Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 29/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 1 Abs. 2
WEG § 10 Abs. 1 S. 2
WEG § 15 Abs. 3
1. Die Zweckbestimmung eines Wohnungseigentums als "Ferienwohnung" oder "Ferienappartement" legt im Allgemeinen eine vorübergehende Nutzung als Wohnung durch wechselnde Gäste fest.

2. Ob die Nutzung einer "Ferienwohnung" als Seminar- und Veranstaltungsraum nicht mehr stört als eine zweckentsprechende Nutzung, kann nur entschieden werden, wenn die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Nutzung durch den Tatrichter umfassend abgewogen werden. Dabei kann auch die Lage der Wohnung im Gebäude eine Rolle spielen.


Gründe:

I. Die Antragsteller, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus 26 Ferienwohnungen (Ferienappartements) und einem Restaurant (Nr. 27) besteht. Der Antragsgegnerin gehört das Sondereigentum an den Ferienwohnungen Nrn. 2, 15 und 25. Ihrem Vortrag zufolge benutzt sie die Ferienwohnung Nr. 25 mindestens seit 1996 als Seminarraum, in dem je nach Bestuhlung bis zu 25 Personen Platz finden. Sie beabsichtigt, ihr Sondereigentum zukünftig verstärkt als Seminar- und Veranstaltungsraum zu nutzen.

Mit der Gemeinde besteht zur Sicherung der touristischen Nutzung eine dinglich gesicherte Vereinbarung, nach der die Eigentümer ihre Wohnungen jährlich nur für eine bestimmte Zeit selbst nutzen dürfen. Der Gemeinderat beschloss am 15.5.2001, die Regelung dahingehend zu lockern, dass einer Nutzung der Wohnung Nr. 25 als Büro- und Seminarraum zugestimmt wird.

Die Teilungserklärung vom 12.12.1984 enthält zum Umfang der Nutzung folgende Regelung:

4.1 Die Gesamtanlage dient entsprechend ihrer Zweckbestimmung vornehmlich der gewerblichen Nutzung durch den Fremdenverkehr, wobei die Wohnungseigentümer die Ferienwohnungen im Rahmen ihrer privaten Vermögensverwaltung zur zweckgebundenen, touristischen Nutzung zur Verfügung stellen. ...

Nach Nr. 13.9 der Gemeinschaftsordnung (GO) ist zur Rechtswirksamkeit eines Beschlusses über eine Änderung oder Aufhebung der Vereinbarungen zum Umfang der Nutzung und zur Übertragung des Wohnungseigentums außer der Einstimmigkeit auch die Zustimmung des Verwalters sowie der Gemeinde erforderlich.

Die Antragsteller haben beantragt, es der Antragsgegnerin unter Androhung von Zwangsmitteln zu untersagen, die Wohneinheit Nr. 25 statt als Wohnung als Seminar- bzw. Veranstaltungsraum zu nutzen. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 10.10.2003 stattgegeben. Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 29.12.2003 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 16.1.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde einzelner Antragsteller vom 29.1.2004. Am 3.2.2004 haben weitere Wohnungseigentümer durch ihren Verfahrensbevollmächtigten erklärt, auf Antragstellerseite aufzutreten und das Rechtsmittel mitzutragen.

II. Das von den Antragstellern zu 1 bis 6 zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 27 Abs. 1 FGG, §§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Soweit sich einzelne Wohnungseigentümer außerhalb der von § 29 Abs. 4 FGG i.V.m. § 22 Abs. 1 FGG vorgegebenen Frist dem Rechtsmittel angeschlossen haben, sind sie nicht selbst Rechtsmittelführer, sondern unterstützen als notwendige Verfahrensbeteiligte (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 WEG) diejenigen Wohnungseigentümer, die form- und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde eingelegt haben.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsteller hätten keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die beanstandete Nutzung ihres Teileigentums unterlässt. Die Nutzung der Wohneinheit als Seminar- und Veranstaltungsraum widerspreche nicht den Regelungen in der Teilungserklärung. Aus dieser ergebe sich, dass die Gesamtanlage vornehmlich der gewerblichen Nutzung durch den Fremdenverkehr dienen solle und die Wohnungseigentümer die Ferienwohnungen im Rahmen ihrer privaten Vermögensverwaltung zur zweckgebundenen touristischen Nutzung zur Verfügung zu stellen hätten. Die Regelung verlange nicht, die Wohneinheiten ausschließlich zur Vermietung als Ferienwohnungen zur Verfügung zu stellen. Es sei lediglich eine Nutzung erforderlich, die den touristischen Zweck der Gesamtanlage sicherstelle. Dies sei mit einer Nutzung als Seminarraum ebenso gewährleistet wie mit einer Nutzung als Ferienwohnung. Es entspreche gerade der touristischen Nutzung einer Wohnanlage, wenn dort auch Räumlichkeiten als Seminarraum zur Verfügung gestellt würden. Schließlich werde ein Teileigentum als Restaurant genutzt. Auch daraus werde deutlich, dass im Vordergrund das Gesamtkonzept der Anlage als Hotel- bzw. Ferienwohnanlage stehe und dass die einzelnen Sondereigentümer ihre Wohnungen zu diesem Zweck nutzen müssten.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aufgrund einer unterschiedlichen Intensität der Nutzung. Es sei weder behauptet noch feststellbar, dass eine seminarmäßige Nutzung belastender sei, als wenn die Wohneinheit mit wechselnden Feriengästen belegt werde. Geräuschintensive Seminare habe es in der Vergangenheit nicht gegeben und seien auch in Zukunft nicht zu erwarten. Veranstaltungen in Zimmerlautstärke würden andere Bewohner jedoch nicht stärker als eine touristische Belegung stören. Die Kammer verkenne nicht, dass die Nutzung als Seminar- und Veranstaltungsraum unter Umständen eine höhere Fluktuation von Besuchern bei An- und Abreise, aber auch zu Beginn, in Pausen und am Ende von Veranstaltungen mit sich bringe. Diese höhere Belastung sei den anderen Bewohnern jedoch zumutbar. In einem als Ferienwohnanlage mit Hotel genutzten Gebäude sei es selbstverständlich, dass keine absolute Stille wie in einem Krankenhaus oder einer Seniorenresidenz herrschen könne und solle. An- und Abreisen von Gästen und die Nutzung gemeinschaftlicher Anlagen müssten hingenommen werden.

Schließlich werde die Wohneinheit Nr. 25 schon seit vielen Jahren als Seminarraum genutzt, was alle Wohnungseigentümer gewusst und hingenommen hätten. Eine wesentliche Änderung in der Nutzungsintensität sei nicht feststellbar. Ein etwa bestehender Unterlassungsanspruch sei deshalb verwirkt.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Gemäß der in der Teilungserklärung getroffenen allgemeinen Zweckbestimmung handelt es sich bei der Wohneinheit Nr. 25 um Wohnungseigentum, das gemäß seiner besonderen Zweckbestimmung (§ 1 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG) als Ferienwohnung zu nutzen ist. Eine Wohnung bildet die Summe der Räume, die die Führung eines Haushalts ermöglichen (Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 1 WEG Rn. 2). Sie dient dem Menschen dazu, seinen Lebensmittelpunkt zu gestalten. Ferienwohnungen, die wie die gegenständlichen mit Kochgelegenheit, Wasserversorgung und WC ausgestattet sind (vgl. Staudinger/Rapp WEG § 1 Rn. 4), unterscheiden sich davon nur insofern, als sie Wohnungen auf Zeit sind, ihre Belegung häufig wechselt und damit höhere Belastungen und Störungen einhergehen als bei einer von Eigentümern oder Mietern auf Dauer genutzten Wohnanlage (BayObLG NZM 2000, 1015; a.A. BayObLGZ 1978, 305; siehe auch Pick in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 13 Rn. 67).

Wird ein Wohnungseigentum zweckbestimmungswidrig genutzt, kann von jedem Wohnungseigentümer Unterlassung nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nur verlangt werden, wenn die zweckbestimmungswidrige Nutzung mehr stört oder beeinträchtigt als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer typisierenden Betrachtungsweise festgestellt werden. Dabei kann sich ein Unterlassungsanspruch insbesondere aus einer intensiveren Nutzung und den damit verbundenen weitergehenden Störungen und Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer ergeben (st. Rspr.; BayObLG NJW 1992, 917; 1992, 919; NJW-RR 1996, 464; NZM 2000, 1015; ZfIR 2001, 59). Die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse wie die Lage im Gebäude sind bei dieser Betrachtung miteinzubeziehen (Palandt/Bassenge § 15 WEG Rn. 14 m.w.N.).

b) Die Beschwerdekammer hat die Teilungserklärung dahin ausgelegt, dass die Wohnungen zweckgebunden zur touristischen Nutzung zur Verfügung stehen müssten, dies aber nicht ausschließlich durch Vermietung an Feriengäste zu geschehen habe. Der Senat, der die Teilungserklärung selbständig auslegt, folgt dieser Auslegung nicht. Die Teilungserklärung unterscheidet ausdrücklich zwischen Wohnungen (Ferienappartements; siehe Anlage III Teil I unter 1.1.1) und Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten, wie z.B. dem Restaurant (Nr. 27). Wenn auch die Einheiten ihrer Zweckbestimmung zufolge insgesamt touristisch zu nutzen sind, soll nach der Teilungserklärung sich diese Nutzung der 26 Appartements durch Bewohnen verwirklichen, nicht jedoch durch anderweitige Nutzungsformen, die typischerweise in gewerblich genutzten Räumen (Teileigentum nach § 1 Abs. 3 WEG) stattfinden.

c) Auch die Feststellung der Kammer, dass die seminarmäßige Nutzung der Wohneinheit Nr. 25 nicht mehr stört als eine Nutzung durch Vermietung an Feriengäste, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

(1) Das Landgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Nutzung als Seminarraum nicht geräuschintensiver sei als eine Nutzung durch eine Vermietung an Gäste. Es ist dabei davon ausgegangen, dass eine Seminarnutzung schon seit vielen Jahren stattgefunden habe und auch nach Darstellung von Wohnungseigentümern in der mündlichen Verhandlung keine Geräuschentwicklung über Zimmerlautstärke bisher vorgekommen und künftig zu erwarten sei.

Das Landgericht hat jedoch nicht hinreichend aufgeklärt (§ 12 FGG), ob die Wohneinheit tatsächlich in der Vergangenheit bereits als Seminar- und Unterrichtsraum genutzt wurde. Die Antragsgegnerin hat dies so zwar angegeben. Dagegen spricht jedoch ihr eigenes Verhalten, nämlich erst im Jahr 2001 bei der Gemeinde um eine Zustimmung zur Nutzungsänderung nachgesucht zu haben. Hingegen haben die Antragsteller behauptet, eine seminarmäßige Nutzung habe, jedenfalls nach 1996, nur in einem Gemeinschaftsraum im Untergeschoß des Gebäudes stattgefunden.

Deshalb tragen auch die vom Landgericht herangezogenen Werbeprospekte jedenfalls ohne weitere Feststellungen nicht den Schluss, in der Wohnung Nr. 25 hätten schon über viele Jahre hin Seminare stattgefunden. Gleiches gilt für die in der Eigentümerversammlung vom 15.6.1996 unter Tagesordnungspunkt 10 aufgeworfenen Fragen zur seminarmäßigen Nutzung. Das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 15.5.2001 lässt sogar eher darauf schließen, dass die Einheit erst künftig anders genutzt werden solle.

(2) Nicht rechtsfehlerfrei sind auch die Feststellungen des Landgerichts zur Geräuschentwicklung durch eine seminarmäßige Nutzung des Wohnungseigentums. Dass die Geräuschentwicklung nicht größer sei als im Fall der Vermietung an Feriengäste, leitet das Landgericht im Wesentlichen aus Erklärungen einzelner Wohnungseigentümer ab, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht persönlich zugegen waren. Abgesehen davon, dass eine der als Wohnungseigentümer im Protokoll bezeichneten Personen nicht als Wohnungseigentümer in der Eigentümerliste aufgeführt ist, stellt das Landgericht auch nicht fest, ob deren Sondereigentum nach Lage im Gebäude (BayObLG ZMR 1980, 125/127) überhaupt einen Bezug zum Wohnungseigentum der Antragsgegnerin aufweist, dort also Geräuscheinwirkungen durch eine Seminartätigkeit üblicherweise wahrzunehmen sind. Bei einer Wohnanlage nicht unbeachtlicher Größe kann dies durchaus erheblich sein.

c) Die landgerichtliche Entscheidung kann auch nicht deshalb Bestand haben, weil der Unterlassungsanspruch verwirkt ist (§ 242 BGB). Denn eine etwaige Verwirkung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn eine langjährig widerspruchsfreie seminarmäßige Nutzung des Wohnungseigentums Nr. 25 feststeht.

d) Das Landgericht wird erneut darüber zu entscheiden haben, ob die Nutzung des Wohnungseigentums Nr. 25 als Seminar- und Schulungsraum mehr stört als eine Vermietung an wechselnde Feriengäste. Dabei wird vom Grundsatz auszugehen sein, dass eine Wohnnutzung, auch wenn die Belegung wiederholt wechselt, im Allgemeinen weniger störend ist als eine gewerbliche durch Seminarbelegung. Beachtlich dürfte insbesondere sein, dass die Ferienappartements für 1 bis 6 Personen eingerichtet sind, die Raumeinheit der Antragsgegnerin, wenn sie als Seminarraum genutzt wird, hingegen mit 20 bis 25 Personen belegt werden kann. Dies bedingt typischerweise auch eine erhöhte Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen, wie etwa des Treppenhauses, und kann, generalisierend betrachtet, stärker beeinträchtigen als ein Bewohnen durch Feriengäste. Eine Rolle spielen kann auch die Lage der Wohnung im Gebäude. Die Antragsteller zu 1, die auch zum Kreis der Rechtsbeschwerdeführer gehören, tragen vor, mit ihrem Appartement unmittelbar benachbart zu sein. Dann kann, je nach Gestaltung des Zugangsbereichs zu den einzelnen Appartements, jedenfalls für diese eine Seminarnutzung der Nachbarräume störend und nicht hinnehmbar sein. Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass die bauliche Anordnung des als Gaststätte betriebenen Teileigentums sowie der Wohnungen der Antragsteller zu 1. und der Antragsgegnerin situationsbedingt stärkeren Störungen ausgesetzt sind als andere Wohneinheiten in der Anlage und deshalb unter diesem Gesichtspunkt ein von der Teilungserklärung abweichender Gebrauch zulässig erscheinen kann. Das Landgericht wird dies mit Hilfe geeigneter Beweismittel, gegebenenfalls eines Augenscheins, noch aufzuklären haben.

3. Eine Kostenentscheidung ist derzeit nicht veranlasst. Das Landgericht wird abschließend auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

Zurück