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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 38/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 1
Eine Eigentümergemeinschaft kann eine im Gemeinschaftseigentum stehende Grundstücksfläche nicht zur Gemeindestraße erklären
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die als Hotel betrieben und von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Der Zugang zum Hotel erfolgt über einen Privatweg, der im Eigentum der Wohnungseigentümer steht.

Die Rechtsvorgängerin der Wohnungseigentümer, eine Bauherrengemeinschaft, verpflichtete sich im Erschließungsvertrag mit der Stadt, die nach dem Bebauungsplan für die Erschließungsanlagen erforderlichen Flächen, soweit sie in ihrem Eigentum stehen, der Stadt zur Verfügung zu stellen und kosten- und lastenfrei zu übertragen. Mit Verfügung vom 28.10.1996 widmete die Stadt den Privatweg als Ortsstraße.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 1.4.2000 waren 76.298/100.000 Anteile vertreten. Die Wohnungseigentümer beschlossen zu Tagesordnungspunkt (TOP) 6 (Widmung des Privatwegs):

a) Beauftragung des Verwalters zur Zustimmung der Widmung

Der Verwalter wird bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bei einer Gegenstimme beauftragt, die Zustimmung zur Widmung der Grundstücksflächen an dem Privatweg zu erklären.

b) Beauftragung des Verwalters zur Anerkennung der Widmung

Der Verwalter wird bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einstimmig beauftragt, die Anerkennung zur Widmung der Grundstücksfläche an dem Privatweg zu erklären.

Der Antragsteller hat am 25.4.2000 beantragt, die Nichtigkeit der Eigentümerbeschlüsse festzustellen, hilfsweise die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14.9.2000 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 13.3.2002 die sofortige Beschwerde des Antragstellers verworfen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ein Vollzug der Eigentümerbeschlüsse komme nicht mehr in Betracht. Eine Zustimmung oder Anerkennung des Verwalters hinsichtlich der Widmung der Grundstücksflächen sei nicht mehr erforderlich. Die Stadt habe nämlich mit Schreiben vom 31.1.2001 mitgeteilt, dass sie von einer wirksamen Widmung ausgehe und sie die Widmungsverfügung der Stadt vom 28.10.1996 als bestandskräftig betrachte.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Verfahren hat sich in der Hauptsache in der Beschwerdeinstanz nicht erledigt. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts war deshalb zulässig. Die Hauptsacheerledigung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; sie tritt ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Änderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, fortgefallen ist (BayObLG WE 1990, 142 f.). Dies trifft hier nicht zu. Verfahrensgegenstand ist der Auftrag der Wohnungseigentümer an den Verwalter, die Zustimmung zur Widmung oder die Anerkennung der Widmung zu erklären. Die Hauptsache hätte sich nur dann erledigt, wenn ein weiteres Tätigwerden des Verwalters nicht mehr in Betracht käme. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Nach Art. 6 Abs. 3 BayStrWG setzt die Widmung voraus, dass der Träger der Straßenbaulast das dingliche Recht hat, über das der Straße dienende Grundstück zu verfügen, oder dass der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt hat. Der Antragsteller trägt vor, er habe der Widmung nicht zugestimmt. ob bei Fehlen der Widmungsvoraussetzungen die Nichtigkeit der Widmungsverfügung anzunehmen ist, ist umstritten (vgl. Zeitler 3. Aufl. Stand April 2001 BayStrWG Art. 6 Rn. 32). Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 15.4.2002 bei der Stadt den Antrag gestellt, gemäß § 44 Abs. 1 BayVwVfG die Nichtigkeit der Widmungsverfügung festzustellen, hilfsweise gemäß Art. 51 BayVwVfG das Verfahren wieder aufzugreifen. Bei dieser Sachlage kann nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Tätigwerden des Verwalters aufgrund der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse nicht mehr veranlasst ist.

b) Ein trotz absoluter Beschlussunzuständigkeit gefasster Eigentümerbeschluss ist nichtig (BGH NJW 2000, 3500). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Als Voraussetzung zur Widmung genügt auch die Zustimmung des Eigentümers. Der Erwerb des Eigentums oder eines dinglichen Rechts durch den Straßenbau lastträger ist daneben nicht erforderlich. Die Notwendigkeit der Zustimmung folgt aus dem Rechtscharakter der Widmung, die das Privateigentum nur überlagert und modifiziert, nicht aber inhaltlich verändert. Die Zustimmung zur Widmung ist eine dem öffentlichen Recht angehörende empfangsbedürftige Willenserklärung (Zeitler BayStrWG Art. 6 Rn. 19). Durch die Widmung wird die im privaten Eigentum stehende Straße einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt und eine öffentliche Sachherrschaft begründet. Die Beschränkung des Eigentums bzw. der aus dem Eigentum fließenden Herrschafts- und Verfügungsrechte (vgl. § 903 BGB) durch die öffentliche Zweckbestimmung geht so weit, als dies im Hinblick auf die im Rahmen der Widmung bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks als Straße notwendig ist. Der Grundstückseigentümer der Straße hat danach einerseits alle Einschränkungen zu dulden, die im Rahmen des Gemeingebrauchs und der Straßenbaulast liegen oder sich aus dem Zweck des Weges und den Anforderungen des öffentlichen Verkehrs ergeben, andererseits darf er von seinem Eigentum nicht in einer der öffentlichen Zweckbestimmung der Straße zuwiderlaufenden Weise Gebrauch machen. Die durch die Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft lastet als eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit auf dem privaten Eigentum (Zeitler BayStrWG Art. 6 Rn. 2 und 70).

Es kann offen bleiben, ob die Zustimmung der Wohnungseigentümer zur Widmung oder die Anerkennung einer Widmung schon nach der Kernbereichstheorie (vgl. BGHZ 127, 99/105) der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer entzogen ist. Jedenfalls kann eine Angelegenheit, die wie hier weder durch das WEG noch durch Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen ist, nicht durch Mehrheitsbeschluss geregelt werden. Die Wohnungseigentümerversammlung ist für eine Beschlussfassung in einem solchen Fall absolut unzuständig (vgl. BGH NJW 2000, 3500/3502).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

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