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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 58/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 25
WEG § 27
WEG § 28
WEG § 29
1. Wird ein Vertreter, der seine Bevollmächtigung ordnungsmäßig nachweisen kann, vom Vorsitzenden einer Eigentümerversammlung zurückgewiesen, so sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar, sofern die nicht abgegebene oder nicht berücksichtigte Stimme erheblich war.

2. Zur Vollständigkeit einer Jahresabrechnung gehört, dass der Stand der gemeinschaftlichen Konten, insbesondere der Instandhaltungsrücklage und der Zinsbeträge, ausgewiesen ist. Das Fehlen solcher Bestandteile führt aber in der Regel nicht dazu, den Eigentümerbeschluss über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung für ungültig erklären zu müssen. Die fehlenden Angaben sind vielmehr nachholbar.

3. Die Entlastung ehrenamtlicher Mitglieder des Verwaltungsbeirats entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn nicht erkennbar ist, dass Schadensersatzansprüche bestehen.

4. Ein Beschluss der Wohnungseigentümer, der den Verwalter zur Kreditaufnahme bevollmächtigt, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn sich der Kreditbetrag im Verhältnis zur Summe der Hausgeldzahlungen aller Wohnungseigentümer in einem bestimmten Rahmen hält und der Kredit zur Überbrückung eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses dient.


Gründe:

I. Die Antragstellerin, eine BGB-Gesellschaft, und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Antragstellerin hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beantragt, die Eigentümerbeschlüsse vom 3.5.2002 zu folgenden Tagesordnungspunkten (TOP) für ungültig zu erklären:

TOP 1 c: Genehmigung der Wohngeldeinzel- und Gesamtabrechnung 2001,

TOP 1 e: Entlastung des Verwaltungsbeirats für das Wirtschaftsjahr 2001,

TOP 2: Genehmigung des Gesamtwirtschaftsplans 2002/2203 und des Einzelwirtschaftsplans 2002 "C", jeweils in der Fassung vom 12.4.2002,

TOP 4: Antrag auf Einräumung eines Überziehungskredits bis zu Höhe von 7.500 EURO,

TOP 5: Verlängerung des Verwaltervertrags für die Zeit vom 1.1.2003 bis 31.12.2007.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12.2.2003 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat am 18.2.2004 die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

a) Die Antragstellerin sei als Verfahrensstandschafterin ihrer Gesellschafter verfahrensbefugt. Die Eigentümerbeschlüsse seien formell ordnungsmäßig zustande gekommen.

Die Verwalterin sei zur Einberufung der Versammlung befugt gewesen. Durch den Eigentümerbeschluss vom 11.12.2001, durch den nur die Aufhebung des Verwaltervertrages beschlossen worden sei, die aber vom Abberufungsakt zu unterscheiden sei, habe sie ihre Verwalterstellung nicht verloren. Abgesehen davon sei sie durch den bestandskräftigen Eigentümerbeschluss vom 23.1.2002, durch den der Verwaltervertrag bis zum 31.12.2002 verlängert worden sei, zur wirksamen Einberufung der Eigentümerversammlung berechtigt gewesen.

Unerheblich sei, dass die Verwalterin die Vollmacht des Miteigentümers R. bei der Abstimmung in der Eigentümerversammlung nicht berücksichtigt habe. Die Vollmacht sei erst nach Versammlungsbeginn übermittelt worden. Es sei aber Sache jedes einzelnen Eigentümers, dafür zu sorgen, dass eine Vollmacht rechtzeitig vor Beginn der Versammlung vorliege. Abgesehen davon hätte auch die Berücksichtigung der Stimme des Miteigentümers R. angesichts der Mehrheitsverhältnisse das Abstimmungsergebnis nicht beeinflusst.

b) Auch inhaltlich seien die angefochtenen Eigentümerbeschlüsse nicht zu beanstanden.

Das Fehlen der Angaben über die Kontenstände mache die Jahresabrechnung nicht urwirksam; diese Angaben könnten nachgeholt werden.

Der Zeitraum, auf den sich die Heizkostenabrechnung beziehe, müsse nicht mit dem Zeitraum identisch sein, auf den sich die Gesamtjahresabrechnung erstrecke, da die Heizperiode häufig nicht identisch sei mit dem Kalenderjahr. Hier sei der verkürzte Abrechnungszeitraum für die Heizkosten vom 1.5.2001 bis 31.12.2001 im Übrigen darauf zurückzuführen, dass die Heizperiode und der Abrechnungszeitraum der Jahresabrechnung in Zukunft angepasst werden sollten.

Der Entwurf des Wirtschaftsplans habe der Antragstellerin bereits vor der Eigentümerversammlung vorgelegen. Sie habe ihn deshalb auch überprüfen können. Dort sei ein Betrag für Instandhaltung/Reparaturen in Höhe von 2.400 EURO eingestellt. Eine genaue Aufschlüsselung und Benennung von möglichen Reparaturen- und Instandhaltungskosten sei nicht möglich.

Der Beschluss, zur Überbrückung von Wohngeldrückständen das Konto der Eigentümergemeinschaft bis höchstens 7.500 EURO überziehen zu können, sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

Auch die erneute Verwalterbestellung entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Konkrete Gründe, weshalb dieser Beschluss inhaltlich zu beanstanden sein solle, würden von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen.

Auch die Entlastung des Beirats entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, da keine konkreten Gründe dafür vorgetragen seien, die auch nur die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen der Gemeinschaft gegen den Beirat erkennen lassen könnten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die angefochtenen Eigentümerbeschlüsse sind formell ordnungsmäßig zustande gekommen.

(1) Die weitere Beteiligte war zur Einberufung der Eigentümerversammlung befugt. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 13.11.2003 (= FGPrax 2004, 17/19) zwischen denselben Beteiligten entschieden hat, ging die Amtsstellung der weiteren Beteiligten als Verwalterin nicht durch den Eigentümerbeschluss vom 11.12.2001 verloren. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diesen Beschluss Bezug genommen.

(2) Wird ein Vertreter, der seine Bevollmächtigung ordnungsgemäß nachweisen kann, vom Vorsitzenden einer Eigentümerversammlung zu Unrecht zurückgewiesen, so sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar, sofern die nicht abgegebene oder nicht berücksichtigte Stimme erheblich war (Bärmann/Merle WEG 9. Aufl. § 25 Rn. 51). Zutreffend hat das Landgericht ermittelt, dass selbst bei einer etwa fehlerhaften Nichtberücksichtigung der Stimme des Miteigentümers R. Mehrheitsbeschlüsse vorliegen.

Der Einwand, bei Anwesenheit des Eigentümers R. sei nicht auszuschließen, dass dieser auch noch andere Wohnungseigentümer zur Abgabe einer Nein-Stimme bewogen hätte, liegt neben der Sache. Es ist nicht ersichtlich, wie der Eigentümer R. noch persönlich an der Eigentümerversammlung hätte teilnehmen können, nachdem der Vorsitzende der Eigentümerversammlung erst nach Beginn der Eigentümerversammlung über das Vorliegen der Vollmacht informiert worden ist und die Vollmacht als verspätet überreicht zurückgewiesen hat. Nicht ersichtlich ist außerdem, dass ein anwesender Wohnungseigentümer, der den Miteigentümer R. hätte vertreten sollen, in seiner Eigenschaft als Vertreter die Eigentümerversammlung in dem Sinn hätte beeinflussen können, dass es nicht zu Mehrheitsbeschlüssen gekommen wäre.

b) Die angefochtenen Eigentümerbeschlüsse entsprechen ordnungsmäßiger Verwaltung.

(1) Der Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung 2001 ist nicht zu beanstanden.

aa) Die Jahresabrechnung muss nach herrschender Rechtsprechung eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben im betreffenden Kalenderjahr enthalten. Sie ist weder eine Bilanz noch eine Gewinn- und Verlustrechnung, sondern eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung, die die tatsächlich angefallenen Beträge im Abrechnungszeitraum einander gegenüberzustellen hat. Zur Vollständigkeit der Abrechnung gehört auch, dass der Stand der gemeinschaftlichen Konten, insbesondere der Instandhaltungsrücklage und der Zinsbeträge, ausgewiesen ist. Fehlende Angaben führen in der Regel nicht dazu, dass der Eigentümerbeschluss über die Abrechnung für ungültig zu erklären ist. Es besteht nur ein Anspruch auf Ergänzung. Dass die Abrechnung insgesamt so große Fehler und Lücken aufweist, dass sie zur Gänze als solche unbrauchbar ist, kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden (vgl. BayObLG ZMR 2004, 50 f. m.w.N.).

bb) Es ist zwar richtig, dass die Heizkostenabrechnungsperiode (1.5.2001 bis 31.12.2001) nicht mit der Abrechnungsperiode (1.1.2001 bis 31.12.2001) übereinstimmt (vgl. dazu Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 347).

Das Landgericht hat aber zutreffend herausgestellt, der Eigentümerbeschluss sei schon deshalb nicht zu beanstanden, weil durch die vorgenommene Berechnungsweise beabsichtigt gewesen sei, die Heizkostenabrechnungsperiode dem Abrechnungszeitraum der Jahresabrechnung anzupassen. Abgesehen davon könnte der Eigentümerbeschluss auch deshalb nicht für ungültig erklärt werden, weil für die Vergangenheit eine Wärmeerfassung als Grundlage für eine Abrechnung für den Zeitraum zum 1.1.2001 bis 31.12.2001 nicht mehr möglich ist und es deshalb bei der genehmigten Abrechnung verbleiben muss (BayObLGZ 1997, 278/281).

(2) Die Entlastung des Verwaltungsbeirats entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung. Es ist nunmehr gefestigte Rechtsprechung, dass die Entlastung eines gewerbsmäßig tätigen Verwalters nicht grundsätzlich in Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung steht, sondern erst dann, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten. Diese Grundsätze müssen erst Recht für einen ehrenamtlich tätigen Wohnungseigentümer gelten, der sich als Mitglied des Verwaltungsbeirats zur Verfügung stellt. Dass gegen die Mitglieder des Verwaltungsbeirats Schadensersatzansprüche in Betracht kommen könnten, ist nicht ersichtlich. Das Landgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, aus denen sich Ansprüche gegen die Mitglieder des Verwaltungsbeirats ergeben könnten. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass keine Pflicht des Verwaltungsbeirats besteht, den Verwalter hinsichtlich der laufenden Verwaltungstätigkeit zu überwachen. Ob die Jahresabrechnung 2001 formelle Fehler enthält, die vom Verwaltungsbeirat nicht bemerkt wurden, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls steht dies einer Entlastung nicht entgegen, da es sich insoweit um buchungstechnische Vorgänge handeln würde, die nicht zu einem wirtschaftlichen Schaden für die Wohnungseigentümer führen (BayObLG ZMR 2004, 50 f.).

(3) Auch der Eigentümerbeschluss zu TOP 2 ist nicht zu beanstanden. Der Wirtschaftsplan 2002 hat der Antragstellerin nach den Feststellungen des Landgerichts vor der Eigentümerversammlung vorgelegen; eine Vorbereitung auf die Eigentümerversammlung war ihr deshalb möglich. Unter Berücksichtigung der Umstände des Falls war auch eine kurzfristige Vorbereitungszeit ausreichend. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Fassung des Wirtschaftsplans, über die abgestimmt wurde und die nach Auffassung der Antragstellerin ihr zu spät zugeleitet worden sein soll, lediglich in einigen Punkten eine Berichtigung der früheren Fassungen war.

Zutreffend hat das Landgericht auch darauf hingewiesen, der Ordnungsmäßigkeit des Wirtschaftsplans stehe nicht entgegen, dass der Posten "Instandhaltung/Reparaturen" nicht näher aufgeschlüsselt worden ist.

(4) Die Kontoüberziehung stellte eine Darlehensaufnahme durch die Wohnungseigentümer dar und eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits oder einer sonstigen Kreditaufnahme kann der gesetzlichen Regelung nicht entnommen werden. Ein Beschluss der Wohnungseigentümer, der den Verwalter zur Kreditaufnahme bevollmächtigt, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn sich der Kreditbetrag im Verhältnis zur Summe der Hausgeldzahlungen aller Wohnungseigentümer in einem bestimmten Rahmen hält und der Kredit zur Überbrückung eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses dient (Bärmann/Merle § 27 Rn. 90). Dies ist bei dem hier beschlossenen Kredit für nicht bezahlte Wohngelder bis zur Höhe von 7.500 EUR der Fall.

(5) Der Beschluss zum Verwaltervertrag mit einer Laufzeit bis 31.12.2007 entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung; zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass Gründe nicht ersichtlich seien, die gegen eine Verlängerung des Verwaltervertrags sprechen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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