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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 264/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22
Wurde an Reihenhäusern nur deshalb Wohnungseigentum begründet, weil eine Teilung des Grundstücks öffentlich-rechtlich nicht zulässig war, so kann die Auslegung der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ergeben, dass ein Wohnungseigentümer zur Veränderung des Daches seines Reihenhauses auch dann nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf, wenn damit eine Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes der Gesamtanlage verbunden ist.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sowie zwei weitere Personen sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus 13 Reihenhäusern, die den Beteiligten dieses Verfahrens gehören, und einem Zweifamilienhaus.

Die Antragsteller beabsichtigen, das Dach ihres Reihenhauses zu erneuern. Dabei wollen sie eine bessere Isolierung einbauen und anstelle von Bitumen Eternit oder Naturschiefer verwenden. Dadurch würde das Dach etwa 5 cm höher und in der Farbe von den übrigen Dächern abweichen.

Durch Teilungserklärung vom 18.12.1978 und Nachtrag vom 1.10.1979 wurde den Antragstellern als Sondernutzungsrecht das ausschließliche Benützungsrecht an einer Gartenfläche sowie allen Baulichkeiten und Anlagen auf dieser Fläche, soweit sie nicht bereits Sondereigentum sind, eingeräumt .

In Nr. VI des Nachtrags ist bestimmt:

Das Grundstück ist derzeit nicht in einzelne selbständige Grundstücke teilbar. Deshalb wurde eine Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz vorgenommen.

Damit jedoch jeder einzelne Wohnungs- bzw. Teileigentümer über sein Sondereigentum und die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gegenstände, insbesondere der Grundstücksfläche in jeder Weise frei nach Belieben verfügen kann und die Grundstücksteilfläche auch, falls zulässig, vermessen und an sich oder Dritte übereignen kann, treffen die zukünftigen Miteigentümer untereinander folgende Vereinbarungen: ...

§ 3 der Gemeinschaftsordnung lautet wie folgt:

1. Eine Zustimmung der anderen Miteigentümer oder eines etwaigen Verwalters ist, soweit gesetzlich zulässig, nicht erforderlich zur Veräußerung, Belastung, Gebrauchs- und Nutzungsüberlassung des Wohnungs- bzw. Teileigentums oder der Sondernutzungsrechte, letztere auch getrennt vom Sondereigentum, sowie für bauliche und sonstige Änderungen der im Sondereigentum stehenden, oder einem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gegenstände.

2. Jeder Miteigentümer bzw. Inhaber eines Sondernutzungsrechts ist also insbesondere berechtigt, ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer oder eines Verwalters alle im Sondereigentum befindlichen oder seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gegenstände an Dritte ganz oder teilweise zu veräußern, zu vermieten oder zu verpachten, einschließlich der aufgrund der eingeräumten Rechte errichteten Anlagen und Einrichtungen, die den jeweiligen Sondernutzungsrechten unterliegenden Grundstücksflächen in beliebiger Weise zu bebauen und bestehende Bauwerke zu ändern, soweit öffentlich-rechtlich zulässig, und diese Grundstücksflächen ganz oder teilweise zu veräußern, etwa nach Vermessung und Aufhebung der Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz.

Die Antragsteller haben beantragt festzustellen, dass sie berechtigt sind, ohne Zustimmung der Antragsgegner und der übrigen Wohnungseigentümer das bestehende Bitumen-Schindel-Dach ihres Reihenhauses in ein Eternit-Schindeldach oder Naturschiefer-Schindeldach umzubauen. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 29.1. 2003 abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht am 20.11.2003 den Beschluss aufgehoben und dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1 und 2.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: § 22 WEG sei wirksam abbedungen, so dass eine Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer auch dann nicht erforderlich sei, wenn das architektonische Gesamtbild nachteilig verändert werde. Das Sondernutzungsrecht des jeweiligen Wohnungseigentümers bestehe an dem gesamten, dem jeweiligen Reihenhaus zugeordneten Grundstück. Das ergebe sich aus dem Nachtrag vom 1.10.1979, wo ausdrücklich hervorgehoben sei, dass insbesondere die Grundstücksfläche - ohne Beschränkung auf Garten, Terrasse oder Vorplatz - dem Sondernutzungsrecht unterliege. § 1 der Gemeinschaftsordnung (GO) liste als nicht von Sondernutzungsrechten betroffene Gegenstände beispielsweise Hauszugangswege, Garagenzufahrt, Ver- und Entsorgungsanlagen bis zu den jeweiligen Hausanschlüssen, Kommunmauern, Gartentrennmauern und Trennzäune sowie Trennpflanzungen auf. Dach und Außenmauern der einzelnen Reihenhäuser seien nicht erwähnt, was jedoch angesichts der Bedeutung dieser Bauteile nahe liegend wäre, wenn auch sie zu dieser Kategorie zählen sollten.

Nachdem somit die gesamte dem jeweiligen Reihenhaus zugeordnete Grundstücksfläche dem Sondernutzungsrecht unterliege, fielen auch die zwingend im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile des jeweiligen Reihenhauses, wie etwa Dach und Außenmauern, darunter. Diese Regelung korrespondiere mit den Bestimmungen zu Instandhaltung und Kostentragung.

Aus der Gesamtheit der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Regelungen ergebe sich somit als nächstliegende Bedeutung, dass die Wohnungseigentümer innerhalb ihres räumlichen Bereichs weitgehend wie Alleineigentümer berechtigt und verpflichtet seien. Diese Auslegung werde bestätigt durch den Nachtrag vom 1.10.1979. Dort werde erläutert, dass nur deshalb eine Aufteilung nach dem WEG vorgenommen worden sei, weil eine Realteilung nicht möglich gewesen sei. Darüber hinaus werde bestimmt, dass jeder einzelne Wohnungseigentümer über sein Sondereigentum und die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gegenstände frei verfügen könne.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Landgerichts in vollem Umfang an und nimmt hierauf Bezug. Ergänzend und in Würdigung des Beschwerdevorbringens ist auszuführen:

a) Die Wohnungseigentümer des Zweifamilienhauses sind am Verfahren nicht zu beteiligen. Es steht den Antragstellern frei, den Feststellungsantrag nur gegen einzelne Wohnungseigentümer zu erheben. Der Antrag ist gleichwohl darauf gerichtet, dass auch die übrigen Wohnungseigentümer nicht zustimmen müssen. Dies macht aber die Beteiligung der Wohnungseigentümer des Zweifamilienhauses nicht erforderlich. Die Feststellung wirkt nämlich nur gegenüber den Antragsgegnern, erwächst aber nicht in Rechtskraft gegenüber den Eigentümern des Zweifamilienhauses. Insoweit fehlt dem Feststellungsantrag auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragsteller ein berechtigtes Interesse daran haben, dass sich jedenfalls die Antragsgegner nicht darauf berufen können, eine Zustimmung der Eigentümer des Zweifamilienhauses liege nicht vor.

b) Der Senat hat die Gemeinschaftsordnung und den Nachtrag zur Teilungserklärung selbst auszulegen. Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BayObLG ZMR 2001, 832/833).

Die Auslegung durch das Landgericht ist zutreffend.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Auslegungsbedürftigkeit gegeben, da die Gemeinschaftsordnung und der Nachtrag zur Teilungserklärung keine ausdrückliche Regelung zu einer Veränderung des Daches treffen. Das Landgericht hat deshalb zutreffend auf die Gesamtheit aller Vereinbarungen abgestellt. Dabei kommt neben den ausdrücklich getroffenen Regelungen insbesondere dem Umstand besonderes Gewicht zu, dass die Form des Wohnungseigentums nur gewählt wurde, weil eine Teilung des Grundstücks in selbständige Grundstücke zum damaligen Zeitpunkt nicht zulässig war. Dass einzelne Regelungen für sich allein betrachtet auch eine andere Auslegung zuließen, tritt demgegenüber in den Hintergrund.

3. Es entspricht der Billigkeit, den unterlegenen Antragsgegnern zu 1 und 2 die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Auslagen besteht keine Veranlassung (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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