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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 55/02
Rechtsgebiete: BGB, WEG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 116
BGB § 133
BGB § 1004
WEG § 22
WEG § 47
WEG § 48 Abs. 3
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 1
Zustimmungen zu baulichen Veränderung können auch konkludent erteilt werden.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Das Wohnungseigentum wurde gemäß § 3 WEG gebildet. Die Teilungserklärung vom 22.11.1993 wurde am 22.3.1994 im Grundbuch eingetragen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Beteiligten Bruchteilseigentümer des von ihnen im Jahre 1989 gemeinsam erworbenen Grundstücks. In den Monaten März/April 1993 bauten die Antragsgegner sieben Dachfenster ein. Ein weiteres Dachfenster wurde von der Antragsgegnerin zu 1 im September 1999 mit Zustimmung des Antragsgegners zu 2 eingebaut.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die vorgenannten Dachfenster zu entfernen. Die Antragsgegner haben sich dem widersetzt und den Gegenantrag gestellt, dem Antragsteller zu untersagen, an bestimmten Stellen des Grundstücks Fahrzeuge abzustellen und Müll abzuladen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.5.2060 den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen und den Anträgen der Antragsgegner stattgegeben.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 18.4.2002 die vom Amtsgericht ausgesprochenen Verpflichtungen des Antragstellers nur zu einem geringen Teil aufgehoben und die Beschwerde im übrigen zurückgewiesen.

Mit seinem Rechtsmittel wendet sich der Antragsteller nur noch gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Beseitigung des 1999 eingebauten Dachfensters sowie gegen die Kosten- und Geschäftswertentscheidung des Landgerichts.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse ist, ausgeführt:

Hinsichtlich der zunächst eingebauten sieben Dachfenster könne der Antragsteller seinen Beseitigungsanspruch nicht auf § 22 WEG stützen. Zum Zeitpunkt des Einbaus dieser Dachfenster sei die Teilungserklärung noch nicht einmal beurkundet gewesen, und es habe deshalb auch noch keine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft bestanden. Unabhängig davon habe der Antragsteller dem Einbau der Fenster durch schlüssiges Verhalten zugestimmt. Eine Zustimmung liege auch hinsichtlich des Einbaus des achten Dachfensters vor. Aufgrund der Aussage der vernommenen Zeugin stehe fest, dass der Antragsgegner aufgefordert worden sei, die Sonnenkollektoren einzubauen, damit auch das Dachfenster eingebaut werden könne. Der Antragsteller habe daraufhin geäußert, dass er etwas anders zu tun habe und dass ihn das Fenster nicht interessiere. Hierin liege eine konkludente Zustimmung zum Einbau des weiteren Dachfensters.

Es entspreche billigem Ermessen, die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller insgesamt aufzuerlegen, da die sofortige Beschwerde nur in geringem Umfang begründet gewesen sei. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten bestehe bezüglich des achten Fensters kein Anlass, von dem Grundsatz abzugehen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trage. Angesichts der klaren Beweislage bezüglich der im Jahre 1993 eingebauten Fenster sei jedoch eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten angemessen, da dem Antragsteller die Aussichtslosigkeit seines Antrags von vornherein bewusst gewesen sein müsse. Für den Geschäftswert seien nicht die Kosten des Einbaus maßgebend, sondern das Interesse am Vorhandensein der Fenster. Diese seien für den Wohnwert von erheblicher Bedeutung.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Antragsgegner sind nicht verpflichtet, das zuletzt eingebaute Dachfenster zu beseitigen.

(1) Soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, dass das Landgericht der Aussage der vernommenen Zeugin K. Glauben geschenkt hat, kann er im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden.

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze und den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat, ferner, ob die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt wurden (st. Rspr., vgl. z.B. BayObLGZ 1983, 153/162; Beschluss des Senats vom 20.3.2002 - 2Z BR 99/01). Dass das Landgericht gegen diese Grundsätze verstoßen hat, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Landgericht auch den Umstand gewürdigt, dass es sich bei der Zeugin um die Mutter der Antragsgegnerin zu 1 handelt. Die Erwägungen, warum das Landgericht der Zeugin gleichwohl Glauben geschenkt hat, lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen.

(2) Die Auslegung von Willenserklärungen ist ebenfalls Sache des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob die Auslegung gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstößt, mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (vgl. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. Rn. 48 m. w. N.). Dies gilt auch für die Frage, ob sich ein bestimmtes Verhalten als konkludente Willenserklärung mit einem bestimmten Inhalt darstellt.

Auch insoweit lässt die Entscheidung des Landgerichts einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung kann auch konkludent erklärt werden. Die Wertung des Verhaltens des Antragstellers als konkludente Zustimmung ist nach den vom Landgericht festgestellten Umständen naheliegend. Richtig ist allerdings der Hinweis des Antragstellers, dass sich das Landgericht nicht mit der Frage eines Erklärungswillens des Antragstellers befasst hat. Dies ist jedoch im Ergebnis unschädlich. Maßgeblich für die Behandlung eines bestimmten Verhaltens als konkludente Willenserklärung ist, wie der Erklärungsempfänger aus seiner Sicht das Verhalten werten durfte (vgl. z.B. BGH NZM 2000, 961). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn ein Erklärungsbewusstsein nicht vorhanden ist. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, lediglich, dass der Handelnde bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der andere Teil es auch tatsächlich so hat verstehen können (vgl. die zahlreichen Nachweise bei Palandt/Heinrichs 61. Aufl. § 133 Rn. 11; das von der Rechtsbeschwerde herangezogene Zitat Palandt/Heinrichs § 182 Rn. 2 ist insoweit unvollständig, als Heinrichs dort ausdrücklich auch auf seine Kommentierung zu § 133 Rn. 11 verweist). Da nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts der Antragsgegner bereits früher dem Einbau der ersten sieben Dachfenster zugestimmt hat, hätte er bei zumutbarer Sorgfalt erkennen können, dass die Äußerung "das Dachfenster interessiere ihn nicht" als Zustimmung zum Einbau auch des weiteren Dachfensters gewertet wird.

Unerheblich ist, was der Antragsteller gegenüber der Zeugin H. geäußert hat. Dass das Landgericht auf die diesbezügliche Aussage der Zeugin H. nicht eingegangen ist, verhilft der Rechtsbeschwerde deshalb nicht zum Erfolg. Dass das Dachfenster erst Jahre später eingebaut wurde, ist in Anbetracht der einmal erteilten Zustimmung ohne Belang.

b) Auch die Kostenentscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand.

(1) Die Entscheidung über die Tragung der Gerichtskosten richtet sich in der Regel nach dem Ausgang des Rechtsstreits (st. Rspr., vgl. BGHZ 111, 148). Dabei hat das Landgericht hinreichend berücksichtigt, dass die Beschwerde nur in geringem Umfang erfolgreich war. Das entspricht dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der auch im Rahmen des § 47 Satz 1 WEG herangezogen werden kann.

(2) Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass hinsichtlich des im Jahre 1999 eingebauten Dachfensters eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten nicht stattzufinden hat. Die rechtliche Beurteilung von Amtsgericht und Landgericht war nicht einheitlich; es wurde im Beschwerdeverfahren eine Beweisaufnahme durchgeführt.

Zutreffend ist auch die Ansicht des Landgerichts, dass hinsichtlich der ersten sieben Dachfenster die Rechtsverfolgung des Antragstellers jedenfalls im Beschwerdeverfahren aussichtslos war und dass es deshalb gerechtfertigt war, den Antragsteller insoweit mit den außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu belasten. Dabei kommt es nicht darauf an, wie sich die Beweislage aus der Sicht des Gerichts dargestellt hat, sondern darauf, welche Tatsachen dem Antragsteller-bekannt waren. Diesem war von vornherein bekannt, wann die Dachfenster eingebaut wurden und dass er bei dem Einbau der Dachfenster zumindest zugegen war. Es sind deshalb im Beschwerdeverfahren keine neuen Tatsachen zutage getreten, die dem Antragsteller nicht bekannt waren oder hätten erinnerlich sein müssen.

c) Die Geschäftswertfestsetzung durch das Landgericht, die der Senat unabhängig von der Zulässigkeit eines hierauf bezogenen Rechtsmittels nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO überprüfen kann, ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Bei einem Antrag auf Wiederherstellung des früheren Zustandes ist der Wert der angefallenen Baukosten und der Beseitigungskosten ein Gesichtspunkt, der bei der Festsetzung des Geschäftswertes herangezogen werden kann (BayObLG WuM 1994, 565/567; Staudinger/Wenzel § 48 WEG Rn. 25). Dabei handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der je nach Sachlage für die Geschäftswertfestsetzung ausreichen kann (BayObLG WuM 1994, 565/567). Andererseits hat der Senat für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche entschieden, dass bei der Geschäftswertfestsetzung auch das Abwehrinteresse des Gegners zu berücksichtigen ist (BayObLG WuM 1994, 157/160; WuM 1994, 565/567; WuM 1992, 704/705). In der letztgenannten Entscheidung hat der Senat bei Untersagung einer Wohnungsnutzung von Kellerräumen auf das Interesse der Beteiligten hinsichtlich der Vorteile einer Raumnutzung als Wohnung abgestellt. Damit vergleichbar sind die Möglichkeiten, die der Einbau eines Dachfensters für die Nutzung eines Raumes im Dachgeschoss bietet. Der Lichteinfall ist ein ganz wesentlicher Umstand für die Nutzungsfähigkeit eines Raumes. Hinzu kommt, dass der Antragsteller sich selbst darauf berufen hat, dass er wegen des niedrigeren K-Wertes mit einem höheren Anteil an verbrauchsunabhängigen Heizkosten belastet und möglicherweise auch zu Reparaturkosten herangezogen werde. Würdigt man diese Umstände insgesamt, so entspricht die Bemessung des Geschäftswertes mit 3000 Euro pro Fenster durchaus dem Interesse der Beteiligten, auch wenn die Ein- und/oder Rückbaukosten geringer sind.

Für die Anwendung des § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG besteht keine Veranlassung, da ein Missverhältnis zwischen dem Interesse des Antragstellers und dem sich ergebenden Geschäftswert nicht festgestellt werden kann.

Ein eventueller Verstoß gegen das rechtliche Gehör durch das Landgericht ist dadurch geheilt, dass der Antragsteller Gelegenheit hatte, seine Rechtsmeinung dem Senat vorzutragen.

3. Es entspricht der Billigkeit, den Antragsteller mit den Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren in vollem Umfang zu belasten (§ 47 Satz 1 WEG), da sein Rechtsmittel ohne Erfolg ist.

Für eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 47 Abs. 2 WEG liegen dagegen für das Rechtsbeschwerdeverfahren keine besonderen Gründe vor. Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens in der Hauptsache war nur noch das 1999 eingebaute Dachfenster, hinsichtlich dessen bereits die Vorinstanzen eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht angeordnet haben. Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren liegen keine besonderen Umstände vor, die eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nahe legen würden.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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