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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.06.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 52/02
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 19
FGG § 20
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 28 Abs. 5
WEG § 45
Wohngeldansprüche entstehen nur im Wege von Eigentümerbeschlüssen über Jahresgesamt- und -einzelabrechnungen oder über Gesamt und Einzelwirtschaftspläne.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Aus der Jahresabrechnung für den Zeitraum 1.7.1999 bis 30.6.2000 machen die Antragsteller gegen den Antragsgegner Zahlungsrückstände von 1779,44 DM geltend. Sie haben dazu eine Gesamt- und Einzelabrechnung sowie eine Heizkosten- und Warmwasserkostenabrechnung vorgelegt und die einzelnen Positionen vor dem Amtsgericht mündlich erläutert. Die Abrechnung weist unter anderem Verwalter- und Hausmeisterkosten aus, die der Antragsteller zu 1 für sich beansprucht. Der Antragsgegner stellt grundsätzlich in Abrede, dass für die Gemeinschaft ein Verwalter wirksam bestellt worden ist.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 22.5.2001 verpflichtet, an die Antragsteller als Gesamtgläubiger 1659,94 DM nebst Verzugszinsen zu bezahlen. Die Entscheidung wurde dem Antragsgegner durch Zustellung bekannt gemacht am 30.6.2001. Dessen sofortige Beschwerde ging am 13.7.2001 beim Landgericht ein. Mit ihr hat der Antragsgegner "außerdem" Antrag auf Bestellung eines Notverwalters u.a. gestellt. Insoweit hat das Amtsgericht ein neues Verfahren gebildet und die Akten im übrigen zur Beschwerdeentscheidung dem Landgericht vorgelegt. Das Landgericht hat ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 14.2.2002 die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist erfolgreich. Es führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Verfahrensgegenstand des Beschwerdeverfahrens müsse der gleiche sein wie der in der Vorinstanz. Dort sei es nicht um die Bestellung eines Notverwalters, sondern um rückständige Neben- und Verwaltungskosten gegangen. Die Beschwerdeentscheidung dürfe nicht auf Verfahrensgegenstände ausgedehnt werden, die nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen sind. Eine dennoch insoweit eingelegte Beschwerde sei nicht statthaft. Substantiierte Einwendungen gegen den angefochtenen Beschluss habe der Antragsgegner jedoch nicht vorgebracht. Auch seine nachgereichte ergänzende Beschwerdebegründung ändere daran nichts. Der Antragsgegner mache in ihr nämlich keine materielle Beschwer geltend.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts ist statthaft (§ 45 Abs. 1 WEG) und auch im übrigen zulässig.

a) Das Rechtsmittel wäre unzulässig, wenn der Antragsgegner mit ihm nur einen neuen Verfahrensgegenstand geltend gemacht hätte, der nicht bereits den Gegenstand des Verfahrens im ersten Rechtszug bildete (dazu Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 45 Rn. 57; Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. vor § 511 Rn. 8a), er also die Abweisung des vorinstanzlich der Gegenseite zugebilligten Anspruchs nicht mehr weiterverfolgte (siehe BGH NJW 2001, 226; Reichold in Thomas/Putzo Vorbem. § 511 Rn. 21, 30). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beschwerdeschrift an das Landgericht unterscheidet insoweit hinreichend deutlich zwischen dem Angriff gegen die amtsgerichtliche Entscheidung einerseits und neuen, bisher nicht behandelten und nicht zum Verfahrensgegenstand gehörenden Anträgen andererseits. Dabei ist im Verfahren in Wohnungseigentumssachen zu berücksichtigen, dass an Form und Inhalt einer Rechtsmittelschrift keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden können. Weder ist die Stellung eines bestimmten Antrags noch ist eine Begründung erforderlich (Merle in Bärmann/Pick/Merle § 45 Rn. 34/36). Erkennbar muss lediglich der Wille des Beschwerdeführers sein, die Überprüfung einer bestimmten Entscheidung durch das Beschwerdegericht herbeizuführen (siehe etwa BayObLG WE 1992, 169 - LS -). Dem genügt die Beschwerde vom 13.7.2001, die zwar nicht das Datum der getroffenen Entscheidung, jedoch eine hinreichend klare Zuordnung durch die Mitteilung des Aktenzeichens und der Beteiligten ermöglicht. Die Beschwerdeschrift erlaubt auch nicht den Schluss, der Antragsgegner wolle gar nicht die amtsgerichtliche Entscheidung überprüft haben, sondern nehme sie hin und stelle nur aus deren Anlass den Antrag, einen Notverwalter zu bestellen. Dazu hätte es nämlich der ausdrücklich so bezeichneten sofortigen Beschwerde nicht bedurft, die zudem sprachlich und optisch von den neu gestellten Anträgen abgehoben ist.

b) In Wohnungseigentumssachen ist für die Beschwerdeberechtigung § 20 Abs. 1 und 2 FGG maßgeblich (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 20 Rn. 107 m. w. N.). Danach ist grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer beschwerdeberechtigt, weil er in seiner materiellen Rechtsstellung vom Ergebnis der Entscheidung betroffen ist (Keidel/Kahl § 20 Rn. 12, 13, 107). Dazu zählt der Antragsgegner. Nicht erforderlich ist, dass der Beschwerdeführer zusätzlich eine Rechtsbeeinträchtigung schlüssig behaupten muss. Denn das Rechtsmittel erfordert für seine Zulässigkeit keine Begründung. Wird das Rechtsmittel dennoch begründet, bewirkt ein Vorbringen des Beschwerdeführers, selbst wenn es neben der Sache liegt, in der Regel nicht dessen Unzulässigkeit.

c) Am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis (Keidel/Kahl § 19 Rn. 81) scheitert die Beschwerde nicht. Wer nach § 20 FGG beschwerdeberechtigt ist, hat nämlich regelmäßig auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde. Zwar kann der Antragsgegner mit seinen Rügen, soweit sie sich auf Äußerlichkeiten des landgerichtlichen Beschlusses beziehen, die inhaltliche Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses nicht erschüttern. Gleiches gilt für Ausführungen des Antragsgegners zum Verfahrensgang. Auf eine schlüssig behauptete Rechtsbeeinträchtigung kommt es jedoch nicht an. Ausreichend ist, dass der Beschwerdeführer, ohne die staatlichen Rechtspflegeorgane zu missbrauchen, ernsthaft die Beseitigung der ihn belastenden Erkenntnis weiterverfolgt. Dass es hieran fehlt, kann weder dem Rechtsmittel noch seiner späteren Begründung entnommen werden.

d) Der Wert des Gegenstands der Beschwerde (vgl. § 45 Abs. 1 WEG), der sich nach dem vermögenswerten Interesse des einzelnen Beschwerdeführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung richtet, übersteigt 750 EUR. Er bemisst sich hier, weil der Antragsgegner seinen Rechtsmittelantrag nicht beschränkt hat, an dem Gegenstand der vom Amtsgericht ausgesprochenen Verpflichtung, rückständiges Wohngeld von 1659,94 DM (= 848,71 EUR) zu bezahlen.

3. Ist demnach die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde zu bejahen, hätte das Landgericht das Rechtsmittel nicht als unzulässig verwerfen dürfen, vielmehr über dessen Begründetheit entscheiden müssen. Dieser Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung an das Landgericht (BayObLG WuM 1994, 565/566; Keidel/Kahl § 27 Rn. 66). Denn eine Sachentscheidung des Senats ist ausgeschlossen, weil weitere Ermittlungen erforderlich sind. Diese sind dem Rechtsbeschwerdegericht wegen § 27 Abs. 1 FGG, § 559 ZPO verwehrt. Zwar ist in Wohnungseigentumssachen, insbesondere bei Streitigkeiten um Wohngeld, die den Streitsachen der Zivilprozessordnung nahe stehen, davon auszugehen, dass Beteiligte die ihnen vorteilhaften Umstände von sich aus vorbringen, bei unbestrittenem Sachvortrag dieser der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt und von Amtsermittlungen (§ 12 FGG) regelmäßig abgesehen werden kann (siehe Keidel/Kayser § 12 Rn. 89, 198 m. w. N.). Das setzt aber zunächst voraus, dass der Antragsteller die Grundlage § eines Anspruchs darlegen muss. Dazu rechnet bei Wohngeldansprüchen der Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG, durch den erst die Beitragsschuld des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber allen Wohnungseigentümern begründet wird (BGH NJW 1999 3713/3714; Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 16 WEG Rn. 14, § 28 Rn. 15). Ob ein derartiger Beschluss für die Jahresabrechnung mit Heizkosten- und Warmwasserkostenabrechnung und die damit zugleich vorgenommene Einzelabrechnung vorliegt, ist dem bisherigen Vorbringen der Antragsteller nicht zu entnehmen. Vielmehr stützen sie ihren Vortrag im wesentlichen auf Einzelausgabenbelege, aus denen sich die Gesamtschuld aller Wohnungseigentümer und, über den Miteigentumsanteil des Antragsgegners, dessen anteilige Schuld ergeben soll. Auch die mündlichen Erörterungen vor dem Amtsgericht, in deren Rahmen die Antragsteller zu 1 Anlass und Höhe der in Ansatz gebrachten Einzelpositionen ausführlich darlegten, geben keinen Aufschluss darüber, ob ein entsprechender Beschluss über die Jahresabrechnung als Grundlage der Forderung gefasst wurde. Die Antragsschrift enthält zwar einen pauschalen Verweis auf ein weiteres Verfahren vor dem Amtsgericht sowie auf Protokolle der Eigentümerversammlungen. Feststellungen dazu haben die Tatsacheninstanzen bisher aber nicht getroffen; aktenkundige Belege sind nicht vorhanden. Soweit in der Begründung der Rechtsbeschwerde auf einen Eigentümerbeschluss vom 1.7.2000 Bezug genommen wird, nach dem "die Eintreibung des ausstehenden Hausgelds mit allen Mitteln vorangetrieben werden muss", kann ein derartiger neuer Sachverhalt in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht berücksichtigt werden. Der erwähnte Beschluss ist im übrigen auch seinem objektiven Inhalt nach ungeeignet, die Voraussetzungen für die Begründung der Beitragsschuld zu schaffen. Sollte die notwendige Beschlussfassung fehlen, wird zu prüfen sein, ob die Forderung noch auf einen fortgeltenden Wirtschaftsplan (§ 28 Abs. 1, 2 und 5 WEG) gestützt werden kann. Auch dazu bedarf es jedoch näherer Tatsachenfeststellungen. Wegen etwaiger Auswirkungen einer unwirksamen Verwalterbestellung auf spätere Eigentümerbeschlüsse wird auf den Senatsbeschluss vom 28.6.2002 ( - 2Z BR 41/02 -) verwiesen.

III.

Eine Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren kann derzeit nicht ergehen, weil der endgültige Ausgang des Verfahrens noch nicht feststeht.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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