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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.06.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 60/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 15 Abs. 3
BGB § 242
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
Die Nutzung eines Teileigentums als Gaststätte stört erheblich mehr als die Nutzung als Laden.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich am 7. Juni 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Unterlassung,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 28. Februar 2001 und des Amtsgerichts München vom 18. Februar 2000 aufgehoben.

II. Dem Antragsgegner wird untersagt, sein Teileigentum ab 1. Januar 2002 als Gaststätte zu nutzen oder nutzen zu lassen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld von höchstens 10000 DM, ersatzweise je 500 DM ein Tag Ordnungshaft, angedroht.

III. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge auf 10000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die 1984 errichtet wurde.

Die Antragsteller haben ihre Wohnung 1993 erworben. Dem Antragsgegner gehört das Teileigentum Nr. 119, das im Grundbuch als Laden nebst Lagerkeller und Nebenräumen beschrieben ist.

Das Teileigentum des Antragsgegners wurde zu keiner Zeit als Laden genutzt; vielmehr wurde es von Anfang an als Imbissstube oder Bistro betrieben. Das Teileigentum ist verpachtet.

Die Antragsteller haben beantragt, es dem Antragsgegner zu verbieten, sein Teileigentum als Gaststätte zu nutzen. Das Amtsgericht hat den Antrag am 18.2.2000 abgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde haben die Antragsteller ihren ursprünglichen Unterlassungsantrag weiter verfolgt und hilfsweise einen umfangreichen Antrag gestellt, der das Ziel hat, die von dem Betrieb des Teileigentums als Gaststätte ausgehenden Beeinträchtigungen weitgehend einzuschränken oder auszuschließen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller durch Beschluss vom 28.2.2001 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Hilfsantrag werde als nicht sachdienlich nicht zugelassen, weil andernfalls weitere Ermittlungen anzustellen wären, die den Kern des ursprünglichen Verfahrens verändern würden.

Ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Teileigentums als Gaststätte bestehe deshalb nicht, weil die Nutzung von den Wohnungseigentümern stillschweigend genehmigt worden sei; jedenfalls sei der Unterlassungsanspruch verwirkt.

Eine Genehmigung der Nutzung als Gaststätte sei darin zu sehen, dass die Wohnungseigentümer durch den Treuhandverein am 12.12.1990 einen notariellen Vertrag abgeschlossen hätten in dem das Teileigentum des Antragsgegners als Ladeneinheit "Bistro" beschrieben sei und die Wohnungseigentümer für die Überlassung einer Gemeinschaftsfläche zum Zwecke der "Bistroerweiterung" eine Abfindung erhalten hätten. Auch bei der Erörterung der Angelegenheit in den Eigentümerversammlungen vom 23.7. und 29.10.1990 sei stets von einer "Bistroerweiterung" oder einem "Bistro" die Rede gewesen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Teileigentum im Jahr 1990 bereits in der Art einer Gaststätte genutzt worden sei; geöffnet sei bis etwa 23.00 Uhr gewesen; auch sei im Freien ausgeschenkt worden; schließlich seien ferner Speisen gereicht und Musik gemacht worden.

Der Unterlassungsanspruch sei jedenfalls verwirkt, weil die Wohnungseigentümer mindestens neun Jahre lang unbeanstandet die Nutzung des Teileigentums als gaststättenartigen Betrieb geduldet hätten. Hinzu komme, dass die Wohnungseigentümer, durch die Vorgänge im Jahr 1990 zu erkennen gegeben hätten, sich auf diese Nutzung einzustellen. Auch der Antragsgegner und sein Rechtsvorgänger hätten sich darauf eingerichtet, das Teileigentum als Gaststätte nutzen zu dürfen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Bei der Bezeichnung des Teileigentums des Antragsgegners in der Teilungserklärung als "Laden" handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG. Zulässig ist grundsätzlich aber auch eine andere Nutzung, als sie sich aufgrund dieser Zweckbestimmung ergibt, sofern sie nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung. Wird ein Teileigentum nach diesen Grundsätzen von einem Teileigentümer zweckbestimmungswidrig genutzt, kann ein anderer Wohnungs- oder Teileigentümer Unterlassung dieser Nutzung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 BGB verlangen (allgemeine Meinung und ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. BayObLG WuM 1993, 490; ZMR 2000, 53).

Nach diesen Grundsätzen darf das Teileigentum des Antragsgegners nicht als Gaststätte genutzt werden, weil eine solche Nutzung allein wegen der längeren Öffnungszeiten mehr stört und beeinträchtigt als eine Nutzung des Teileigentums entsprechend seiner Zweckbestimmung als Laden (vgl. BayObLG ZMR 2000, 53).

b) Die in der Teilungserklärung vorgenommene Zweckbestimmung des Teileigentums als Laden ist nicht durch eine spätere Vereinbarung der Wohnungseigentümer geändert worden. Eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer über ihr Verhältnis untereinander im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form; sie kann auch durch konkludentes Verhalten zustande kommen (BayObLG WuM 1993, 751; 1994, 222 f.; OLG Hamm NZM 1998, 873 f.; Weitnauer WEG 8. Aufl. § 10 Rn. 29; Bärmann/Pick WEG 8. Aufl. § 10 Rn. 57). Es braucht hier nicht weiter vertieft zu werden, dass eine solche konkludent getroffene Vereinbarung zwar auch ohne Eintragung im Grundbuch zu Gunsten eines Sondernachfolgers wirken würde, nicht aber gegen ihn (BayObLG WUM 1994, 222 f.; OLG Hamm NZM 19981 873 f.). Denn eine stillschweigende Vereinbarung mit dem Ziel einer Abänderung der' ursprünglichen Zweckbestimmung des Teileigentums des Antragstellers ist nicht zustande gekommen.

(1) Voraussetzung hierfür wäre, dass den Wohnungseigentümern bewusst ist, eine dauerhafte Regelung über eine Änderung der Zweckbestimmung des Teileigentums treffen zu wollen (Weitnauer, Bärmann/Pick, jeweils aaO). Ob danach eine konkludent getroffene, abändernde Vereinbarung zustande gekommen ist, hat zwar grundsätzlich der Tatrichter festzustellen (OLG Hamm NZM 1998, 873 f.). Die Feststellungen des Landgerichts, das zu der Annahme einer konkludent getroffenen Abänderungsvereinbarung gelangt ist, unterliegen aber einer rechtlichen Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Einer solchen hält die Entscheidung des Landgerichts nicht stand. Das Landgericht stützt sich zur Begründung einer konkludenten Vereinbarung insbesondere auf die Erörterungen in der Eigentümerversammlung vom 29.10.1990 und den Inhalt des notariellen Vertrags vom 12.12.1990. Dort sei das Teileigentum des Antragsgegners stets als "Bistro" bezeichnet worden und von einer "Bistroerweiterung" die Rede gewesen. Allein dies trägt die Rechtsansicht des Landgerichts jedoch nicht.

(2) Entscheidend ist nämlich, dass bei dem Vertrag und den vorbereitenden Erörterungen die Zweckbestimmung des Teileigentums keine erkennbare Rolle spielte, es vielmehr allein darum ging, eine Bereinigung des Zustands herbeizuführen, der dadurch geschaffen worden war, dass der Bauträger in den Nutzungsbereich des Teileigentums mehrere Raumflächen des Gemeinschaftseigentums einbezogen hatte. Wie das Teileigentum dabei bezeichnet wurde, ist ohne Bedeutung. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Wohnungseigentümern bewusst und von ihnen gewollt war, durch die vertragliche Regelung die Zweckbestimmung des Teileigentums abzuändern. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, inwieweit von einer konkludenten Abänderung durch alle Wohnungseigentümer ausgegangen werden könnte. Die Grundlage des von einem Treuhandverein für die Wohnungseigentümer geschlossenen Vertrags ist ein Mehrheitsbeschluss in der Eigentümerversammlung vom 12.10.1990. Allein aus dem Umstand, dass dieser nicht angefochten wurde, kann nicht abgeleitet werden, dass die in der Versammlung nicht anwesenden oder vertretenen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung gegeben haben.

c) Auch die hilfsweise Erwägung des Landgerichts, der Unterlassungsanspruch sei jedenfalls verwirkt, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Voraussetzung einer Verwirkung (§ 242 BGB) ist, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen (Umstandsmoment); erforderlich ist dazu, dass sich der Verpflichtete aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen (BayObLG WuM 1990, 453; 1992, 206, 392; 1994, 222 f.). Es kann dahingestellt bleiben, ob hier der Zeitablauf die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen könnte. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen des Umstandsmoments nicht vor.

Das Landgericht stellt insoweit wiederum auf die bereits im Zusammenhang mit der von ihm angenommenen konkludenten Vereinbarung angeführten Vorgänge aus dem Jahr 1990 ab. Da hierbei aber nicht eine Änderung der Zweckbestimmung im Vordergrund stand, konnten weder der Antragsgegner noch die übrigen Wohnungseigentümer aus diesen Vorgängen den Schluss ableiten, künftig werde die Nutzung des Teileigentums als Gaststätte statt als Laden endgültig hingenommen.

d) Der Unterlassungsanspruch der Antragsteller ist damit gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG begründet. Der Senat hält es für angemessen, wie dies auch in anderen Fällen geschehen ist, den Antragsgegner erst einige Monate nach Rechtskraft zur Unterlassung der zweckbestimmungswidrigen Nutzung seines Teileigentums zu verpflichten. Damit soll ihm für die Umstellung der bisherigen Nutzung des Teileigentums durch seinen Pächter eine angemessene Frist eingeräumt werden (vgl. BayObLG ZMR 2000, 53 f.).

Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 45 Abs. 3 WEG i.V.m. § 890 Abs. 1, 2 ZPO.

e) Es erscheint angemessen, dem unterlegenen Antragsgegner die Gerichtskosten des Verfahrens aufzuerlegen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen wird von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen (§ 47 WEG).

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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