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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 234/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 22
Legt ein durch einen Rechtsanwalt vertretener Beteiligter in einer Wohnungseigentumssache die sofortige weitere Beschwerde beim Oberlandesgericht statt beim Bayerischen Obersten Landesgericht ein, ist die Fristversäumung auch dann als von dem Beteiligten verschuldet anzusehen, wenn das Oberlandesgericht das Rechtsmittel, obwohl dies möglich gewesen wäre, nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist an das zuständige Gericht weitergeleitet hat. Denn eine "nachwirkende Fürsorgepflicht", auf die eine solche Verpflichtung gestützt werden könnte, besteht für das Oberlandesgericht als vorher nicht mit der Sache befasstes Gericht nicht.
Gründe:

I.

Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der Antragsgegnerin verwaltet wird.

Durch Beschluss vom 1.10.2003 hat das Landgericht einen Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Antragsstellern zum Ersatz des ihnen durch die Verjährung ihrer Ansprüche gegen die Firma G. GmbH entstandenen Schadens verpflichtet ist. Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 14.10.2003 zugestellt. Am 22.10.2003 hat sie beim Oberlandesgericht gegen den Beschluss sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 6.11.2003 wurde sie vom Oberlandesgericht auf die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts hingewiesen. Daraufhin hat die Antragsgegnerin am 19.11.2003 beim Bayerischen Obersten Landesgericht sofortige weitere Beschwerde eingelegt und beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist zu gewähren.

II.

Das Wiedereinsetzungsgesuch der Antragsgegnerin ist unbegründet. Die sofortige weitere Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht innerhalb der am 28.10.2003 abgelaufenen Frist von zwei Wochen bei dem zur Entscheidung für das Rechtsmittel zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen (§ 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 199 Abs. 1 FGG, Art.11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis kann der Antragsgegnerin nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG); dabei muss sich die Antragsgegnerin das Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 FGG).

2. Die Antragsgegnerin ist der Meinung, ihr Verschulden an der Fristversäumnis wirke sich deshalb nicht mehr aus, weil das Oberlandesgericht verpflichtet und auch in der Lage gewesen wäre, das Rechtsmittel innerhalb der Frist an das zuständige Rechtsmittelgericht weiter zu leiten; aus dem Beschwerdeschriftsatz sei ohne weiteres erkennbar gewesen, dass es sich um ein Rechtmittel in einer Wohnungseigentumssache handelte.

(1) Dieser Sachvortrag ist nicht geeignet, die Fristversäumnis der Antragsgegnerin als unverschuldet erscheinen zu lassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Antragsgegnerin angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1995, 3173) und des Bundesgerichtshofs (NJW 2000, 737).

Der Bundesgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, das schwerwiegende Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten, das sich der vertretene Beteiligte wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse, werde nicht dadurch ausgeräumt, dass ein Beschwerdeschriftsatz nicht innerhalb der Beschwerdefrist an das zuständige Gericht weiter geleitet worden sei. Eine generelle Fürsorgepflicht des angegangenen, für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern, bestehe nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe sich die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung und richterlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, nicht nur an dem Interesse der Rechtssuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern müsse auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden müsse. Danach müsse insbesondere dem rechtskundigen Verfahrensbevollmächtigten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten für fristgebundene Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden. Das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, dass sich ein etwaiges Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr auswirke, wenn der fristgebundene Schriftsatz so rechtzeitig bei dem "mit der Sache befasst gewesenen Gericht" eingehe, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden könne.

(2) Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Eine "nachwirkende Fürsorgepflicht" des Oberlandesgerichts, auf die eine Verpflichtung zur Weiterleitung des Beschwerdeschriftsatzes an das zuständige Rechtsmittelgericht gestützt werden könnte, besteht nicht. Denn das Oberlandesgericht war mit der Sache zu keiner Zeit befasst, insbesondere handelt es sich bei ihm nicht um das Gericht, gegen dessen Entscheidung sich das Rechtsmittel richtet. Abgesehen davon konnte das Oberlandesgericht, solange ihm die Akten nicht zur Verfügung standen, allein anhand der Rechtsmittelschrift seine Unzuständigkeit nicht zweifelsfrei bejahen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Von der Anordnung einer Kostenerstattung wird abgesehen, weil die Antragsteller am Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligt wurden.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



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