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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 231/04
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 2042
BGB § 2100
BGB § 2113
GBO § 22
1. Der Vorerbe und der Nacherbe können ohne Zustimmung des Ersatznacherben ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück in der Weise auf den Vorerben zu Alleineigentum übertragen, dass das Grundstück aus dem Nachlass ausscheidet und damit von der Nacherbeneinsetzung nicht mehr erfasst wird.

2. In einem solchen Fall kann das Grundbuch nach § 22 GBO berichtigt werden, ohne dass es einer Bewilligung des Ersatznacherben bedarf.


Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstücks. Er hat dieses als testamentarischer Vorerbe erworben. Nacherben sind die Beteiligten zu 2 und 3. Ersatznacherben sind die Abkömmlinge der Nacherben. Im Grundbuch ist ein Nacherben- und Ersatznacherbenvermerk eingetragen.

Mit notarieller Urkunde vom 2.6.2003 übertrug der Beteiligte zu 1 der Beteiligten zu 2 eine Teilfläche des verfahrensgegenständlichen Grundstücks. Die Teilung ist zwischenzeitlich erfolgt und das Messergebnis ist anerkannt. Der Beteiligte zu 3 stimmte dieser Grundstücksübertragung zu. In derselben Urkunde übertrugen die Beteiligten zu 2 und 3 das nach Abmessung der vorbezeichneten Teilfläche noch verbleibende Restgrundstück an den Beteiligten zu 1 zu dessen Alleineigentum und zwar in der Weise, dass dieses Restgrundstück von den Beschränkungen der Nacherbfolge frei wird. Die Beteiligten zu 2 und 3 bewilligten die Löschung des Nacherbenvermerks bezüglich des Restgrundstücks. Der Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks wurde von den Beteiligten zu 1 und 2 mit notarieller Urkunde vom 10.5.2004 nochmals bewilligt und beantragt.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 5.10.2004 beanstandet, dass die Bewilligung der Ersatznacherben nicht vorliege. Für die nicht benannten Ersatznacherben sei eine Pflegerbestellung erforderlich. Die vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen für die minderjährigen Ersatznacherben und die Bekanntmachung derselben an den Vertreter bzw. Pfleger seien in der Form des § 29 GBO nachzuweisen.

Die Beteiligten haben gegen diese Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 1.12.2004 zurückgewiesen hat. Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten den Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zur Löschung des Nacherbenvermerks sei eine Bewilligung des Nacherben sowie etwa vorhandener Ersatznacherben oder ein Unrichtigkeitsnachweis erforderlich. Bewilligungen der Ersatznacherben lägen nicht vor. Eine Grundbuchunrichtigkeit sei ebenfalls nicht gegeben, da durch die "Übertragung" des Eigentums auf den Beteiligten zu 1 durch die Beteiligten zu 2 und 3 das Grundstück nicht nach § 2113 BGB freigeworden sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht geht in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Hamm (DNotZ 1955, 538) und der Rechtsprechung des Senats (BayObLGZ 1970, 137/142) davon aus, dass es zur Löschung des Nacherben- und Ersatznacherbenvermerks nicht nur der Bewilligung des Nacherben, sondern auch der des Ersatzerben bedürfe, wenn das dingliche Recht, bei dem der Vermerk eingetragen ist, den Vorerben verbleibt. Ob an dieser Rechtsauffassung festzuhalten ist, kann dahinstehen.

b) Ein Nacherbenvermerk kann nicht nur dann gelöscht werden, wenn die Löschung bewilligt wird, sondern nach § 22 GBO auch dann, wenn der Unrichtigkeitsnachweis geführt wird (Demharter, GBO, 24. Aufl., § 51 Rn. 40 ff. m.w.N.). Der Unrichtigkeitsnachweis ist durch die notariellen Urkunden vom 2.6.2003 und 10.5.2004 geführt.

aa) Nach der seit der Entscheidung des Reichsgerichts vom 8.11.1934 (RGZ 145, 316 ff.) ständigen Rechtsprechung (vgl. z.B. BGHZ 40, 115/119; BayObLGZ 1959, 493/497) ist eine Verfügung des Vorerben im Sinn von § 2113 BGB voll wirksam, wenn der Nacherbe zustimmt; einer Zustimmung des Ersatznacherben bedarf es nicht.

Der Bundesgerichtshof (DNotZ 2001, 392/394) hat anerkannt, dass eine endgültige Auseinandersetzung zwischen Vor- und Nacherben mit der Folge vorgenommen werden kann, dass die dem Vorerben übertragenen Gegenstände aus dem Nachlass ausscheiden und damit von der Nacherbeneinsetzung nicht mehr erfasst werden. Aus dieser Rechtsauffassung, der der Senat folgt, ergibt sich, dass durch ein Rechtsgeschäft zwischen dem Vorerben und dem Nacherben ein Erbschaftsgegenstand aus dem Nachlass herausgenommen werden kann und damit nicht mehr der Nacherbschaft unterliegt. Da Verfügungen über das Grundstück der Zustimmung des Ersatznacherben nicht bedürfen, besteht auch keine Veranlassung, eine solche für eine Vereinbarung zwischen dem Vorerben und dem Nacherben zu verlangen. Der ansonsten erforderliche Umweg der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf einen Dritten mit nachfolgender Rückübereignung auf den Vorerben nach Löschung des Nacherbenvermerks würde lediglich einen unnötigen Aufwand verbunden mit erheblichen Kosten erfordern. Die Übertragung des nicht mit der Nacherbschaft belasteten Eigentums an den Vorerben kommt einer Erbauseinandersetzung nach § 2042 BGB zwischen Vor- und Nacherben (vgl. hierzu BGH DNotZ 2001, 392 ff.) zumindest nahe. Die Übertragung eines zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstandes auf den Vorerben zu freiem Eigentum ist vergleichbar mit der Überführung des Nachlassgegenstandes aus dem Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft in ein Alleineigentum.

bb) Eine interessengerechte Auslegung des Vertrags vom 2.6.2003 führt zu dem Ergebnis, dass sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit Zustimmung des Beteiligten zu 3 darüber einig waren, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück dem Beteiligten zu 1 übertragen werden und aus dem Nachlass ausscheiden soll. Zwar ist in Abschnitt C nur von einer Eigentumsübertragung durch die Beteiligten zu 2 und 3 die Rede. Jedoch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vertragswerkes, dass der Beteiligte zu 1 das Grundstück frei von den Beschränkungen der Nacherbschaft erhalten wollte. Dem Vertrag kann deshalb zwanglos entnommen werden, dass sich der Beteiligte zu 1 mit den Beteiligten zu 2 und 3 über den Eigentumsübergang durch Herauslösung des Gegenstandes aus der Vorerbschaft einig war (§§ 873, 925 BGB). Dass der Notar möglicherweise von einer anderen rechtlichen Konstruktion, nämlich von einer einseitigen Insichverfügung der Nacherben ausging, ist demgegenüber unerheblich. Das Grundbuchamt hat eine Auslegung der Erklärung vorzunehmen, wie sie sich aus der Urkunde ergibt, wenn die Auslegung zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt (Demharter § 19 Rn. 28). Das ist hier der Fall, da es offensichtlich den Wünschen aller Beteiligten entsprach, dass der Beteiligte zu 1 nacherbschaftsfreies Eigentum erhalten sollte.

cc) Da somit das Grundstück mit dem grundbuchmäßigen Vollzug der notariellen Urkunde aus dem Nachlass ausscheidet, wird das Grundbuch unrichtig, soweit es noch den Nacherben- und Ersatznacherbenvermerk enthält. Für eine Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 GBO bedarf es nicht der Bewilligung der Ersatznacherben.

3. Eine Entscheidung über Kosten und Geschäftswert ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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