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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 6/02
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 15
WEG § 43 Abs. 1
Im Wohnungseigentumsverfahren sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der Anträge weniger streng als im Zivilprozess.
Gründe:

I.

Der verfahrensgegenständliche Streit betrifft die Erforderlichkeit von Sanierungsarbeiten an einer Wohnanlage; nunmehr geht es nur noch um die Mängelbeseitigung im Dachbereich einschließlich des Wintergartens. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Senatsbeschluss vom 26.1.1999 (NZM 1999, 769) Bezug genommen.

Nach Zurückverweisung der Sache durch den Senat an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung hat dieses am 13.12.2001 entschieden, die Antragsgegner hätten zuzustimmen, dass für die im Sachverständigengutachten vom Jahr 2000 als erforderlich bezeichneten Maßnahmen (Herstellung einer funktionssicheren Entwässerung der Dachfläche unter unveränderter Beibehaltung der vier Dachflächenfenster sowie Neuerstellung des Wintergartens) mindestens drei Vergleichsangebote zu erholen sind und eine Sonderumlage zur Vorfinanzierung der Sanierungsarbeiten in Höhe von insgesamt 120000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer nach Maßgabe des geltenden Kostenverteilungsschlüssels zu erheben ist. Gegen diesen der Antragsgegnerin zu 2 am 31.12.2001 und der Antragsgegnerin zu 1 am 11.1.2002 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegnerinnen am 22.1.2002 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin zu 2 ist unzulässig, das der Antragsgegnerin zu 1 ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde in Wohnungseigentumssachen beträgt zwei Wochen und beginnt für jeden Beteiligten mit der Bekanntmachung an ihn (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 29, § 22 Abs. 1 FGG). Diese Frist hat die anwaltlich vertretene Antragsgegnerin zu 2 nicht eingehalten. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ist für einen Beteiligtenwechsel kein Raum (vgl. BGH NJW 1994, 3358 f.).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegnerinnen seien verpflichtet, ihre Zustimmung dazu zu geben, dass für die vom Sachverständigen als erforderlich angesehenen Maßnahmen Vergleichsangebote erholt werden und ein Vorfinanzierungsbetrag erhoben wird.

Der von der Kammer beauftragte Sachverständige habe die Mängel, die in dem vom Amtsgericht erholten Sachverständigengutachten aufgeführt seien, weitgehend bestätigt. Er habe dargelegt, dass eine technisch einwandfreie und dauerhafte Nachbesserung der Mängel im Dachbereich nicht nur durch den Austausch der vorhandenen Dachflächenfenster, sondern auch auf andere Weise möglich sei. Notwendig dazu sei eine vollständige Überarbeitung des ganzen Dachbereichs. Die Aluminiumeindeckrahmen, die vorhandenen Blechanschlüsse sowie die Bitumenschindeln müssten entfernt und die gesamte Fläche einschließlich aller Anschlüsse, Einbindungen u.ä. müsse mit einer anderen Dachhaut versehen werden. Die Kosten für diese Arbeiten seien auf 20000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer anzusetzen.

Weiter habe der Sachverständige ausgeführt, der Wintergarten müsse neu hergestellt werden. Die Holzbauteile seien insbesondere aufgrund von feuchtigkeitsbedingter Fäulnis weitgehend zerstört. Eine vollständige Erneuerung des Wintergartens sei unumgänglich; die dafür erforderlichen Kosten beliefen sich auf etwa 100000 DM.

Die Kammer schließe sich den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang an. Die gegen das Gutachten von den Antragsgegnerinnen erhobenen Einwendungen habe dieser im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens geprüft; er sei zum Ergebnis gekommen, dass die Ausführungen der Antragsgegnerinnen in technischer Hinsicht keinen Anlass gäben, eine Änderung an seinem Gutachten vorzunehmen. Die Kammer habe keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Beurteilung zu zweifeln, auch wenn von einer näheren Darlegung und Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Antragsgegnerinnen im Ergänzungsgutachten abgesehen worden sei.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Antragsgegnerinnen sind, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 26.1.1999 ausgeführt hat, verpflichtet, der Einholung von Angeboten für die vom Sachverständigen als erforderlich bezeichneten Arbeiten und der Erhebung einer Sonderfinanzierungsumlage zuzustimmen.

b) Zur Klärung des Sanierungsbedarfs hat das Landgericht ein Sachverständigengutachten erholt. Aufgrund dieses Gutachtens hat es den Umfang der erforderlichen Arbeiten ohne Rechtsfehler festgestellt.

aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Tatsachen- und Beweiswürdigung nur beschränkt, nämlich auf das Vorliegen von Rechtsfehlern nachprüfen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 561 Abs. 2 ZPO a.F.). Die Tatsachenüberprüfung ist darauf beschränkt, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle maßgebenden Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze und zwingende Erfahrungssätze verstoßen hat (allgemeine Meinung, z.B. BayObLG WE 1997, 236). Rechtsfehler liegen danach nicht vor.

bb) Die Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde ist nicht geeignet, Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen.

(1) Sind für eine gewisse Art von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, sollen andere Personen nur dann ausgewählt werden, wenn besondere Umstände dies erfordern (vgl. § 404 Abs. 2 ZPO). Dieser Vorgabe ist hier genügt. Der vom Landgericht ausgewählte Sachverständige ist für das Gebiet "Wärme- und Feuchtigkeitsschutz, insbesondere bei Flach- und Steildächern, Dachterrassen, Tiefgaragen" öffentlich bestellt.

Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht von der Sachkunde des Sachverständigen für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ausgegangen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1 bestand insbesondere kein zwingender Grund, einen Sachverständigen für das Zimmererhandwerk oder die Holztechnik heranzuziehen, weil es sich bei dem Wintergarten um eine Holzkonstruktion handelt. Im vorliegenden Fall geht es im wesentlichen um Feuchtigkeitsschäden. Diese Thematik gehört zum Fachgebiet des beauftragten Sachverständigen. Abgesehen davon waren nicht nur Mängel an Bauteilen aus Holz zu begutachten. Im übrigen durfte das Landgericht schon deshalb davon ausgehen, dass der Sachverständige die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung der anstehenden Fragen hat, weil er das Gericht nicht darauf hingewiesen hat, dass der Auftrag nicht in sein Fachgebiet falle; hierzu wäre er nach § 407a Abs. 1 ZPO verpflichtet gewesen. Das Landgericht hat somit ohne Rechtsfehler davon abgesehen, entsprechend § 412 ZPO eine erneute Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anzuordnen.

(2) Ohne Erfolg beanstandet die Antragsgegnerin zu 1, dass das Landgericht den Sachverständigen nicht mündlich angehört hat. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22.1.2001 den Sachverständigen aufgefordert, in einem Ergänzungsgutachten zu den Einwendungen der Antragsgegnerinnen gegen sein Gutachten Stellung zu nehmen. Der Sachverständige hat mit Ergänzungsgutachten vom 17.4.2001 daraufhin ausgeführt, nacheingehendem Studium der Einwendungen der Antragsgegnerinnen ergebe sich in technischer Hinsicht kein Anlass, an seinem Gutachten eine Änderung vorzunehmen. Das Landgericht hat dies ohne Rechtsfehler als ausreichende Antwort angesehen. Der Sachverständige ist in seinem Ausgangsgutachten eingehend auf die Bedenken eingegangen, die die Antragsgegnerinnen vorgetragen haben. Eine Wiederholung war nicht erforderlich, soweit er die Einwendungen der Antragsgegnerinnen gegen sein Gutachten als sach- und rechtsunerheblich angesehen hat. Das Landgericht hat keine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt, sondern den Sachverständigen formlos beauftragt. Dies ist zulässig (BayObLG WE 1991, 289 f.). Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Beweis durch Sachverständige (§§ 402 ff. ZPO) sind grundsätzlich nicht anzuwenden. Das Landgericht war daher zu einer mündlichen Anhörung nicht verpflichtet.

c) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 1 liegt auch kein Rechtsfehler darin, dass das Landgericht aufgrund des Sachverständigengutachtens eine Erneuerung des Wintergartens als erforderlich ansieht, während der Antragsteller seinem Verlangen eine Sanierungsbedürftigkeit des Wintergartens zugrundelegt. Im Wohnungseigentumsverfahren als einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind an die Bestimmtheit der Anträge weniger strenge Anforderungen zu stellen als im Zivilprozess; sie sind auch im weiteren Maße auslegungsfähig (BayObLG WÜM 1990, 178). Auch wenn vom Antragsteller im Verfahren nicht ausdrücklich die Erneuerung des Wintergartens verlangt worden ist, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller eine Erneuerung will, nachdem die Erneuerung des Wintergartens vom Sachverständigen als notwendig festgestellt worden ist.

4. Die Kostenentscheidung des Tatrichters kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Solche liegen nicht vor. Dem Senat erscheint es angemessen, den Antragsgegnerinnen zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldnerinnen die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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