdgeschoss samt der zum Garten führenden Terrassentreppe gehört. Ferner gehört zur Wohnung der mit der Nr. 1 bezeichnete Kellerraum.

Als in dem Kellerraum Nr. 1 Feuchtigkeitsschäden auftraten, beauftragten die Wohnungseigentümer am 8.5.1999 eine Firma mit der Sanierung der Kelleraußenwände. Diesem Auftrag lag ein Angebot über 10.500 DM brutto zugrunde. Im Laufe der Sanierung hielt die Firma zusätzliche Sanierungsmaßnahmen, unter anderem im Bereich der Terrasse, für erforderlich und unterbreitete hierüber Zusatzangebote über pauschal 21.000 DM brutto.

In der Eigentümerversammlung vom 3.10.1999 beschlossen die Wohnungseigentümer gegen die Stimmen der Antragsteller, die Sanierung auf der Basis des neuen Pauschalangebots fortzuführen. Diesen Beschluss fochten die Antragsteller unter anderem mit der Begründung an, dass zur Sanierung der Einbau von zwei Kellerfenstern, einer Styroporisolierung und der Einbau von zwei Heizkörpern in dem Kellerraum Nr. 1 nicht notwendig sei. In dem Anfechtungsverfahren schlossen die Parteien folgenden gerichtlichen Vergleich:

1. Die Antragsteller beteiligen sich bezüglich der Sanierungsmaßnahme betreffend Keller des Wohnungseigentums W. (Trockenlegung Paulschalangebot DM 21.000,00) gemäß dem Pauschalangebot der Firma H. GmbH vom 1.7./13.9.99 an einer Pauschalsumme von DM 16.000,00, und zwar als Miteigentümer der WEG entsprechend ihrem Miteigentümeranteil.

2. Die Antragsgegner erklären, dass mit dem weitergehenden Differenzbetrag die übrige WEG-Gemeinschaft freigestellt wird.

Die Wohnungseigentümer haben an die Baufirma insgesamt 16.240 DM bezahlt. Da die Firma die Arbeiten nicht vollständig und mangelfrei abschloss, leiteten die Wohnungseigentümer

ein selbständiges Beweisverfahren ein. Das in diesem Verfahren erstellte Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Arbeiten nicht fertiggestellt seien und unter anderem eine Ergänzung der Kellerabdichtung und der Wärmeisolierung sowie eine Abdichtung der Terrassenoberfläche und eine Erneuerung des Innenputzes des Kellerraums Nr. 1 notwendig sei. Die voraussichtlichen Kosten bezifferte der Sachverständige auf 11.670 EUR brutto.

In der Eigentümerversammlung vom 17.5.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer gegen die Stimmen der Antragsteller unter anderem Folgendes:

TOP 5: Kellersanierung - Außenwand - Terrasse

5.1.: Die Sanierungsmaßnahmen gemäß dem Gutachten werden an drei verschiedene Firmen ausgeschrieben. Die Vergabe erfolgt in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat.

5.2: Die Kosten für TOP 5.1 werden aus den Rücklagen getragen.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, unter anderem diese Beschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat diesen Anträgen am 24.12.2002 stattgegeben. Die dagegen von den Antragsgegnern eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 10.10.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Den verfahrensgegenständlichen Beschlüssen stehe der Vergleich vom 19.7.2000 entgegen. Durch den Abschluss dieses Vergleichs sei die Kostenbeteiligung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an der Sanierung auf 16.000 DM endgültig begrenzt worden und allein die Antragsgegner zu 1 hätten das Kostenrisiko, das Ausführungsrisiko und das Gewährleistungsrisiko übernommen. Die damaligen und nunmehrigen Antragsteller hätten sich im Vorverfahren insbesondere dagegen gewandt, dass zusätzlich zu einer neuen Vertikalisolierung der feuchten Kelleraußenwände in dem Kellerraum Nr. 1 zwei neue Fenster eingebaut, der Keller wärmeisoliert und die Sanierung der Terrasse mit einbezogen werde. Ausgehend von diesem Standpunkt sei es ihnen bei Abschluss des Vergleichs darauf angekommen, die Kostenbeteiligung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und damit mittelbar auch ihre Beteiligung auf 16.000 DM zu begrenzen und im Übrigen den Antragsgegnern zu 1 freie Hand zu lassen, Umfang und Art der Sanierung selbst zu bestimmen, zumal letztere bei der Auftragsvergabe federführend gewesen seien und beispielsweise selbst das Nachtragsangebot der Baufirma erholt hätten. Die Antragsgegner zu 1 sollten faktisch und wirtschaftlich wie ein Bauherr Umfang und Ausführung der Sanierungsleistungen bestimmen. Dementsprechend trügen sie auch die genannten mit der Sanierung verbundenen Risiken und könnten diese nicht auf die WEG verlagern. Dies gelte insbesondere, weil die Antragsteller das Kostenrisiko der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf 16.000 DM begrenzen wollten und deshalb bereit gewesen seien, den ursprünglich vorgesehenen Sanierungsbeitrag der Wohnungseigentümer von 10.500 DM auf 16.000 DM zu erhöhen. Die angegriffenen Beschlüsse über die noch vorzunehmende Sanierung ließen den abgeschlossenen Vergleich außer Acht und setzten sich über dessen umfassende Regelung hinweg.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Auslegung von Verträgen, auch von gerichtlichen Vergleichen, ist Sache des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO). Das Gericht der weiteren Beschwerde hat nur zu prüfen, ob die Auslegung nach den Denkgesetzen und feststehenden Erfahrungen möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt; die Auslegung des Beschwerdegerichts muss nicht zwingend sein (einhellige Meinung; vgl. z.B. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 49).

b) Die Entscheidung des Landgerichts widerspricht nicht dem eindeutigen Wortlaut des Vergleichs. In Nr. 1 des Vergleichs ist von einer Pauschalsumme von 16.000 DM die Rede, was die Auslegung, dass damit eine Obergrenze für die Beteiligung aller Wohnungseigentümer festgelegt werden soll, möglich erscheinen lässt. Bei dem in Nr. 2 genannten "weitergehenden Differenzbetrag" ist nicht ausgeführt, wie dieser Differenzbetrag errechnet werden soll. Möglich ist deshalb sowohl eine Auslegung dahingehend, dass auf die Differenz zwischen dem Pauschalangebot von 21.000 DM und der in Nr. 1 genannten Pauschalsumme von 16.000 DM abzustellen ist; ebenso ist es aber möglich, die Differenz zwischen den in Nr. 1 genannten 16.000 DM und den tatsächlich entstehenden Kosten zu bilden.

Das Landgericht hat auch dem Grundsatz der interessengerechten Auslegung (vgl. BGH NJW 2001, 3777) in vertretbarer Weise Rechnung getragen. Wie das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat, sollten im Zuge der Sanierung Verbesserungen vorgenommen werden, die ausschließlich den Antragsgegnern zu 1 zugute kommen. Diesem Umstand kommt vor allem deshalb Bedeutung zu, weil sich der Eigentümerbeschluss vom 3.10.1999 nicht nur auf die Kostentragung, sondern auf die Fortführung der Sanierung als solcher, also inklusive der nicht zwingend notwendigen Maßnahmen, bezog. Bei dieser Sachlage konnte das Landgericht ohne Rechtsfehler auch berücksichtigen, dass die Antragsgegner zu 1 bei der Auftragsvergabe eine Federführung übernommen haben, auch wenn dies den Umstand, dass die Maßnahme eine solche der Wohnungseigentümer ist, unberührt lässt.

Aus diesen Gründen ist es auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Risikoübernahme durch die Antragsgegner zu 1 erfolgt ist. Es mag sein, dass die Beteiligten, insbesondere die Antragsgegner zu 1, bei Abschluss des Vergleichs die Möglichkeit einer nur teilweisen Fertigstellung und des Auftretens von Mängeln nicht bedacht haben. In diesem Fall würden die Grundsätze über die ergänzende Vertragsauslegung zur Anwendung kommen. Aufgrund der vom Landgericht rechtsfehlerfrei angenommenen Risikoübernahme durch die Antragsgegner zu 1 würde eine ergänzende Vertragsauslegung dazu führen, dass die Antragsteller nicht mit Mehrkosten belastet werden dürfen. Das deckt sich auch mit dem bei Abschluss des Vergleichs für die Antragsgegner zu 1 erkennbaren Interesse der Antragsteller, anteilig nicht mit einem über 16.000 DM hinausgehenden Betrag belastet zu werden.

c) Da somit bindend feststeht, dass die Wohnungseigentümer eine Übertragung der weiteren Sanierung auf die Antragsgegner zu 2 beschlossen haben, widersprechen die angefochtenen Beschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung und sind deshalb von den Vorinstanzen zu Recht für ungültig erklärt worden.

d) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss über die Entnahme der Kosten aus den Rücklagen auch deshalb nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen würde, weil sich aus dem Vergleich im Vorverfahren zumindest ergibt, dass ein Teilbetrag des Sanierungsaufwands ausschließlich zulasten der Antragsgegner zu 1 gehen soll. Das würde in jedem Fall zur Folge haben, dass die Antragsgegner zu 1 zumindest den Teil der Mehrkosten zu tragen hätten, der auf die für die Sanierung als solche nicht zwingend notwendigen Maßnahmen entfallen würde.

3. Es entspricht der Billigkeit, den mit den noch verfahrensgegenständlichen Anträgen in allen Instanzen unterlegenen Antragsgegnern die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG). Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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