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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.12.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 239/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
FGG § 12
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 14
WEG § 22 Abs. 1
1. Zur Beurteilung einer baulichen Veränderung als optisch nachteilig können Lichtbildkopien nur dann herangezogen werden, wenn sie einen ausreichenden Gesamteindruck von den tatsächlichen Gegebenheiten vermitteln.

2. Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Substanz des Gemeinschaftseigentums kann einen nicht nur erheblichen Nachteil im Sinn des § 14 WEG begründen. Die Tatsacheninstanzen müssen jedoch das Bestehen einer solchen Gefahr konkret feststellen.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerinnen sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung im ersten Stock des Hauses. Die Antragsgegnerinnen sind Eigentümerinnen der darunter gelegenen Wohnung. Die Antragsgegnerinnen haben ein Sondernutzungsrecht an einer Terrasse, die teilweise unmittelbar unter dem Balkon der Antragstellerin gelegen ist.

Bei dem Balkon handelt es sich um eine Holzkonstruktion mit einem Boden aus Holzbrettern. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 15.12.2002 brachten die Antragsgegnerinnen eine Leistenkonstruktion an den hölzernen Querträgern des Balkons an, um in diese Leisten unter dem Bodenbelag des Balkons der Antragstellerin Holzplatten einschieben zu können.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerinnen zur Entfernung der Leisten zu verpflichten. Mit Beschluss vom 12.6.2003 hat das Amtsgericht diesem Antrag entsprochen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 21.10.2003 zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsgegnerinnen ihr Ziel der Antragsabweisung weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Balkonträger seien zwingend gemeinschaftliches Eigentum und nicht Sondereigentum der Antragstellerin. Der Antragstellerin stehe gleichwohl ein Anspruch auf Beseitigung der Leistenkonstruktion zu. Es handele sich dabei um eine bauliche Veränderung, die die Antragstellerin über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtige. Die Leisten würden, wie sich aus der Kopie eines Lichtbildes ergebe, eine erhebliche optische Beeinträchtigung darstellen. Darüber hinaus sei durch die Anbringung der Leisten und das dadurch ermöglichte Einschieben von Platten zumindest die Gefahr gegeben, dass die Bodenkonstruktion des Balkons der Antragstellerin Schaden nehme, weil Regenwasser nicht ungehindert abfließen könne und das Holz somit schneller verfaule.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Balkonträger nach § 5 Abs. 1 WEG zwingend Gemeinschaftseigentum sind, weil eine Veränderung oder Beseitigung der Balkonträger nicht möglich ist, ohne dadurch die äußere Gestaltung des Gebäudes zu verändern. Ebenfalls zutreffend ist der rechtliche Ansatz des Landgerichts, dass sowohl eine nachteilige optische Veränderung als auch die Gefahr von Schäden am Balkon einen Beseitigungsanspruch rechtfertigen (§ 1004 BGB, § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1, § 14 WEG).

b) Das Landgericht hat jedoch weder zum Vorliegen einer nachteiligen optischen Veränderung noch zur Gefahr von Schäden am Balkon hinreichende tatsächliche Feststellungen getroffen.

(1) Ob eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks vorliegt und ob diese nachteilig ist, obliegt der Würdigung durch die Tatsacheninstanzen (BayObLG WuM 1995, 59). Hierzu müssen diese jedoch den Sachverhalt von Amts wegen ausreichend erforschen (§ 12 FGG). Die Einnahme eines Augenscheins ist hierzu geeignet, aber nicht erforderlich, wenn Lichtbilder das Erscheinungsbild hinreichend klar erkennen lassen (OLG Hamm NZM 2000, 910). Die Heranziehung einer Lichtbildkopie ist jedoch dann nicht ausreichend, wenn sie nicht hinreichend aussagekräftig ist (Beschluss des Senats vom 17.6.2003 - 2Z BR 44/03).

Im vorliegenden Fall hat sich das Landgericht lediglich auf eine ungenügende Lichtbildkopie bezogen. Diese Kopie ist schwarz/weiß. Die beanstandete Konstruktion ist mit orangem Leuchtstift hervorgehoben. Die Lichtbildkopie zeigt nur einen kleinen Ausschnitt des Gebäudes, nämlich den oberen Teil des Fensters unter der Lattenkonstruktion und einen Teil des Balkons über der Lattenkonstruktion. Auf der Lichtbildkopie sind weder die Orginalfarben erkennbar noch kann aus dem Lichbild abgeleitet werden, dass das Gesamtbild des Holzbalkons mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Das Landgericht hat hierzu auch keine näheren Ausführungen gemacht, insbesondere nicht dargelegt, aus welchem Material die Leisten gefertigt sind und welche Farbe sie haben. Bei der orangen Hervorhebung handelt es sich offensichtlich um eine Veränderung der Lichtbildkopie, die von Antragstellerseite vorgenommen wurde.

(2) Auch zur möglichen Beschädigung des Balkons durch Fäulnis hat das Landgericht keine hinreichende Sachaufklärung vorgenommen. Zwischen den Beteiligten war es bereits in erster Instanz streitig, ob die Leisten in Verbindung mit dem Einschieben von Holzplatten das Verfallen und Verrotten des Balkons beschleunigen oder begünstigen können. Das Landgericht hat insoweit, ohne sich mit dem Bestreiten der Antragsgegnerinnen auseinanderzusetzen, die Behauptung der Antragstellerin übernommen. Zwar kann bereits die naheliegende Gefahr einer schnelleren Verrottung von Gemeinschaftseigentum einen nicht nur unerheblichen Nachteil im Sinne des § 14 Abs. 1 WEG begründen. Das Landgericht hat aber auch zu einer solchen Gefahr keine konkreten Feststellungen getroffen, sondern ist ohne nähere tatsächliche Feststellungen davon ausgegangen, dass das Regenwasser nicht ungehindert abfließen könne. Um diesen Schluss ziehen zu können, hätte jedoch das Landgericht nähere Feststellungen zu der von den Antragsgegnerinnen angebrachten Konstruktion treffen müssen, etwa durch sachverständige Begutachtung. Nicht fernliegend ist es nämlich, dass durch eine Neigung oder durch andere technischen Maßnahmen dafür gesorgt ist, dass das Regenwasser abfließen kann oder dass durch eine ausreichende Hinterlüftung Schäden am Balkon ausgeschlossen sind.

(3) Da der Senat als Rechtsbeschwerdegericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Dies gibt dem Landgericht Gelegenheit, gegebenenfalls zu prüfen, ob die Antragsgegnerinnen Handlungs- oder Zustandsstörer sind; denn ein Beseitigungsanspruch besteht nur gegen den Handlungsstörer (vgl. BayObLG NJW-RR 2002, 660).

3. Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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