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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.06.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 36/02
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 43 Abs. 1
ZPO § 50
In einem Wohnungseigentumsverfahren ist in jeder Lage des Verfahrens die Beteiligtenfähigkeit des Antragsgegners von Amts wegen zu prüfen.
Gründe:

I.

Die Antragsteller sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage. Bei den beiden Antragsgegnerinnen handelt es sich um Handelsgesellschaften, die bis 9.5.2000 als Gesellschafter bürgerlichen Rechts Wohnungseigentümer in der Wohnanlage waren. Die Antragsgegnerin zu 1 ist eine Aktiengesellschaft; die Antragsgegnerin zu 2 hat ihren Sitz im Ausland.

Die Antragsteller haben am3.2.1999 beantragt, die Antragsgegnerinnen zur Zahlung von Wohngeld in Höhe von insgesamt 704895 DM nebst Zinsen zu verpflichten. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 26.4.1999 stattgegeben; das Landgericht hat durch Beschluss vom 17.11.2000 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen verworfen. Auf deren sofortige weitere Beschwerde hat der Senat am 24.1.2001 (ZMR 2001, 369) die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben, den Antrag wegen eines 670079 DM übersteigenden Betrages abgewiesen und im übrigen die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die Antragsteller haben ihren Antrag daraufhin auf 574564 DM ermäßigt.

Die Verfahrensbevollmächtigten der ' Antragsgegnerinnen haben vorgetragen, die beiden Gesellschaften seien aufgelöst und im Februar 2000 in den maßgeblichen Registern gelöscht worden.

Das Amtsgericht hat am 2.7.2001 die Antragsgegnerin zu 2 gesamtverbindlich neben der Antragsgegnerin zu 1 zur Zahlung von 574564 DM nebst Zinsen an die Antragsteller verpflichtet und den Antragsgegnerinnen die gesamten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten auferlegt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 26.3.2002 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen und diese verpflichtet, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsgegnerinnen mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Lediglich die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wird abgeändert.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Antragsteller hätten schlüssig vorgetragen, dass die Antragsgegnerinnen einen Bereicherungsanspruch gegen ihre frühere Steuerberaterin hätten, weil diese aufgrund ihrer dinglichen Sicherung an Teileigentum der Antragsgegnerinnen bei Verteilung des Kaufpreises wesentlich mehr erhalten habe, als ihr zugestanden hätte. Der Zahlungsantrag sei daher nach wie vor trotz Löschung der Gesellschaften in den Registern zulässig.

Der Zahlungsanspruch sei auch begründet. Die Antragsgegnerinnen hätten ihre Einwendungen gegen die Eigentümerbeschlüsse, durch die die Jahresabrechnungen 1996 bis 1999 genehmigt worden seien, geltend machen müssen. Diese Eigentümerbeschlüsse seien bestandskräftig geworden.

2. Die Entscheidung hält in der Hauptsache der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu dem die Wohnungseigentumssachen gehören (§ 43 Abs. 1 WEG), ist die Beteiligtenfähigkeit als Voraussetzung der Verfahrensfähigkeit eine Verfahrensvoraussetzung, die das Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat. Die Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit entspricht der Partei- und Prozessfähigkeit im Zivilprozess (Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 13 Rn. 52). Das Fehlen oder der Wegfall der Beteiligtenfähigkeit eines Antragsgegners macht das Verfahren und damit den Antrag unzulässig.

Die Partei- und Beteiligtenfähigkeit juristischer Personen des Privatrechts in der Form von Handelsgesellschaften endet mit dem Erlöschen der Gesellschaft. Die bloße Auflösung oder Löschung in den maßgeblichen Registern führt noch nicht zur Beendigung der Gesellschaft, ist aber ein deutlicher Hinweis darauf (Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 50 Rn. 3 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Auch eine gelöschte Gesellschaft ist als beteiligungsfähig anzusehen, wenn noch Vermögenswerte vorhanden sind. Maßgeben für den Wegfall der Beteiligtenfähigkeit ist die völlige Vermögenslosigkeit, so dass keinerlei Abwicklungsbedarf mehr besteht. Soweit noch Vermögenswerte vorhanden sind, kann auch eine aufgelöste und abgewickelte sowie in den Registern gelöschte Gesellschaft noch in Anspruch genommen werden und ist ihre Verfahrensfähigkeit zu bejahen (Zöller/Vollkommer 4a, Musielak/Weth ZPO 3. Aufl. Rn. 18, MünchKomm/Lindacher ZPO 2. Aufl. Rn. 15, Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. Rn. 34b, 34c, jeweils zu § 50).

b) Beide Antragsgegnerinnen sind nach dem Vortrag ihrer Verfahrensbevollmächtigten in den maßgebenden Registern gelöscht. Es kann dahinstehen, ob für die fortbestehende Beteiligten- und damit Verfahrensfähigkeit allein die Behauptung der Antragsteller ausreicht, es seien noch Vermögenswerte der Antragsgegnerinnen in Form von Ansprüchen gegen Dritte vorhanden (vgl. BGHZ 48, 303/307; Musielak/Weth 50 Rn. 18), oder wenigstens eine Wahrscheinlichkeit hierfür gegeben sein muss. Denn letzteres ist der Fall. Die Antragsteller haben im einzelnen dargetan, dass die Antragsgegnerinnen Ansprüche gegen ihre frühere Steuerberaterin haben und aus welchem Rechtsverhältnis sich diese Ansprüche ergeben. Darüber hinaus haben sie bereits im Jahr 2000 diese Ansprüche gepfändet.

Damit spricht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Bestehen solcher Ansprüche. Dies reicht aus, um eine fortbestehende Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit der Antragsgegnerinnen anzunehmen. Der volle Nachweis für das Bestehen der behaupteten und von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen bestrittenen Ansprüche kann nicht verlangt werden. Es ist auch nicht ersichtlich, wie dieser Nachweis im vorliegenden Verfahren geführt werden sollte. Der Bundesgerichtshof hat in einem von ihm entschiedenen Fall seine Überzeugung von dem Bestehen von Vermögenswerten allein auf eine Äußerung der Gesellschafter in einem anderen Verfahren, die Liquidation der Gesellschaft sei noch lange nicht abgeschlossen, gegründet.

c) Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts, das sämtliche Kosten den Antragsgegnerinnen auferlegt hat, erscheint ermessensfehlerhaft. Die Antragsteller haben ihren ursprünglichen Zahlungsantrag über 704000 DM nach teilweiser Abweisung durch den Senat auf etwa 574000 DM ermäßigt. Es erscheint im Hinblick darauf angemessen, dass sie die Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht sowie des ersten Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu 1/5 tragen und es für beide Beschwerdeverfahren dabei verbleibt, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

3. Die Kostenentscheidung für das zweite Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG. Der Geschäftswert wird für dieses Verfahren gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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