Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.08.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 54/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 1
WEG § 28 Abs. 1
Richtet sich die Verteilung der Kosten und Lasten des gemein-schaftlichen Eigentums nach den Wohnflächen, so dürfte bei einem Teileigentum wohl die Nutzfläche maßgebend sein.

Ein Zahlungsanspruch aufgrund eines beschlossenen Wirtschaftsplans wird nicht durch den Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung hinfällig.


BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 14 T 1306/00 AG Erlangen 10 UR II 42/99

2Z BR 54/00

24.08.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich am 24. August 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Wohngeldforderung und Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Mai 2000 insoweit aufgehoben, als die Anträge des Antragsgegners auf Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen in der Eigentümerversammlung vom 17. September 1999 erfolglos geblieben sind. Insoweit wird die Sache an das Landgericht Nürnberg-Fürth zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

II. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat das Landgericht zu entscheiden.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 280914 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Dem Antragsgegner gehören zwei gewerblich nutzbare Teileigentumsrechte.

In § 8 Abs. 1 der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung (GO) ist bestimmt, dass die von allen Miteigentümern zu tragenden Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis der Wohnflächen umgelegt werden.

Am 17.9.1999 faßten die Wohnungseigentümer Beschlüsse unter anderem über die Jahresabrechnung 1998 (TOP 3), den Wirtschaftsplan 2000 und die Einschaltung eines Rechtsanwalts wegen einer Änderung der Teilungserklärung und der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorverwalter (TOP 4), die Entlastung des Verwalters (TOP 5) sowie Sanierungsmaßnahmen und die Erhebung einer Sonderumlage (TOP 6).

Die Antragsteller machen gegen den Antragsgegner rückständiges Wohngeld für das Jahr 1998, einen Rückstand für das Jahr 1997 und eine Sonderumlage geltend.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von 130913,24 DM nebst Zinsen zu verpflichten. Der Antragsgegner hat beantragt, die am 17.9.1999 unter Tagesordnungspunkten (TOP) 3 mit 6 gefaßten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat am 21.1.2000 dem Antrag der Antragsteller stattgegeben und die Anträge des Antragsgegners abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 17.5.2000 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen und dessen Zahlungsverpflichtung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg, nämlich insoweit, als die begehrte Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen abgewiesen wurde. Insoweit wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Bei der Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners hat es dagegen sein Bewenden.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Es würde zu einem abwegigen Ergebnis führen, wenn sich der Antragsgegner im Hinblick auf die Regelung der Teilungserklärung,' wonach die Kosten nach der Wohnfläche umgelegt werden, mit seinen gewerblich genutzten Flächen überhaupt nicht an den Kosten zu beteiligen hätte. Auch wenn sich die Räume der beiden Teileigentumsflächen des Antragsgegners im Keller befänden, bestünden doch entscheidende Unterschiede zu Kellerräumen von Wohnungseigentumsrechten, die weder zu Wohn- noch zu gewerblichen Zwecken genutzt werden dürften. Denn der Antragsgegner dürfe seine im Keller gelegenen Räume gewerblich nutzen. Vergleichbare Nebenräume wie Keller von Wohnungseigentümern blieben auch beim Antragsgegner unberücksichtigt.

Nicht zu beanstanden sei es, dass Versammlungen von zwei verschiedenen, sich zwar überschneidenden, aber nicht identischen Eigentümergemeinschaften stattgefunden hätten. Es seien Beschlüsse über Gegenstände gefaßt worden, die beide Gemeinschaften beträfen. Eine Trennung sei daher nicht möglich gewesen und würde im Übrigen auf praktische Schwierigkeiten stoßen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Der Antragsgegner behauptet, die Eigentümerversammlung vom 17.9.1999, auf der die von ihm angefochtenen Eigentümerbeschlüsse gefaßt wurden, sei als eine einheitliche Versammlung von zwei getrennten Eigentümergemeinschaften abgehalten worden. Die Antragsteller haben dies zunächst eingeräumt, es sodann aber in Abrede gestellt. Das Landgericht geht von zwei getrennten Eigentümergemeinschaften aus, die zum Teil aus denselben Personen bestünden, hält dieses Vorgehen aber für rechtlich nicht zu beanstanden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

(1) Aus der Niederschrift vom 6.10.1999 über die Eigentümerversammlung vom 17.9.1999 ergibt sich, dass es sich um eine Eigentümerversammlung der Wohnanlage und des dazugehörigen Parkhauses handelte, in der 131 Wohnungseigentümer und 118 "Parkhausnutzungsberechtigte" erschienen oder vertreten waren. Die Eigentümerbeschlüsse wurden in dieser Versammlung ohne Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen gefaßt. Wenn es sich bei den Parkhausnutzungsberechtigten um eine getrennte Eigentümer- oder Berechtigtengemeinschaft handeln sollte, läge darin ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 WEG. Danach werden die Angelegenheiten der Wohnungseigentümer durch eine Beschlussfassung "in einer Versammlung der Wohnungseigentümer" geordnet. Um eine solche würde es sich nicht handeln, wenn nahezu die gleiche Zahl von Personen, die nicht Wohnungs- oder Teileigentümer sind, an der Versammlung teilgenommen hätten. In diesem Fall hätten auf die Willensbildung der Wohnungseigentümer Personen Einfluß genommen und sich an der Beschlussfassung beteiligt, die nicht Wohnungseigentümer sind. Von einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 21 Abs. 3, 4 WEG) kann bei den unter diesen Voraussetzungen gefaßten Eigentümerbeschlüssen nicht die Rede sein.

(2) Eine rechtliche Einordnung der Parkhausnutzungsberechtigten läßt sich anhand des Akteninhalts nicht abschließend und zuverlässig vornehmen. Das Landgericht hat nicht dargetan, inwiefern es sich dabei um eine selbständige Eigentümergemeinschaft handeln sollte. Aus der Teilungserklärung und den vorliegenden Grundbuchauszügen ergibt sich, dass Wohnungs- und Teileigentum an dem Grundstück Flst. 2932 begründet wurde; das Flst. 2932 wurde später zerlegt, so dass das Grundstück nunmehr aus Flst. 2932 und3019/56 besteht. In der Teilungserklärung ist ausgeführt, mit dem Grundstück Flst. 2932 seien die Erbbaurechte an den Grundstücken Flst. 2897 und 2931 wirtschaftlich verbunden; auf dem Grundstück Flst. 2931 sollten die Außenanlagen und auf dem Grundstück Flst. 2897 ein Garagenparkhaus errichtet werden. Es liegt nahe, dass es sich bei den in der Niederschrift genannten 118 Parkhausnutzungsberechtigten um die Erbbauberechtigten an dem Parkhausgrundstück Flst. 2897 und möglicherweise auch um die Erbbauberechtigten an dem Außenanlagengrundstück Flst. 2931 handelt, die nicht zugleich Wohnungseigentümer der Wohnanlage sind. Die rechtliche Situation bedarf der Aufklärung; dazu bietet sich das Grundbuch an. Die hierzu erforderlichen Ermittlungen kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht vornehmen. Daher wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Sollte sich die naheliegende Annahme bestätigen, dass an der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung vom 17.9.1999 Erbbauberechtigte, noch dazu in großer Zahl, teilgenommen haben, die nicht Wohnungseigentümer sind, können die Eigentümerbeschlüsse keinen Bestand haben.

b) Die Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ihr liegen bestandskräftige Eigentümerbeschlüsse zugrunde (vgl. § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 1, 2 WEG; vgl. BayObLG NZM 2000, 52). Die Einwendungen des Antragsgegners greifen nicht durch.

(1) Ein Zahlungsanspruch, der auf einen beschlossenen Wirtschaftsplan gestützt ist, erledigt sich nicht dadurch, dass über die Jahresabrechnung Beschluss gefaßt wird. Dies entsprach früherer Rechtsauffassung, die aber durch die neuere Rechtsprechung überholt ist. Danach wird ein Zahlungsanspruch aufgrund eines beschlossenen Wirtschaftsplans nicht durch den Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung hinfällig; er wird dadurch lediglich der Höhe nach begrenzt; im übrigen kann der Zahlungsanspruch weiterhin auf den Eigentümerbeschluss über den Wirtschaftsplan gestützt werden (BGHZ 131, 228/231; BayObLG NZM 1999, 853 f.; 2000, 298 f.).

(2) Nach § 8 Abs. 1 GO sind die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis der Wohnflächen zu tragen. Damit ist der gesetzliche Kostenverteilungsschlüssel nach § 16 Abs. 2 WEG, der auf die Miteigentumsanteile abstellt, wirksam abbedungen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG). Allerdings läßt der Wortlaut der Gemeinschaftsordnung unberücksichtigt, dass die Gemeinschaft nicht nur aus Wohnungen besteht, sondern auch aus Teileigentumsrechten, bei denen das Sondereigentum aus nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen besteht (vgl. § 1 Abs. 3 WEG). Nach dem strengen Wortlaut der Gemeinschaftsordnung hätten sich Teileigentümer nicht an den gemeinschaftlichen Kosten zu beteiligen, weil ihr Sondereigentum keine Wohnflächen ausweist. Die Bestimmung der Gemeinschaftsordnung ist aber einer Auslegung zugänglich. Dabei ist nicht am "buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften" (§ 133 BGB). Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine völlige Freistellung der Teileigentumsrechte des Antragsgegners von einer Kostenbeteiligung nicht dem Sinn der Regelung in der Gemeinschaftsordnung entspräche. An die Stelle der Wohnfläche (vgl. dazu BayObLG NJW 1996, 206) hat vielmehr bei einem Teileigentum die Nutzfläche zu treten. Dies ist die nächstliegende Bedeutung der Regelung der Gemeinschaftsordnung.

Im übrigen könnte der auf § 8 Abs. 1 GO gestützte Einwand im Hinblick auf die Bestandskraft der zugrundeliegenden Eigentümerbeschlüsse dem Zahlungsanspruch nicht entgegengehalten werden.

3. Eine Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 47 WEG ist nicht veranlaßt; über diese Kosten wird das Landgericht zu befinden haben.

Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Senat hält die von den Vorinstanzen für die Anfechtung der Eigentümerbeschlüsse zu TOP 3 (Jahresabrechnung) und TOP 4 (Wirtschaftsplan und Einschaltung eines Rechtsanwalts) angenommenen Geschäftswerte von jeweils 10000 DM für zu niedrig. Diese Geschäftswerte entsprechen nicht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen. Wie sich aus der vorliegenden Jahresabrechnung 1997 ergibt, betragen die Gesamtkosten der Gemeinschaft im Jahr weit über eine Million DM. Ein Betrag von 10000 DM erscheint im Hinblick darauf nicht angemessen (vgl. BayObLGZ 1979, 312). Der Senat hält für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 3 einen Geschäftswert von 50000 DM und für die des Eigentümerbeschlusses zu TOP 4 einen solchen von 60000 DM für angemessen. Im übrigen werden die Geschäftswerte der Vorinstanzen (10000 DM für TOP 5 und 30000 DM für TOP 6) übernommen, so dass sich ein Gesamtgeschäftswert von 280914 DM ergibt.

Ende der Entscheidung

Zurück