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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 26/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 28
Sind nach der Gemeinschaftsordnung alle Wohnungen und die im Gemeinschaftseigentums stehenden Anlagen zur fremdenverkehrsgewerblichen Nutzung an eine Betriebsgesellschaft vermietet, so sind die ausschließlich die Betriebsgesellschaft betreffenden Kosten nicht auf die Wohnungseigentümer umzulegen, sofern sie nicht Mitglieder der Betriebsgesellschaft sind.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Dr. Delius

am 26. April 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Deggendorf vom 2. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus 56 Ferienappartements besteht und die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Nach der Gemeinschaftsordnung dürfen sämtliche Wohnungen und die im Gemeinschaftseigentum stehenden Räume für die Dauer von 25 Jahren nur fremdenverkehrsgewerblich genutzt werden. Die Wohnungseigentümer sind verpflichtet, ihre Appartements an eine Betriebsgesellschaft zu vermieten. Diese nutzt zusammen mit der Betriebsgesellschaft einer benachbarten Ferienwohnanlage ein nicht zur Wohnanlage gehörendes Betriebszentrum mit Rezeption, Schwimmbad, Küche und Gemeinschaftsräumen. Die Unkosten werden zwischen den Betriebsgesellschaften aufgeteilt.

Der Antragsteller erwarb sein Appartement im Weg der Zwangsversteigerung; der Betriebsgesellschaft ist er wie andere Wohnungseigentümer auch nicht beigetreten. So bestand die Gesellschaft zum Beispiel im Jahr 1997 nur aus 48 Gesellschaftern.

Die Wohnungseigentümer genehmigten am 23.11.1996 die Jahresabrechnung 1995 und den Wirtschaftsplan 1996. Ferner beschlossen sie, dass ein in den Einzelabrechnungen ausgewiesener Jahresüberschuss auf das neue Geschäftsjahr zu übertragen ist und dass ein Jahresfehlbetrag innerhalb von 2 Wochen einbezahlt werden muss. Schließlich beschlossen sie, dass die sich aus dem Wirtschaftsplan 1996 ergebenden monatlichen Wohngeldvorauszahlungen rückwirkend zum 1.1.1996 fällig gestellt werden und bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans gültig bleiben.

Der Antragsteller hat beantragt, die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären, weil Kosten der Betriebsgesellschaft, wie zum Beispiel die Miete und die Reinigung für die Rezeption und das Hallenbad, auch auf die Wohnungseigentümer umgelegt worden sind, die nicht der Betriebsgesellschaft angehören. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 16.4.1998 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 2.1.2001 auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Eigentümerbeschlüsse für ungültig erklärt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Nach der Gemeinschaftsordnung sei zwar jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, sein Appartement an die Betriebsgesellschaft zu vermieten. Aufgrund des abzuschließenden Mietvertrags seien aber beim vorliegen eines wichtigen Grundes fristlose Kündigungen möglich. Von dieser Möglichkeit hätten hier mehrere Wohnungseigentümer Gebrauch gemacht; ihnen dürften deshalb wie auch den nicht der Betriebsgesellschaft beigetretenen Wohnungseigentümern Kosten der Betriebsgesellschaft nicht auferlegt werden. Dies werde in den angefochtenen Eigentümerbeschlüssen jedoch nicht beachtet.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Schreibt die Gemeinschaftsordnung wie hier die einheitliche Vermietung sowohl des gemeinschaftlichen Eigentums als auch sämtlicher Wohnungen an eine Betriebsgesellschaft vor, gelten die für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bestehenden Zuständigkeiten ausnahmsweise auch für das Sondereigentum, weil eine Trennung der beiden Bereiche nicht durchführbar ist; so können z.B. die Wohnungseigentümer über die Verteilung des Gesamtpachtzinses auf die einzelnen Wohnungseigentümer beschließen (BayObLG WuM 1991, 442). Fraglich ist aber, ob in eine Jahresabrechnung oder einen Wirtschaftsplan Abrechnungsposten eingestellt werden dürfen, die wie hier die Miet- und Reinigungskosten der nicht zur Wohnanlage gehörenden Rezeption und des Hallenbades nur die Betriebsgesellschaft, nicht aber die Wohnanlage als solche betreffen. Jedenfalls ist dies nicht zulässig, wenn nicht sämtliche Wohnungseigentümer auch Mitglieder der Betriebsgesellschaft sind. Dies ist hier nicht der Fall.

b) Nach der Gemeinschaftsordnung ist nicht jeder Wohnungseigentümer zwangsläufig zugleich Mitglied der Betriebsgesellschaft. Die Mitgliedschaft in der Betriebsgesellschaft ist vielmehr nur als Verpflichtung der Wohnungseigentümer zum Beitritt normiert. Handelt ein Wohnungseigentümer dieser Verpflichtung zuwider, können ihn gegebenenfalls die übrigen Wohnungseigentümer auf Abgabe der Beitrittserklärung zur Betriebsgesellschaft verklagen. Auch können gegen ihn Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen die Beitrittsverpflichtung oder Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht kommen. Solange ein solcher Wohnungseigentümer nicht zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung verurteilt ist, ist er jedenfalls nicht Mitglied der Betriebsgesellschaft.

Denkbar ist ferner, dass ein Wohnungseigentümer nicht Gesellschafter ist, weil er aus einem wichtigen Grund wirksam gekündigt hat. Das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund ist nicht ausschließbar, § 723 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB.

Hier ist unstreitig, dass der Antragsteller wie andere Wohnungseigentümer auch, die ihre Wohnung im Wege der Zwangsversteigerung erworben haben, der Betriebsgesellschaft nicht beigetreten ist. Da schon aus diesem Grunde zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht alle Wohnungseigentümer zugleich Gesellschafter waren, kann dahingestellt bleiben, ob zum damaligen Zeitpunkt Wohnungseigentümer die Gesellschaft oder den Mietvertrag über ihr Appartement aus wichtigem Grund wirksam gekündigt hatten.

c) In einer Jahresabrechnung oder in einem Wirtschaftsplan dürfen Kosten, die ausschließlich die Betriebsgesellschaft betreffen, nicht auf Wohnungseigentümer umgelegt werden, die nicht zugleich Gesellschafter sind. Dies gilt auch dann, wenn ein Wohnungseigentümer rechtswidrig der Verpflichtung zuwider handelt, sein Appartement an die Betriebsgesellschaft zu vermieten.

Mit dem Sinn und dem Zweck einer Jahresabrechnung oder eines Wirtschaftsplans ist es nicht vereinbar, solche Wohnungseigentümer in der Abrechnung so zu stellen, als ob sie Mitgesellschafter wären. Für die Vornahme eines derartigen Schadensausgleichs (vgl. § 249 BGB) ist in einer Jahresabrechnung oder einem Wirtschaftsplan kein Raum; den Wohnungseigentümern fehlt dafür die Entscheidungskompetenz.

Die Jahresabrechnung ist keine Gewinn- und Verlustrechnung sowie keine Bilanz, sondern eine Einnahmen - Ausgabenrechnung, die die tatsächlichen Beträge einander gegenüberzustellen hat. Aus der Gesamtabrechnung sind die Einzelabrechnungen abzuleiten. Die Jahresgesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen dürfen nur tatsächliche Einnahmen und Ausgaben in dem betreffenden Abrechnungsjahr enthalten. Forderungen dürfen in der Jahresabrechnung ebenso wenig erscheinen wie Verbindlichkeiten. Das Entsprechende gilt für den Wirtschaftsplan (st. Rspr. des Senats, vgl. BayObLG WÜM 1994, 230 und 498/499; BayObLG ZMR 1999, 185). Auch eine Forderung gegen einen Wohnungseigentümer, der rechtswidrig der Betriebsgesellschaft nicht beigetreten ist, dürfte somit in der Jahresabrechnung nicht aufgeführt sein.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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