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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.07.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 45/03
Rechtsgebiete: BGB, RBerG, WEG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 171
BGB § 172
BGB § 173
RBerG Art. 1 § 1 Satz 1
WEG § 16 Abs. 2
1. Die Nichtigkeit eines Treuhandvertrags gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG hat die Unwirksamkeit auch des vom Treuhänder namens des Erwerbers abgeschlossenen Vertrags mit dem Bauträger zur Folge, sofern dieser, wie in der Regel, in die maßgebliche Konzeption des Geschäftsvorgangs mit eingebunden ist. Der Bauträger kann sich in diesem Fall auch nicht auf §§ 171, 172 BGB berufen.

2. Ein Bedürfnis für die Anwendung der Regeln über die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft kann jedenfalls für Zeiträume geboten sein, die vor dem Bekanntwerden der verschärften Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Nichtigkeit von Treuhandverträgen im Rahmen eines Bauträgermodells liegen.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Erwerber von Wohnungseigentum. Die Anlage besteht aus einem in Appartements als Sondereigentum aufgeteilten Hotelgebäude. Die Errichtung vollzog sich im Wesentlichen folgendermaßen:

Zwischen den Erwerbern auf der einen Seite und einer Steuerberatungsgesellschaft als sogenanntem Treuhänder auf der anderen Seite wurde ein Treuhandvertrag abgeschlossen, in dem dem Treuhänder zugleich Auftrag und Vollmacht erteilt wurden, für die Erwerber einen Bauträgerkaufvertrag (im Folgenden Bauvertrag) über ein Hotel-Appartement, einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Hotelbetriebsgesellschaft, einen Mietvertrag mit dieser Gesellschaft sowie einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Gesellschaft und einem für diese tätigen Geschäftsbesorger abzuschließen. Der Treuhänder wurde dem gemäß tätig. Das Hotelgebäude ist errichtet. Die Teilungserklärung stammt vom 15.12.1994. Für die Antragsgegner als Erwerber wurde am 22.5.1995 im Grundbuch eine Eigentumsvormerkung eingetragen. Nach dem Kaufvertrag gehen Besitz, Nutzen, Lasten, Steuern, Abgaben und Gefahr am Tag der Abnahme auf den Käufer über. Abzunehmen ist das Objekt vor Bezug bei einer gemeinsamen Besichtigung durch Verkäufer und Käufer. Weil die Antragsgegner vorgeschlagenen Abnahmeterminen nicht nachkamen, ließ der Bauträger das Wohnungseigentum, wie vertraglich vorgesehen, von einem vom Treuhänder beauftragten Bausachverständigen am 2.8.1996 abnehmen. Eine Eigentumsumschreibung auf die Erwerber hat bisher in keinem Fall stattgefunden.

Die Antragsteller verlangen nunmehr von den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern die Zahlung rückständigen Wohngelds aus den beschlossenen Jahresabrechnungen 1998 (1919,73 DM), 1999 (1923,57 DM) sowie Vorauszahlungen gemäß dem bestandskräftigen Wirtschaftsplan für das Jahr 2000 (1949,26 DM). Die Antragsgegner stellen in Abrede, wirksam Mitglieder einer (werdenden oder in Vollzug gesetzten) Eigentümergemeinschaft geworden zu sein. Sie behaupten insbesondere, die Vollmacht für den Treuhänder schon vor der Abnahme wirksam widerrufen gehabt zu haben.

Das Amtsgericht hat am 10.6.2002 die Antragsgegner samtverbindlich antragsgemäß verpflichtet, an die Antragsteller Wohngeldrückstände in Höhe von 2961,69 EUR zuzüglich Zinsen zu entrichten. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner blieb erfolglos. Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 15.11.2002 richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Es könne ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil eine gütliche Einigung aussichtslos erscheine und eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich sei. Die Antragsgegner seien als Mitglieder einer werdenden oder faktischen Wohnungseigentümergemeinschaft zu Wohngeldzahlungen verpflichtet. Es bestehe ein Bedürfnis und es sei auch sachgerecht, die Regeln über die Kostentragung des gemeinschaftlichen Eigentums hier entsprechend für den Zeitraum anzuwenden, der zwischen dem vollständigen Eigentumserwerb und dem Übergang von Besitz, Nutzen, Lasten, Steuern und Abgaben bestehe. Ein Besitzübergang auf die Antragsgegner habe stattgefunden. Der Vollmachtswiderruf ändere nichts an der Wirksamkeit der Abnahme, deren Gestaltung auf dem nicht angegriffenen Kaufvertrag beruhe. Ob der Treuhandvertrag nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu treuhandabgewickelten Bauträgerverträgen wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG nichtig sei, müsse nicht abschließend geklärt werden. Denn jedenfalls sei eine Einschränkung gemäß § 242 BGB geboten. Maßgeblich hierfür sei, dass die Rechtsprechung tief in weitgehend abgeschlossene Vorgänge eingreife und der Schutz des Vertrauens von Beteiligten in die Fortdauer der bisherigen Rechtsprechung eine abweichende Beurteilung rechtfertige. Ein solcher Vertrauensschutz komme hier den übrigen Wohnungseigentümern zugute, die bis zum Jahr 2000 vom Bestand der Geschäftsbesorgungs- und Treuhandverträge hätten ausgehen können. Deshalb sei es nicht gerechtfertigt, die Antragsgegner für "Altschulden" zu Lasten der übrigen Beteiligten aus ihrer Zahlungspflicht zu entlassen. Schließlich hätten die Antragsgegner auch bisher nichts unternommen, um die Rückabwicklung der verschiedenen Verträge herbeizuführen. Eine mögliche Nichtigkeit könne allenfalls Wirkung in die Zukunft haben. Schließlich erstrecke sich das im Raum stehende Verbot des Art. 1 § 1 RBerG in der Regel auch nicht auf Verträge zwischen den Antragsgegnern als Auftraggebern und dem Bauträger, einem Dritten, wenn sie ein Rechtsbesorger unzulässig vermittelt habe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass die Antragsgegner dann, wenn sie Mitglieder einer werdenden (oder faktischen) Wohnungseigentümergemeinschaft geworden sind, entsprechend § 16 Abs. 2 WEG auch zur Zahlung von Wohngeld verpflichtet wären. Voraussetzung dafür ist, dass die Wohnungsgrundbücher angelegt sind, für einen Ersterwerber die Eigentumsvormerkung eingetragen ist und er an "seiner" Wohnung, z. B durch die vereinbarte Abnahme, Besitz erlangt hat (BayObLGZ 1990, 101/103; KG NZM 2003, 400/401; OLG Karlsruhe ZMR 2003, 374/375; Müller Praktische Frage des Wohnungseigentums 3. Aufl. Rn. 292). Erst mit der Möglichkeit, das Wohnungseigentum auch bewohnen zu können und damit tatsächlich zu nutzen oder durch Dritte., etwa innerhalb eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 868 BGB), nutzen zu lassen, entsteht das Bedürfnis zur Anwendung der wohnungseigentumsrechtlichen Regelungen. Ist die Wohnung zwar bewohnbar, aber vom Erwerber nicht in Besitz genommen, fehlt es noch an einer hinreichend klaren Eingliederung in die werdende Gemeinschaft. In diesem Fall gebietet es die Interessenlage nicht, den Erwerber so zu stellen, als wäre er Teilhaber der werdenden Gemeinschaft geworden (siehe auch BGH NJW 1994, 3352).

b) Nach dem Bauvertrag sollte das Vertragsobjekt vor Bezug bei einer gemeinsamen Besichtigung durch den Verkäufer, also den Bauträger, und die Antragsgegner als Käufer abgenommen werden. Kommt es nicht zum gemeinsamen Abnahmetermin, wird das Kaufobjekt von einem vom Treuhänder zu beauftragenden Bausachverständigen abgenommen. Diese Verfahrensweise wurde hier für die Abnahme gewählt. Sie findet ihre Grundlage im Bauvertrag. Ist aber der Bauvertrag unwirksam (§ 134 BGB), lässt sich mit der gewählten Abnahmeform eine Inbesitznahme durch die Antragsgegner in Form der Erlangung tatsächlicher Gewalt nicht begründen.

c) Das Landgericht hat die Abnahmewirkung gegenüber den Antragsgegnern im Wesentlichen mit der Wirksamkeit des Bauvertrags begründet. Dies ist von Rechtsfehlern beeinflusst.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträgermodells besorgt, der Genehmigung nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG; verfügt er darüber nicht, ist ein solcher Geschäftsbesorgu4gsvertrag nach § 134 BGB nichtig (BGH NJW 2001, 70). Die Nichtigkeit erstreckt sich auch auf die dem Treuhänder erteilte rechtsgeschäftliche Vollmacht (BGH NJW 2002, 2325/2326; BGH MIR 2003, 556), sei es, dass das Grundgeschäft und die Vollmacht ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinn von § 139 BGB bilden (BGH NJW 2002, 2325/2326), sei es, dass die Zweckrichtung des Rechtsberatungsgesetzes, Rechtssuchende vor unsachgemäßer Erledigung ihrer Rechtsangelegenheiten zu schützen, die Erstreckung ohnehin gebietet (BGH NJW 2002, 60; BGH MIR 2003, 556/557; 2003, 560/561 f.). Geschäftspartnern gegenüber kann eine nicht wirksam erteilte Vollmacht über die in §§ 171, 172 BGB geregelten Fälle hinaus aus allgemeinen Rechtsscheingesichtspunkten als wirksam zu behandeln sein, sofern das Vertrauen des Dritten auf den Bestand der Vollmacht an andere Umstände als die Vollmachtsurkunde anknüpft und nach den Grundsätzen über die Duldungsvollmacht schutzwürdig erscheint (BGH NJW 2002, 2325 ff.). Während die Frage der Schutzwürdigkeit von Vertragspartnern hauptsächlich mit Blick auf die vom Treuhänder zur Finanzierung eingeschalteten Kreditinstitute diskutiert wird (siehe BGH NJW 2002, 2325; Derleder ZfIR 2003, 177; Nittel NJW 2003, 2599), ist es im Wesentlichen unbestritten, dass sich jedenfalls ein Bauträger, der auf die Absatzorganisation einschließlich des unwirksamen Geschäftsbesorgungsvertrags wesentlichen Einfluss genommen (Derleder ZfIR 2003, 177/188) oder die maßgebliche Konzeption gar selbst entwickelt hat (Nittel NJW 20030 2599/ 2602), wegen § 173 BGB nicht auf den Schutz der §§ 171, 172 BGB berufen kann. In diesem Fall ist die enge Zusammenarbeit des Dritten (Bauträger) mit dem Rechtsbesorger als Beteiligung an der unzulässigen Rechtsbesorgung zu werten (BGH NJW 1998, 1955), so dass auch die Berufung auf einen Rechtsschein ausscheidet.

aa) Die Wirksamkeit des Treuhandvertrags ist am Maßstab des Rechtsberatungsgesetzes zu messen (BGH NJW 2003, 1594). Nach dem Vertrag, den der Senat selbst auslegen kann, hat der Treuhänder die Erwerber umfassend beim Erwerb und der sonstigen Abwicklung des Vertragsobjekts zu vertreten und insoweit seine Interessen wahrzunehmen, die unmittelbar oder mittelbar mit der Durchführung des Vorhabens und des Erwerbs zusammenhängen. Insbesondere hat er in diesem Rahmen sämtliche grundbuchrechtlichen Bewilligungen und Anträge abzugeben, darf mit der Eigentumsvormerkung hinter Finanzierungsgrundpfandrechte zurücktreten und bei einer Änderung der Teilungserklärung mitwirken. Er hat die dingliche Absicherung der Finanzierungsdarlehen zu übernehmen und darf den Erwerber persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen sowie gegenüber Banken Zweckbestimmungserklärungen abgeben. Er darf auch im Interesse der Durchführung des Gesamtobjekts für den Erwerber abgeschlossene Verträge wieder auflösen, falls die Finanzierung nicht nachgewiesen ist, und ist sogar berechtigt, die Löschung der Eigentumsvormerkung zugunsten des Erwerbers zu bewilligen und zu beantragen. Die steuerlichen Angelegenheiten übernimmt vollständig ein vom Treuhänder zu beauftragender Steuerberater. Der Treuhandauftrag hebt schließlich ausdrücklich hervor.. dass er sich auf den Abschluss der erforderlichen Verträge und die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Erwerbers gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner erstreckt. Vor allem bei Schwierigkeiten in der Durchführung des Vorhabens bringt die Vertragsgestaltung erheblichen Beratungsbedarf mit sich. Wesentliche Aufgabe des Treuhänders ist es, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen und konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Die Dienstleistungen verlangen damit, sofern sie sachgerecht erbracht werden sollen, erhebliche Rechtskenntnisse. Der entsprechende Vertrag unterliegt demnach dem Rechtsberatungsgesetz.

bb) Die bei den Akten befindlichen und ersichtlich einheitlich entwickelten und aufeinander abgestimmten Vertragsunterlagen sprechen dafür, dass der Bauträger als Eigentümer des Grundstücks von Anfang an in die maßgebliche Errichtungs- und Vertriebskonzeption eingebunden war. Zudem haben die Antragsgegner bislang unwidersprochen vorgetragen, dass der bevollmächtigte Treuhänder den einzelnen Interessenten der Wohnanlage vom Eigentümer des Grundstücks, also dem Bauträger, vorgeschlagen wurde. Ohne entgegenstehenden Vortrag tatsächlicher Art wird das Landgericht deshalb von einer Unwirksamkeit auch des abgeschlossenen Bauträgervertrags auszugehen haben.

cc) Auf die vertraglich vorgesehene Form der Abnahme käme es hingegen nicht an, sofern die Antragsgegner die Wohnung tatsächlich in Besitz genommen haben, etwa durch eigenen Bezug oder durch willentliche Nutzungsüberlassung an dritte Personen (vgl. § 868 BGB). Dazu würde es genügen, dass die Antragsgegner, wie vorgesehen, die Wohnung der damals noch zu gründenden Hotelbetriebsgesellschaft als Mieterin überlassen haben und im Gegenzug die monatliche Miete vereinnahmen. Die Antragsteller haben dazu einerseits nur unsubstantiiert vorgebracht, das Teileigentum werde auch genutzt, und andererseits erklärt, die Antragsgegner könnten ihr Teileigentum an die jetzige Betreiberin verpachten. Ob und wie die Wohnung genutzt wird, insbesondere wer Nutznießer ihrer Erträge ist, wird in einer mündlichen Verhandlung (§ 44 Abs. 1 WEG) aufzuklären sein (§ 12 FGG). Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegner ist es nicht erheblich, ob diese selbst an Eigentümerversammlungen teilgenommen und Beschlüsse mitgetragen oder abgelehnt haben.

d) Sollten sich die Voraussetzungen einer Inbesitznahme des Teileigentums feststellen lassen, bestehen keine Bedenken, den Antragstellern die für den fraglichen Zeitraum 1998 bis 2000 begehrten Hausgeldforderungen zuzusprechen. Dem stände insbesondere nicht die Unwirksamkeit der Erwerbsverträge entgegen. Im Gegensatz zu der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6.10.1994 (BGH NJW 1994, 3352) zugrunde lag, geht es hier nicht um die Haftung des faktischen Mitglieds einer in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern um die Haftung des Mitglieds einer faktischen Gemeinschaft. Ob anderes ab dem Zeitpunkt gilt, in dem das Entstehen einer Eigentümergemeinschaft endgültig unmöglich geworden ist, kann dahinstehen. Solange das Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft noch bezweckt war, ist die Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG sachgerecht. Davon kann jedenfalls bis zum Bekanntwerden der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur rechtlichen Abwicklung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträgermodells (BGH NJW 2001, 70) ausgegangen werden.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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