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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 24/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 313 a.F.
WEG § 3
WEG § 4
WEG § 10
Nach Treu und Glauben kann sich die Verpflichtung eines Wohnungseigentümers ergeben, einer Änderung des Teilungsvertrags einschließlich der Zuweisung von Sondernutzungsrechten zuzustimmen, wenn er zunächst Mitglied einer Bauherrengemeinschaft war und der Bau mit seiner Zustimmung abweichend vom Teilungsvertrag ausgeführt wurde.
Gründe:

I.

Der Antragsteller, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten waren mit Ausnahme der Beteiligten zu 10 bei Einleitung des Verfahrens die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Die weiteren Beteiligten zu 4 und 5 veräußerten ihr Wohnungseigentum an die weitere Beteiligte zu 10. Der weitere Beteiligte zu 1, der zunächst gemeinsam mit dem weiteren Beteiligten zu 2 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bildete, ist zwischenzeitlich aus der Eigentümergemeinschaft ausgeschieden.

Die ursprünglichen Miteigentümer hatten sich in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer Bauherrengemeinschaft zusammengeschlossen. Grundlage ist der Gesellschaftsvertrag vom 29.12.1987 in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag vom 27.7.1987. Der Beteiligte zu 8 war bei Abschluss des Vertrages vom 29.12.1987 Miteigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks. Die übrigen ursprünglichen Miteigentümer haben am 29.12.1987 Miteigentumsanteile gekauft.

Zweck der Gesellschaft war die gemeinsame umfassende Sanierung, Renovierung und teilweise bauliche Neuerrichtung der vorhandenen Altbausubstanz in Bauherrengemeinschaft. Ebenfalls am 29.12.1987 begründeten die Miteigentümer Wohnungs- und Teileigentum mit insgesamt zehn Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten nebst zusätzlichen Kellerräumen, oberirdischen Stellplätzen und sonstigen gemeinschaftlichen oder im Sondernutzungsrecht stehenden Nebenräumen. Im Teilungsvertrag wurde der Antragsgegnerin Teileigentum an den Gewerbeeinheiten Nr. 3 und 4 nebst Sondernutzungsrechten an den oberirdischen Stellplätzen Nr. 8 und 9 zugewiesen. Der Teilungsvertrag ist im Grundbuch am 30.5.1988 vollzogen worden.

Noch vor grundbuchamtlichem Vollzug wurde von der Bauherrenversammlung bzw. vom Beirat eine Kellererweiterung i n einem der beiden Gebäude beschlossen und in der Folgezeit durchgeführt. Außerdem wurde ein Kellervorraum, der als Sondereigentum vorgesehen war, für Armaturen und für die Anbringung des Wasserzählers in Anspruch genommen. Zum Ausgleich dafür sollte der betroffene Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht im großen Kellerflur erhalten. Außerdem wurden drei neue, im ursprünglichen Teilungsvertrag nicht vorgesehene, Stellplätze geschaffen. Von diesen Stellplätzen sollte einen der weitere Beteiligte zu 2 und zwei die Antragsgegnerin erhalten. Der Kaufpreis von jeweils 3000 DM wurde auch von der Antragsgegnerin bezahlt.

Zur Anpassung der Teilungserklärung an die neu geschaffenen Gegebenheiten wurde am 3.7.1989 eine notarielle Urkunde errichtet. Die Antragsgegnerin weigert sich, der Änderung der Teilungserklärung zuzustimmen.

Der Antragsteller hat im zivilprozessualen Verfahren vor dem Landgericht unter anderem beantragt, die Antragsgegnerin zu verurteilen, die Nachtragsurkunde zu genehmigen. Im Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht diesen Antrag abgetrennt und an das Amtsgericht als Wohnungseigentumsgericht verwiesen. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 1.3.2001 stattgegeben. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin am 30.12.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsteller sei hinsichtlich seines Anspruchs auf Zustimmung bereits als Miteigentümer aktivlegitimiert.

Die Antragsgegnerin sei nach Treu und Glauben verpflichtet, der Änderung der Teilungserklärung zuzustimmen, da ihre Weigerung treuwidrig sei. Die Kammer sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich die Antragsgegnerin, vertreten durch ihren Ehemann, zunächst damit einverstanden erklärt habe, dass der Beteiligte zu 2 ein Sondernutzungsrecht an der umstrittenen Kellerfläche erhalte, wenn er die entsprechenden Mehrkosten trage. Auch die in der Nachtragsurkunde getroffene Nutzungsregelung bezüglich einer Schrankaufstellung im Keller sei vereinbart gewesen. Aufgrund der wirksamen schuldrechtlichen Vereinbarung sei die Antragsgegnerin verpflichtet, ihre Einigungserklärung über die Inhaltsänderung aller Wohnungseigentumsrechte abzugeben. Eine solche Verpflichtung ergebe sich auch aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung, den Gesellschaftszweck herbeizuführen, der auch die rechtliche Anpassung an die getroffenen Vereinbarungen, nämlich den vollständigen Umbau einschließlich der vorgenommenen Änderungen, umfasse.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Prozessführungsbefugnis des Antragstellers ergibt sich bereits aus seiner Aktivlegitimation. Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Änderung des Teilungsvertrags ist ein Individualanspruch, da jeder Wohnungseigentümer ein eigenes Interesse an der Ausgestaltung von Teilungsvertrag und Gemeinschaftsordnung hat und durch eine Änderung seine eigenen Rechte hinsichtlich Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum und Sondernutzungsrechten berührt werden können. Außerdem besteht ein individuelles Interesse eines jeden Wohnungseigentümers, dass der Teilungsvertrag mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmt.

b) Die Antragsgegnerin ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, der Änderung des Teilungsvertrags zuzustimmen. Ein Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung besteht, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ein Festhalten an der bisherigen Regelung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist ein strenger Maßstab anzulegen (st. Rspr. des Senats; vgl. z.B. BayObLGZ 1987, 66; ZMR 2001, 997 und zuletzt Beschluss vom 30.5.2003 - 2Z BR 35/03). Dies gilt im Grundsatz auch für eine Änderung eines Teilungsvertrags. Außergewöhnliche Umstände in diesem Sinne liegen hier vor.

(1) Die Antragsgegnerin hat, vertreten durch ihren Ehemann, den Baumaßnahmen und der Neuregelung mündlich zugestimmt. Das hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Senat ist an diese Feststellung gebunden (§ 27 Abs. 1 FGG). Dass durch die Änderung des Teilungsvertrags auch Sondereigentum verändert wird und deshalb im Fall einer vertraglichen Regelung die Form des § 313 BGB a.F. i.V.m. § 4 Abs. 3 WEG zu beachten gewesen wäre, ist unerheblich. Der Senat leitet die Verpflichtung der Antragsgegnerin nämlich nicht unmittelbar aus ihrer Zustimmung ab, sondern wertet diese lediglich als einen Umstand im Rahmen der Beurteilung der Verpflichtungen der Antragsgegnerin nach Treu und Glauben. Davon abgesehen ist eine Berufung auf die fehlende Form unbeachtlich, wenn ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliegt (vgl. z.B. BGH NJW 1984, 607).

(2) Die neu geschaffenen Stellplätze wurden von der Antragsgegnerin bezahlt. Sie nutzt die Stellplätze und den Keller tatsächlich so, wie es in der Änderungsvereinbarung vorgesehen ist. Die Antragsgegnerin manifestiert deshalb durch ihr tatsächliches Verhalten, dass sie zumindest in Teilbereichen mit der geschaffenen baulichen Situation einverstanden ist und zieht hieraus auch Vorteile. Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn jemand, der über längere Zeit aus einer Regelung Vorteile gezogen hat, sich nunmehr seinen Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen will (BGH NJW 1996, 1467/1469). Ebenso ist es rechtsmissbräuchlich, aus einer beabsichtigten Vereinbarung Vorteile zu ziehen, die zu Grunde liegende Regelung aber gleichwohl in Frage zu stellen.

(3) Bei einer Verpflichtung zur Änderung von Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung ist auch der Vertrauensgrundsatz zu berücksichtigen (BayObLG ZMR 2001, 997; Beschluss des Senats vom 30.5.2003 - 2Z BR 35/03). Der Vertrauensschutz ist in der Regel ein gewichtiges Argument für die Beibehaltung der einmal getroffenen Regelung, da sich jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich darauf verlassen kann, dass wohnungseigentumsrechtlich getroffene Regelungen nicht ohne seine Zustimmung geändert werden. Dieser regelmäßig bestehende Vertrauensschutz kommt der Antragsgegnerin jedoch hier nicht zugute. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 27.7.1987, der Grundlage des Gesellschaftsvertrags vom 29.12.1987 ist, war noch eine Festlegung der endgültigen Bauplanung und Baubeschreibung auf der Grundlage der vorläufigen Bauplanung und Baubeschreibung erforderlich (§ 2 Nr. 2 Buchst. b des Vertrags). Die Antragsgegnerin konnte sich deshalb von vornherein nicht auf eine bestimmte Bauausführung verlassen. Darüber hinaus stellt die Antragsgegnerin auch im Rechtsbeschwerdeverfahren den Kellerausbau als solchen ausdrücklich nicht in Frage.

(4) In diesem Zusammenhang ist auch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Antragsgegnerin heranzuziehen. Zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft gehört es auch, bei einer Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten die rechtlichen Regelungen diesen anzupassen. Dies ist in § 2 Nr. 1 Satz 2 des, Gesellschaftsvertrags vom 27.7.1987 zudem ausdrücklich normiert. Die Beteiligten verpflichten sich dort unter anderem, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich und zweckdienlich sind.

(5) Dass ein Auseinanderfallen von tatsächlichen Gegebenheiten und rechtlichen Regelungen für alle Wohnungseigentümer nachteilig ist und dass deshalb ein Interesse eines jeden einzelnen Wohnungseigentümers daran besteht, die tatsächlichen Verhältnisse und die rechtlichen Regelungen in Einklang zu bringen, bedarf keiner weiteren Erörterung.

(6) Schließlich hat die Antragsgegnerin auch nicht aufgezeigt, dass die in der Änderungsvereinbarung enthaltenen Regelungen unbillig sind. Sie beruft sich lediglich darauf, dass sich der Beteiligte zu 2 die "Filetstücken sichern wolle. Wie das Landgericht für den Senat bindend festgestellt hat, ist die Antragsgegnerin zu den durch den Kellerausbau entstandenen Mehrkosten nicht herangezogen worden. Vielmehr seien diese Kosten vom Beteiligten zu 2 an die jeweiligen Handwerker bezahlt worden. Es ist deshalb nicht unbillig, dass der Beteiligte zu 2 aus der Änderungsvereinbarung möglicherweise größere Vorteile zieht als die Antragsgegnerin.

(7) Unerheblich ist, ob zum Vollzug der Änderungsvereinbarung die Zustimmung anderer Wohnungseigentümer erforderlich ist. Das könnte die Antragsgegnerin von ihrer Zustimmungsverpflichtung nur dann befreien, wenn bereits feststünde, dass die neuen Wohnungseigentümer der Änderungsvereinbarung nicht zustimmen werden. Hierfür ist aber nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich. Der Antragsteller kann gegebenenfalls die übrigen Wohnungseigentümer gesondert auf Zustimmung in Anspruch nehmen.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, dass die in allen Instanzen unterlegene Antragsgegnerin die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt.

Die in Übereinstimmung mit der Vorinstanz getroffene Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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