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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 52/03
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 16 Abs. 5
WEG § 25 Abs. 2
WEG § 28 Abs. 3
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 43 Abs. 4 Nr. 2
ZPO § 100 Abs. 1
1. Am Verfahren über die Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen ist auch der inzwischen ausgeschiedene Verwalter jedenfalls dann zu beteiligen, wenn dessen Belastung mit Verfahrenskosten in Betracht kommt.

2. Bei Mehrhausanlagen kann sich aus der Teilungserklärung/ Gemeinschaftsordnung eine Verpflichtung des Verwalters ergeben, für die Untergemeinschaft eigene Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen, über die gesondert in einer Teileigentümerversammlung abzustimmen ist.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 2 und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten zu 1 verwaltet wird. Der Antragstellerin zu 1 gehörte in dieser Anlage ebenfalls ein Wohnungseigentum; dieses hat sie nach Rechtshängigkeit veräußert. Die weitere Beteiligte zu 2 war im Juni 2001 Verwalterin der Wohnanlage.

Das Wohnungseigentum besteht aus zwei Gebäuden, einem so genannten Altbau im vorderen Grundstücksteil und einem so genannten Neubau im hinteren Grundstücksteil. Altbau und Neubau sind durch ein gemeinsames Treppenhaus miteinander verbunden. Insgesamt bestehen vier Wohnungseigentumseinheiten. Im Altbau befindet sich die Wohnung Nr. 4 mit einem Miteigentumsanteil von 480,26/1.000, die den Antragsgegnern zu 2 gehört. Im Neubau sind auf drei Stockwerken die übrigen Wohnungen untergebracht. Die Wohnung Nr. 1 im Erdgeschoß weist einen Miteigentumsanteil von 237,20/1.000 auf und gehört den Antragsgegnern zu 1. Eigentümerin der Wohnung Nr. 2 im 1. Obergeschoß mit einem Miteigentumsanteil von 216,78/1.000 ist die Antragstellerin zu 2. Der Antragstellerin zu 1 gehörte die Dachgeschosswohnung im Neubau (Nr. 3), deren Miteigentumsanteil sich auf 65,76/1.000 beläuft.

Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bestimmen Teilungserklärung (TE) und Gemeinschaftsordnung (GO) vom 30.12.1987 wie folgt:

III. (TE)

Für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und für die Verwaltung gelten die in den Anlagen I und II zu dieser Urkunde, auf die Bezug genommen wird, enthaltenen Bestimmungen (Gemeinschaftsordnungen), wobei sich die Anlage I auf die Trennung der Wohnungen Nr. 1, 2 und 3 im so genannten Wohnhausneubau als eine wirtschaftlich selbständige Einheit und die Wohnung Nr. 4 im so genannten Wohnhausaltbau als eine wirtschaftlich selbständige Einheit bezieht. Die Anlage II gilt nur für das Verhältnis der Wohnungseigentümer Nr. 1, 2 und 3 untereinander.

Anlage I (GO)

§ 2 Wirtschaftlich selbständige Einheiten

Es werden wirtschaftlich selbständige Einheiten wie folgt gebildet:

1. Zur Sondernutzung ... stehen zu:

a) den jeweiligen Eigentümern der Wohnungen Nr. 1, 2 und 3 gemeinschaftlich die mit dem Wohnhausneubau bebaute Grundstücksfläche;

b) dem jeweiligen Eigentümer der Wohnung Nr. 4 die mit dem Wohnhausaltbau bebaute Grundstücksfläche.

...

§ 3 Gemeinschaftseigentum im wirtschaftlichen Sinne

1. Jede Einheit ist von den übrigen wirtschaftlich vollständig getrennt, so dass Gemeinschaftseigentum im wirtschaftlichen Sinne nicht vorhanden ist, ausgenommen etwa gemeinschaftlich genutzte Ver- und Entsorgungsanlagen sowie das Treppenhaus.

2. Die Lasten und Kosten von Gemeinschaftseigentum im wirtschaftlichen Sinne tragen die Eigentümer zu gleichen Teilen. Bei Beschlüssen über Gemeinschaftseigentum im wirtschaftlichen Sinne hat jede Einheit eine Stimme.

Anlage II (GO)

§ 2 Stimmrecht

Das Stimmrecht richtet sich nach der Größe der Miteigentumsanteile.

§ 3 Nutzungen und Lasten des Gemeinschaftseigentums

1. Nutzungen, Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums werden im Verhältnis der Miteigentumsanteile aufgeteilt.

2. ...

In der Eigentümerversammlung vom 20.6.2001 war unter TOP 1 a über die Gesamt- und die Einzelabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2000 zu beschließen. Die von der weiteren Beteiligten zu 2 dazu vorgelegte Jahresabrechnung ist dergestalt aufgebaut, dass sie die alle Wohnungseigentümer betreffenden gemeinschaftlichen Kosten der Entwässerung, des Lohns für Hausreinigung, der Haftpflichtversicherung, der Verwaltergebühr, der laufenden Instandhaltung 1 - 4 und der Bankgebühren ausweist und viertelt, darüber hinaus aber auch die nur den Neubau betreffenden Kosten wie etwa Müllabfuhr, Strom, Wasser, Kanal, Instandhaltung enthält und auf dessen drei Wohnungseigentümer entsprechend deren Miteigentumsanteilen aufteilt. Als Beschlussergebnis hält das Protokoll fest:

Vom Rückgebäude ist ein einstimmiges Ergebnis nicht zu erhalten. Die Stimme entfällt. Hier sind die Eigentümer B. und P.-G. dagegen und die Eigentumseinheit R. dafür.

Das Vordergebäude ist dafür,

somit mehrheitlich genehmigt.

Unter TOP 6 stimmten die Wohnungseigentümer über Instandhaltungsmaßnahmen für ein Gartenhäuschen ab, das gemeinschaftlich genutzt wird. Als Beschlussergebnis ist festgehalten:

Gegenstimme von Herrn L. (Wohnungen Nr. 2 und 3)

Dafür Frau R. (Wohnung Nr. 1)

Keine Einstimmigkeit erreicht, somit die Stimme nicht gewertet.

Vordergebäude dafür, mehrheitlich dafür.

Die Antragsteller haben beantragt, die zu den beiden Tagesordnungspunkten gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat am 2.10.2002 den Antrag abgewiesen und seine Entscheidung zu Protokoll bekannt gegeben. Auf die am 21.10.2002 eingegangene sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 19.3.2003 den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 1 a und 6 für ungültig erklärt. Soweit ursprünglich ein weiterer Beschluss angefochten war, ist die sofortige Beschwerde zurückgenommen worden. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde hat teilweise Erfolg.

1. Das Landgericht hat die frühere Verwalterin am Verfahren nicht beteiligt. Das ist verfahrensfehlerhaft, weil deren Verantwortlichkeit für eine etwaige fehlerhafte Beschlussfassung der Gemeinschaft in Betracht kommt (BGH NJW 1998, 755). Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs kann die Beteiligung im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden; denn eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist weder notwendig noch zu erwarten (BGH NJW 1998, 755).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde sei zulässig. Der Bevollmächtigte der nicht anwesenden Antragstellerinnen habe vor der Verkündung der amtsgerichtlichen Entscheidung den Sitzungssaal verlassen; § 16 Abs. 3 FGG komme deshalb nicht zur Anwendung. Er habe auch für beide das Rechtsmittel eingelegt. Der Umstand, dass nur die Vollmacht der Antragstellerin zu 2 beigefügt gewesen und die Vollmacht der Antragstellerin zu 1 erst nach Fristablauf nachgereicht worden sei, spreche nicht dagegen.

Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung zu TOP 1 a und 6 seien bereits aus formellen Gründen für ungültig zu erklären. Sie beträfen gleichermaßen den Neubau wie den Altbau, so dass die Gesamtgemeinschaft zur Beschlussfassung berufen gewesen sei. Ein Ausnahmefall, dass nur eine abgrenzbare Gruppe von Wohnungseigentümern berührt sei, liege nicht vor. Insbesondere umfasse die Jahresabrechnung notwendigerweise Kosten, die das Gemeinschaftseigentum insgesamt beträfen. Jede Einheit habe demnach eine Stimme. Für das Wohnungseigentum im Neubau könne die Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht entsprechend herangezogen werden mit der Folge, dass dann, wenn eine Einigung unter den Mitberechtigten nicht zustande komme, eine gleichwohl abgegebene Stimme nicht gezählt werden könne. Es fehle insoweit an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke in der Teilungserklärung. Unter Einheit im Sinn von § 3 Nr. 2 der Anlage I sei entweder jede der einzelnen Wohnungen zu verstehen, oder aber die Anlage II sei heranzuziehen, nach der sich das Stimmrecht nach der Größe der Miteigentumsanteile richte. Bei jeder dieser Auslegungen sei eine gültige Beschlussfassung über die Jahresabrechnung und über Instandhaltungsmaßnahmen nicht zustande gekommen. Im Übrigen sei § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht analogiefähig. Das Stimmrecht des Wohnungseigentümers in der Versammlung sei ein ganz elementares Recht; nur in Ausnahmefällen dürfe die Stimme nicht gewertet werden. Es erscheine nicht gerechtfertigt, Wohnungseigentümern eines Teils der Wohnanlage, die untereinander nicht durch eine besondere Rechtsbeziehung verbunden seien, eine gemeinsame Willensbildung aufzuzwingen. Auf die inhaltliche Richtigkeit der beiden Beschlüsse komme es nicht mehr an.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

a) Die sofortige Beschwerde war zulässig (§ 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 FGG). Die Frist zur Beschwerdeeinlegung beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Beschluss des Amtsgerichts dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FGG). Bekannt gemacht wurde die Entscheidung hier durch Zustellung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG am 15.10.2002. § 16 Abs. 3 FGG ist nicht anwendbar, weil der vollständige Beschluss entsprechend dem Verhandlungsprotokoll nicht in Anwesenheit des Bevollmächtigten der Antragstellerinnen verkündet wurde. Es reicht nicht aus, dass der Bevollmächtigte im Augenblick, als der Beschluss verkündet werden sollte, noch zugegen war, sich sodann aber entfernte. Die Bekanntmachung ist nämlich erst erfolgt, wenn die Verfügung vollständig zu Protokoll gebracht ist (Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 16 Rn. 25; vgl. auch BayObLGZ 2001, 215). Für einen Beteiligten besteht keine Anwesenheitspflicht. Ein "Unterlaufen" der Verkündungsform des § 16 Abs. 3 FGG, indem sich ein Beteiligter noch während der Bekanntmachung entfernt, fingiert diese nicht, sondern hat zur Folge, dass für die Bekanntmachung die Form des § 16 Abs. 2 FGG zu wählen ist.

b) Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts, dass das Rechtsmittel für beide Antragstellerinnen eingelegt wurde. Die Rechtsmittelschrift enthält formal wie sachlich keinen Hinweis auf eine Beschränkung. Sie erwähnt sogar ausdrücklich beide Antragstellerinnen als durch diejenige Person vertreten, die die Rechtsmittelschrift unterzeichnet hat. Vollmachten können, soweit sie überhaupt verlangt werden, auch nach Fristablauf nachgereicht werden (BayObLGZ 1963, 209/213 f.; Keidel/Zimmermann § 13 Rn. 15). Der Mangel einer Vollmacht wäre überdies analog § 89 Abs. 2 ZPO durch die schriftliche Erklärung der Antragstellerin zu 1 vom 9.12.2002 rückwirkend geheilt worden (BayObLG NJW-RR 1994, 527/528).

c) Soweit die beiden noch angegriffenen Eigentümerbeschlüsse Angelegenheiten der Gesamtanlage, also des Alt- wie des Neubaus betreffen, sind sie nicht schon aus formellen Gründen wegen unrichtiger Feststellung des Abstimmungsergebnisses nach § 23 Abs. 4 WEG für unwirksam zu erklären. Denn das gewählte Abstimmungsverfahren ist zutreffend. Anders verhält sich dies für solche in der Jahresabrechnung 2000 enthaltene Posten, die ausschließlich die Untergemeinschaft des Neubaus berühren. Darüber hat nur diese nach gesonderten Regeln zu beschließen.

aa) Die Verwaltung von Gemeinschaftseigentum obliegt grundsätzlich allen Wohnungseigentümern gemeinsam (§ 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1 WEG). Das bedeutet, dass grundsätzlich auch sämtliche Wohnungseigentümer stimmberechtigt sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 WEG). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn von einer einzelnen Maßnahme nur ein bestimmter Teil von Wohnungseigentümern berührt wird und die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer in keiner Weise betroffen werden; in diesem Fall ist das Stimmrecht auf diejenigen beschränkt, die von der Angelegenheit betroffen sind; das gilt insbesondere bei Mehrhausanlagen (BayObLG ZMR 2001, 209; BayObLGZ 1994, 98; siehe auch Göken Die Mehrhausanlage im Wohnungseigentumsrecht S. 30 f.).

(1) Der Beschluss zu TOP 6 bezieht sich auf Instandhaltungsmaßnahmen für ein auf einer gemeinschaftlich genutzten Fläche stehendes und von allen Wohnungseigentümern genutztes Gartenhäuschen. Das ergibt sich auch aus der Teilungserklärung, die das Gartenhaus zum Abstellen von Fahrrädern und zur Lagerung von Gartengeräten als allen Eigentümern gemeinschaftlich zustehend erwähnt (vgl. Abschnitt IV 2 nach c, S. 5 TE). Für Beschlüsse über Instandhaltungsmaßnahmen am Gartenhaus gilt deshalb Anlage I § 3 GO.

(2) Bei TOP 1 a handelt es sich um einen Beschluss über die Jahresabrechnung. Trotz weitestgehender Kostentrennung in der Gemeinschaftsordnung (vgl. Anlagen I und II GO) enthält die Abrechnung üblicherweise, so auch hier, Kosten, die alle Wohnungseigentümer sowohl des Alt- wie des Neubaus gleichermaßen treffen, so etwa Reinigungskosten, Verwalterkosten, Entwässerungskosten und Bankgebühren. Die Gemeinschaftsordnung regelt die Verwaltung solcher Positionen in Anlage I § 3 GO. Hierüber können nur alle Wohnungseigentümer abstimmen (BayObLG ZMR 2001, 209/210; BayObLGZ 1994, 98/101; Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 535; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 28 Rn. 100; Göken S. 84).

Anders verhält es sich hingegen für solche Kosten in der Jahresabrechnung, die ausschließlich den Neubau betreffen. Durch die Gemeinschaftsordnung ist zwingend festgelegt, dass über diese die Wohnungseigentümer des Neubaus nach Maßgabe der Anlage II GO unter Ausschluss des Altbaus Beschluss zu fassen haben.

bb) Für die Beschlussfassung in Angelegenheiten, die die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums betreffen, gibt das Gesetz in § 25 Abs. 2 WEG vor, dass jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat. Die Bestimmung ist durch Vereinbarung abdingbar (BayObLGZ 1986, 10; Palandt/Bassenge BGB 62. Aufl. § 25 WEG Rn. 9). Hiervon wurde in der Teilungserklärung wirksam Gebrauch gemacht.

(1) Die Teilungserklärung bedarf der Auslegung. Diese kann der Senat selbst vornehmen (siehe z.B. BGHZ 136, 187). Maßgebend sind dabei der Wortlaut der Eintragung und ihr Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 139, 288/292; 121, 236/239). Die Teilungserklärung ist "aus sich heraus" objektiv und normativ auszulegen.

(2) Die Teilungserklärung stellt in Abschnitt III zunächst klar, dass neben der alle Wohnungseigentümer umfassenden Gemeinschaft zwei wirtschaftlich selbständige Einheiten gebildet werden, nämlich eine Einheit als Untergemeinschaft aus den Wohnungen im Neubau (Wohnungen 1 bis 3) sowie die aus dem Altbau bestehende Einheit (Wohnung 4). Für Angelegenheiten, die die Wohnungen 1 bis 3 einerseits und 4 andererseits betreffen, gilt nur die Anlage I, nicht aber die Anlage II. Das folgt unmissverständlich aus Abschnitt III (Satz 2) TE. Soweit die Anlage II in § 2 das Stimmrecht nach der Größe der Miteigentumsanteile festlegt, kann die Regelung deshalb nicht für die Abstimmung in Angelegenheiten der Gesamtgemeinschaft herangezogen werden. Vielmehr ist die in Anlage I § 3 Abs. 2 enthaltene Bestimmung maßgeblich, wonach bei Beschlüssen über Gemeinschaftseigentum im wirtschaftlichen Sinne jede Einheit eine Stimme hat. Unter Einheit versteht die Teilungserklärung jedoch nicht die einzelne im Neubau befindliche Wohnung, sondern, wie sich aus der Fassung von Abschnitt III TE ergibt, die Gesamtheit der drei im Neubau gelegenen Wohnungen. Dem folgt in der sprachlichen Diktion auch § 2 der Anlage I, der die Eigentümer der Wohnungen 1 bis 3 zu einer Einheit zusammenfasst und diese der aus der Wohnung 4 (Altbau) gebildeten Einheit gegenüberstellt. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass § 3 der Anlage I in Widerspruch dazu den Begriff der Einheit anders verwendet hätte.

(3) Die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung in der vom Senat getroffenen Auslegung ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 134, 138, 242 BGB unwirksam. Zwar findet die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer ihre Grenze dort, wo die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung des einzelnen Wohnungseigentümers ausgehöhlt wird, weil das Stimmrecht als Mitverwaltungsrecht im Sinn von § 20 Abs. 1 WEG zum Kernbereich des Wohnungseigentums gehört und auch durch Vereinbarung einem Wohnungseigentümer nicht vollständig entzogen werden kann (BGHZ 99, 90/94; Staudinger/Bub § 25 Rn. 34; siehe auch schon BayObLGZ 1965, 34/41 f.). Ob in einer Wohnanlage mit annähernd gleichartigen Wohnungen eine ungleiche Behandlung von Stimmen in der hier gewählten Form zulässig wäre, bedarf keiner näheren Untersuchung. Jedenfalls rechtfertigen die besonderen Verhältnisse dieser Gemeinschaft die von der Teilungserklärung gewählte Konstruktion, freilich beschränkt auf die Verwaltungsangelegenheiten der Gesamtgemeinschaft. Die Anlage besteht aus zwei weitgehend getrennten Gebäudekomplexen, die nur durch ein Treppenhaus miteinander verbunden sind. Unterstellt man den typischen Fall, dass die Eigentümer des Neubaus gleich gerichtete Interessen verfolgen, so würde bei Geltung des gesetzlichen Kopfprinzips nach § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG dem Neubau gegenüber dem Altbau ein Stimmenübergewicht zukommen. Dies würde auch dann noch der Fall sein, wenn ein Wohnungseigentümer des Neubaus mit dem Wohnungseigentümer des Altbaus abstimmt (vgl. § 25 Abs. 1 WEG). Selbst bei einer Stimmengewichtung nach Miteigentumsanteilen hätte der Neubau mit 519,74/1.000 Anteilen gegenüber dem Altbau mit 480,26/1.000 Anteilen die Majorität. Die Regelung in der Teilungserklärung ist auch deshalb hinnehmbar, weil der Altbau einerseits und der Neubau andererseits wirtschaftlich weitestgehend verselbständigt sind. Maßnahmen, die beide Teile der Gemeinschaft berühren, sind dementsprechend verhältnismäßig selten.

Die von der Teilungserklärung gewählte und an § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG angelehnte Regelung bezweckt, Neubau und Altbau für Gemeinschaftsangelegenheiten wirtschaftlich gleichzustellen, indem dem Neubau insoweit nur eine Stimme zusteht. Aus dem Protokoll über die Eigentümerversammlung ergibt sich, dass die Eigentümer des Neubaus keine einheitliche Stimme abgegeben haben. Damit ist für die Einheit Neubau eine wirksame Stimme nicht abgegeben worden.

(4) Wie die Wohnungseigentümer des Neubaus bei Beschlussfassungen über zwingend gemeinschaftliche Angelegenheiten die einheitliche Ausübung des Stimmrechts untereinander sicherzustellen haben (durch interne Abstimmung nach Bruchteilen gemäß § 745 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. entsprechend Anlage II GO oder nach Köpfen analog § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG), kann dahinstehen. Dies müssen die Eigentümer des Neubaus untereinander klären, gegebenenfalls durch ein gesondertes Gerichtsverfahren.

cc) Für Lasten und Kosten, die nur der Neubau zu tragen hat (Anlage II § 3 GO), verbleibt es hingegen bei der Beschlusszuständigkeit allein der Wohnungseigentümer des Neubaus nach dem in der Anlage II GO bestimmten Modus. Wird die Jahresabrechnung nicht nach Neubau einerseits und Gesamtanlage andererseits getrennt auf- und zur Abstimmung gestellt, was sich schon aus Transparenzgründen dringend empfiehlt, so verlangt die Teilungserklärung jedenfalls zwingend eine gesonderte Abstimmung der Wohnungseigentümer des Neubaus über die allein sie betreffenden Kosten der Verwaltung (§ 16 Abs. 2 WEG) nach dem in Anlage II GO festgelegten Verfahren. Ein solches Ergebnis drängt sich bei unbefangener und objektiver Sichtweise auf. Denn das in der Versammlung vom 20.6.2001 angewandte Verfahren führt bei fehlender Einigkeit des Neubaus im Ergebnis dazu, dass der Wohnungseigentümer der Altbauwohnung über eine Vielzahl von Posten beschließt, die ihn wirtschaftlich nicht weiter berühren. Eine solche Sichtweise würde das Mitverwaltungsrecht der Wohnungseigentümer des Neubaus in der Tat ohne sachliche Rechtfertigung aushöhlen. Bereits in der Senatsentscheidung vom 17.11.2000 (ZMR 2001, 209/210) ist angedeutet, dass der Grundsatz der einheitlichen Jahresabrechnung bei einer Mehrhausanlage durchbrochen sein kann mit der Folge, dass für jedes einzelne Haus ein eigener Wirtschaftsplan und eine eigene Jahresabrechnung aufzustellen sind, über die in getrennten Versammlungen der jeweiligen Gruppe von Wohnungseigentümern beschlossen wird.

d) Seiner ständigen Rechtsprechung folgend (siehe etwa BayObLGZ 1987, 86/92; jüngst Abramenko ZWE 2003, 402 m.w.N.) beschränkt der Senat die Ungültigerklärung der Jahresabrechnung 2000 auf die fehlerhaften Positionen. Das sind zunächst diejenigen Posten, die allein von der Untergemeinschaft Neubau zu beschließen sind. Eine Beschränkung der Ungültigerklärung rechtfertigt sich im gegebenen Fall umso mehr, als ohnehin getrennte Beschlussfassungen je danach stattzufinden haben, ob es sich um Verwaltungsangelegenheiten der Gesamtgemeinschaft oder der Untergemeinschaft Neubau handelt.

Im Übrigen, also hinsichtlich der Kosten des beide Einheiten berührenden Gemeinschaftseigentums, hat der formell ordnungsgemäß zustande gekommene Eigentümerbeschluss einschließlich der Position Gerichts-/Anwaltskosten Bestand. Diese Kosten sind zutreffend in die Abrechnung aufgenommen. Zu Recht sind damit nur die Antragsgegner belastet worden. Ob für derartige Kosten der hier angewandte allgemeine Verteilungsschlüssel nach § 16 Abs. 2 WEG (siehe § 16 Abs. 5 WEG) oder § 100 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2003, 228 f.; Merle in Bärmann/Pick/Merle § 47 Rn. 9, 10) gilt, bleibt offen. Jedenfalls berührt diese Frage nicht den Rechtskreis der Antragstellerinnen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beschlüsse zu TOP 1a und 6, soweit sie formell ordnungsgemäß ergangen sind, materielle Mängel aufweisen, finden sich nicht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Dem Senat erscheint es angemessen, die Kosten des Rechtsmittelzugs gegeneinander aufzuheben (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Bei der Verteilung der in den vorangegangenen Rechtszügen angefallenen Gerichtskosten hat der Senat berücksichtigt, dass dort noch die Anfechtung eines weiteren Beschlusses verfahrensgegenständlich war und die Antragstellerinnen ihr Rechtsmittel insoweit beschränkt, also teilweise zurückgenommen haben. Dem Landgericht folgend hält es auch der Senat für angemessen, teilweise, nämlich soweit die sofortige Beschwerde zurückgenommen wurde, eine Kostenerstattung zugunsten der Antragsgegner, die am Beschwerdeverfahren aktiv beteiligt waren, anzuordnen.

Eine teilweise Kostenbelastung der weiteren Beteiligten zu 2 scheidet unter den gegebenen Umständen aus. Nach dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.6.2001 ist die weitere Beteiligte zu 2 zwar für die gewählte Form der Abstimmung verantwortlich und hat deshalb hinsichtlich des Beschlusses zur Jahresabrechnung die Anfechtung ausgelöst. Der Senat kann jedoch eine schuldhafte Verletzung von Verpflichtungen aus dem Verwaltervertrag (§§ 675, 276, 278 BGB) nicht feststellen. Denn die weitere Beteiligte zu 2 zog in der Versammlung insbesondere für die Frage des Abstimmungsverfahrens einen anwaltlichen Berater hinzu. Dessen Rechtsmeinung zu folgen entlastet sie.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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