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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.06.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 44/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
Verwirft das Landgericht eine Beschwerde wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts, muss es die von ihm angenommene Höhe des Beschwerdewerts nachvollziehbar begründen. Stellt das Landgericht die für die Festsetzung des Beschwerdewerts maßgeblichen Tatsachen nicht rechtsfehlerfrei fest, führt dies zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Gründe:

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus zwei Wohnungen besteht. Die Wohnung im Erdgeschoss gehört den Antragsgegnern, die Wohnung im ersten Obergeschoss dem Antragsteller. Vor der Erdgeschosswohnung befindet sich eine Terrasse.

Die Beteiligten streiten, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse ist, darüber, ob die Antragsgegner zur Duldung der Nutzung der Terrassenfläche durch den Antragsteller oder dessen Mieter verpflichtet sind.

Das Amtsgericht hat den diesbezüglichen Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 15.8.2002 zurückgewiesen und den Geschäftswert insoweit auf 250 EUR festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den Geschäfts- sowie den Beschwerdewert betreffend die Nutzung der Terrassenfläche auf 3000 EUR festzusetzen. Das Landgericht hat am 1.3.2003 den Geschäftswert auf 700 EUR festgesetzt, die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts als unzulässig verworfen und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 700 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels wird nicht durch § 31 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO in Frage gestellt. Das Landgericht hat zwar in Nr. I seines Beschlusses den Geschäftswert auf 700 EUR festgesetzt und sodann den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren in Nr. IV erneut auf 700 EUR festgesetzt. Nr. I des angegriffenen Beschlusses kann jedoch nicht dahin ausgelegt werden, dass das Landgericht auf die Beschwerde des Antragstellers die Geschäfts-Wertfestsetzung durch das Amtsgericht abgeändert hat. Eine solche Abänderung war vom Antragsteller auch nicht beantragt. Der Antragsteller hat lediglich hilfsweise gegen die Geschäftswertfestsetzung durch das Amtsgericht Beschwerde eingelegt. Primär hat er beantragt, den Geschäfts- und Beschwerdewert festzusetzen, und in der Sache gegen die Entscheidung des Amtsgerichts bezüglich der Terrassennutzung sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat zur Geschäftswertfestsetzung auch keinerlei Ausführungen gemacht, so dass nicht einmal mit hinreichender Sicherheit erkannt werden kann, ob sich die Nr. I des angefochtenen Beschlusses tatsächlich auf den Geschäftswert oder auf den Beschwerdewert bezieht.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers sei als unzulässig zu verwerfen, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR nicht übersteige. Ein höheres Interesse des Antragstellers sei nicht gegeben. Wie aus den vorliegenden Lichtbildkopien ersichtlich sei, handle es sich bei der Terrassenfläche im Verhältnis zu der des Gartens um den wesentlich kleineren Teil des gesamten Grundstücks. Der Umstand, dass die Terrasse von der Küche der Erdgeschosswohnung aus direkt begehbar sei, verbiete die Annahme eines besonderen Nutzungsinteresses der Nutzer der Wohnung im ersten Obergeschoss. Es sei nicht der Grundstückswert, sondern das Nutzungsinteresse der Beteiligten maßgeblich.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der Beschwerdewert bemisst sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 119, 216/218) und der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BayObLGZ 1990, 141; ZMR 2002, 535) allein nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens (§ 48 Abs. WEG) ist nicht maßgeblich. Diese Grundsätze hat das Landgericht bereits im Ansatz nicht beachtet, da es auf das Nutzungsinteresse der (aller) Beteiligten abgestellt hat.

b) Bei der Festsetzung des Beschwerdewerts handelt es sich um eine Wertfestsetzung entsprechend § 3 ZPO, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann (BayObLG ZMR 2003, 215; BGH NJW-RR 2001, 1571 für das Revisionsverfahren).

Die Ermittlung des Beschwerdewerts durch das Landgericht ist rechtsfehlerhaft, da sie gegen Denkgesetze verstößt.

Soweit das Landgericht die Feststellung trifft, dass es sich bei der Terrassenfläche im Verhältnis zur Gartenfläche um den wesentlich kleineren Teil des gesamten Grundstücks handelt, ist nicht nachvollziehbar, welcher Schluss hieraus auf das Nutzungsinteresse des Antragstellers gezogen werden kann. Das Landgericht hat nämlich keinerlei Feststellungen zur tatsächlichen Größe des Gesamtgrundstücks und zur Größe der Terrasse getroffen. Die Mitbenutzung einer großen Terrasse kann durchaus ein höheres Interesse begründen, als die Mitbenutzung einer nur kleinen Terrasse. Davon abgesehen ist nicht nachvollziehbar, wie das Landgericht die von ihm getroffene Feststellung aus den Lichtbildkopien ableiten will. Auf diesen Kopien ist nur schwerlich überhaupt etwas zu erkennen, insbesondere ist für den Senat nicht nachvollziehbar und auch vom Landgericht nicht dargelegt, wie aus diesen Lichtbildern auf die Größenverhältnisse von Terrasse und Garten geschlossen werden können soll.

Nicht nachvollziehbar ist auch, warum der Umstand, dass die Terrasse von der Küche der Erdgeschosswohnung aus direkt begehbar ist, die Annahme eines besonderen Nutzungsinteresses durch den Nutzer der Obergeschosswohnung verbieten soll. Zwar liegt es auf der Hand, dass derjenige, der einen unmittelbaren Zugang zur Terrasse von der Wohnung aus hat, diese bequemer erreichen und damit auch nutzen kann, als ein Bewohner, dem ein solcher unmittelbarer Zugang nicht zur Verfügung steht. Unstreitig kann jedoch die Terrasse auch auf andere Weise erreicht werden. Warum allein der Zugang über einen anderen Weg ein nur geringes Nutzungsinteresse begründen soll, kann nicht nachvollzogen werden.

c) Der Senat kann zur Höhe des Beschwerdewerts nicht abschließend entscheiden, da das Landgericht hierzu keine verwertbaren Tatsachenfeststellungen getroffen hat, die eine endgültige Bewertung des Interesses des Antragstellers zuließen. Die Sache war deshalb zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

4. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist auf 3000 EUR festzusetzen. Maßgeblich ist hierfür das Interesse aller Beteiligter (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG). Dabei fällt insbesondere das Interesse der Antragsgegner ins Gewicht. Durch eine Mitbenutzung der Terrasse durch dritte Personen würde nämlich nicht nur deren behauptetes Alleinbenutzungsrecht eingeschränkt. Es würde auch der Wohnwert der Erdgeschosswohnung als solcher beeinträchtigt. Die Erdgeschosswohnung, der eine Terrasse vorgelagert ist, die nur von den Bewohnern dieser Wohnung genutzt werden kann, wird im Verkehr erheblich höher bewertet, als eine Wohnung, der eine Fläche vorgelagert ist, die auch von dritten Personen benutzt werden kann, da der Aufenthalt anderer Personen unmittelbar vor einer Wohnung als störend empfunden wird.

Ende der Entscheidung

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