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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.05.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 51/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
Der Anspruch auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen setzt eine Wiederholungsgefahr voraus.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Dr. Delius und Lorbacher

am 11. Mai 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Beseitigung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 20. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer in einem Gewerbegebiet gelegenen Wohnanlage.

Den Antragstellern gehört ein Wohnhaus, an das ein Verkaufslager angebaut ist. Der Antragsgegnerin gehört ein Gewerbegebäude. Daran grenzt ein Grundstück an, das im Alleineigentum der Antragsgegnerin steht und auf dem vom Ehemann der Antragsgegnerin eine Spielothek betrieben wird.

In der Wohnanlage steht eine Fläche in der Form eines Dreiecks den Beteiligten zur gemeinschaftlichen Nutzung zu. Jeweils eine Seite dieser Fläche grenzt an die Straße, an die Sondernutzungsfläche der Antragsteller und an die Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin an.

An der Grenze zu dieser Gemeinschaftsfläche befindet sich auf der Sondernutzungsfläche der Antragsteller deren Verkaufslager. Im Jahr 1995 verfestigten und bepflasterten die Antragsteller die Gemeinschaftsfläche insoweit, als sie dies zur Schaffung eines Zugangs zum Verkaufslager als notwendig ansahen. Die Antragsgegnerin stimmte der Maßnahme zu.

Auf der Seite, an der die Gemeinschaftsfläche an die Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin grenzt, senkte sich die Gemeinschaftsfläche zu einer Mulde ab. Im Jahr 1998 schüttete die Antragsgegnerin ohne Zustimmung der Antragsteller die Mulde auf, ebnete sie zu einer befahrbaren Fläche ein und bepflasterte den Teil der Gemeinschaftsfläche, der bislang noch unbepflastert war. Die Antragsgegnerin stellte auf diese Weise eine befestigte Zufahrt zu ihrer Gewerbeeinheit her. Vorher erfolgte die Zufahrt zu ihrer Einheit über das in ihrem Alleineigentum stehende Nachbargrundstück.

Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegnerin zur Beseitigung der von ihr vorgenommenen baulichen Maßnahmen zu verpflichten. Hilfsweise haben sie beantragt, es der Antragsgegnerin zu untersagen, bei Meidung von Ordnungsmitteln Schwer- oder Publikumsverkehr über die Gemeinschaftsfläche zu ihrer Gewerbeeinheit und zu dem in ihrem Alleineigentum stehenden Nachbargrundstück zuzulassen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10.2.1999 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 20.2.2001 die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegnerin könne gemäß § 21 Abs. 4 WEG von den Antragstellern die Zustimmung zu den von ihr getroffenen Maßnahmen verlangen. Die Gemeinschaftsfläche diene nämlich ersichtlich für beide Sondernutzungsflächen als Zufahrt von der Straße aus. Davon sei auch das Landratsamt ausgegangen. Ein anderer Sinn und Zweck der Gemeinschaftsfläche sei weder ersichtlich noch vorgetragen. Die ordnungsmäßige Instandsetzung der Gesamtfläche verlange deren vollständige Bepflasterung samt allen notwendigen Vor- und Nebenarbeiten. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Antragsgegnerin ihr Teileigentum gewerblich nutze und Lastkraft- und Schwerlastverkehr auf der Zufahrt nur möglich sei, wenn diese entsprechend ausgebaut sei.

Die Zulassung von Schwerkraft- und Publikumsverkehr über die Gemeinschaftsfläche zum Teileigentum der Antragsgegnerin stelle keinen übermäßigen Gebrauch der Gemeinschaftsfläche dar. Dies ergebe sich aus der Bestimmung der Gemeinschaftsfläche als Zufahrt und dem Umstand, dass das Grundstück in einem Gewerbegebiet liege und die gewerbliche Nutzung der Einheit durch die Antragsgegnerin einen solchen Verkehr üblicherweise mit sich bringe. Die Zugangsmöglichkeit zum Gebäude der Antragsteller werde durch die Nutzung der Antragsgegnerin nicht beeinträchtigt. Ohne Belang sei, dass die Antragsteller ihren Pkw nicht wie früher auf der Gemeinschaftsfläche abstellen könnten; die Antragsteller könnten diese Fläche nicht nach freiem Belieben nutzen, sondern nur mit Rücksicht darauf, dass über diese Fläche auch die Zufahrt zum Teileigentum der Antragsgegnerin stattfinde. Schließlich könne die Antragsgegnerin auch nicht darauf verwiesen werden, die Zufahrt zu ihrer Sondernutzungsfläche weiterhin über das in ihrem Eigentum stehende Nachbargrundstück zu eröffnen.

Auch der Hilfsantrag, es der Antragsgegnerin zu untersagen, den von den Antragstellern näher bezeichneten Verkehr über die Gemeinschaftsfläche zu dem im Alleineigentum der Antragsgegnerin stehenden Nachbargrundstück zuzulassen, habe keinen Erfolg. Voraussetzung für einen solchen Unterlassungsanspruch sei, dass in der Vergangenheit ein solcher Verkehr auf der Gemeinschaftsfläche stattgefunden habe. Dies sei aber nicht der Fall. Die Antragsgegnerin habe bestritten, dass es einen solchen Verkehr über die Gemeinschaftsfläche gegeben habe. Dabei habe sie insbesondere auf die geräumige und von den Kunden regelmäßig genutzte Zufahrt auf dem Nachbargrundstück hingewiesen. Diesem Vortrag seien die Antragsteller nicht mit konkreten Tatsachenbehauptungen entgegengetreten. Allein die theoretische Möglichkeit der in dem Antrag genannten Nutzung reiche nicht aus.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat zu Recht den Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB abgewiesen.

Bei der Aufschüttung, Einebnung und Bepflasterung der Gemeinschaftsfläche, soweit sie von der Antragsgegnerin vorgenommen worden sind, handelt es sich um eine erstmalige ordnungsmäßige Herstellung der Zufahrt zum Teileigentum der Antragsgegnerin.

Aus den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass vor Fertigstellung der von der Antragsgegnerin durchgeführten Baumaßnahmen eine ordnungsmäßige Zufahrt zum Teileigentum der Antragsgegnerin nicht bestanden hat. Zutreffend legt das Landgericht dar, dass aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten Sinn und Zweck der nicht einer Sondernutzung zugewiesenen Gemeinschaftsfläche allein darin bestünden, die Zufahrt zum Teileigentum der Antragsteller und der Antragsgegnerin zu eröffnen. Auch mit der Rechtsbeschwerde behaupten die Antragsteller nicht, dass diese Fläche anders genutzt werden könnte. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation, die Fläche sei Brachland gewesen und solle es weiterhin bleiben.

Die Antragsteller können sich mit Erfolg auch nicht darauf berufen, in der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan sei lediglich davon die Rede, dass die fragliche Fläche der gemeinschaftlichen Nutzung dient. Denn die Nutzung durch die Antragsgegnerin steht dazu nicht im Widerspruch. Der Aufteilungsplan soll im übrigen nur sicherstellen, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchrechts Rechnung getragen, also genau erkennbar gemacht wird, welche Räume zu welchem Sondereigentum gehören und wo die Grenzen von Sondereigentum und gemeinschaftlichem Eigentum verlaufen. Zweck des Aufteilungsplans ist es somit nicht aufzuzeigen, ob eine bestimmte Fläche als Zufahrt zu bestimmten Teilen des Grundstücks zu dienen hat. Für die Richtigkeit des Standpunkts der Antragsteller lässt sich aus der Teilungserklärung deshalb nichts entnehmen, weil sich daraus keine Zweckbestimmung für die fragliche Fläche ergibt.

Die Antragsgegnerin hätte somit gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG von den Antragstellern die Mitwirkung bei der Herstellung einer erstmaligen ordnungsmäßigen Zufahrt verlangen können. Dabei kann offen bleiben, ob eine gerichtliche Geltendmachung in der Regel eine erfolglose Befassung der Eigentümerversammlung voraussetzt (vgl. Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 21 WEG Rn. 6). Eine Anrufung der Eigentümerversammlung ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn wie hier feststeht, dass von zwei Wohnungs- oder Teileigentümern einer mit der geplanten Maßnahme nicht einverstanden ist. Die Antragsgegnerin hat zwar hier ihren Anspruch nicht gerichtlich geltend gemacht, sondern eigenmächtig vollendete Tatsachen geschaffen. Trotzdem fehlt es für den Antrag der Antragsteller an einem schutzwürdigen Interesse, weil eine Handlung gefordert wird, die - wie oben ausgeführt - alsbald wieder rückgängig zu machen wäre (vgl. Palandt/Heinrichs § 242 Rn. 52).

b) Der hilfsweise gestellte Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, keinen Schwer- oder Publikumsverkehr über die fragliche Fläche zu ihrem Teileigentum zuzulassen, ist vom Landgericht zu Recht abgewiesen worden. Dagegen haben die Antragsteller im einzelnen auch keine Einwendungen erhoben.

Zutreffend hat das Landgericht die Begründetheit des weiteren Hilfsantrags hinsichtlich des Schwer- oder Publikumsverkehrs zum Nachbargrundstück verneint.

Beim Unterlassungsanspruch zur Abwehr künftiger Beeinträchtigungen ist die Wiederholungsgefahr materielle Anspruchsvoraussetzung (Palandt/Bassenge § 1004 Rn. 29). Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die nicht einer Sondernutzung zugewiesene Gemeinschaftsfläche in der Vergangenheit nicht als Zufahrt zum Nachbargrundstück benutzt worden ist. Außerdem hat es dargelegt, dass keine Besorgnis für künftige Beeinträchtigungen besteht, weil das Nachbargrundstück eine eigene geräumige Zufahrt besitzt. An die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO).

Entgegen der Auffassung der Antragsteller musste das Landgericht den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 29.5.2000 bei seiner Entscheidung am 20.2.2001 berücksichtigen, obwohl dieser Schriftsatz erst nach der mündlichen Verhandlung vom 24.6.1999 bei Gericht eingegangen ist. Die mündliche Verhandlung in Wohnungseigentumssachen hat nicht die gleiche Funktion wie im Zivilprozess. Im Wohnungseigentumsverfahren soll zwar der Richter mit den Beteiligten gemäß § 44 Abs. 1 WEG in der Regel mündlich verhandeln. Die mündliche Verhandlung ist aber anders als im Zivilprozess nicht die alleinige Grundlage der Entscheidung. Schriftsätzliches Vorbringen der Beteiligten ist vielmehr in jedem Fall zu berücksichtigen, auch wenn es erst nach der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingeht (BayObLG WE 1991, 287 f.).

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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