Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 61/04
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 1
FGG § 22 Abs. 2
FGG § 29 Abs. 1
FGG § 29 Abs. 4
WEG § 45 Abs. 1
Legt ein im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertretener Beteiligter in einer Wohnungseigentumssache gegen den seinem Verfahrenbevollmächtigten zugestellten Beschluss des Beschwerdegerichts eigenhändig schriftlich sofortige weitere Beschwerde ein, kann wegen einer dadurch eingetretenen Fristversäumnis in der Regel auch dann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden, wenn der Beschluss des Landgerichts nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Der Antragsteller hat beantragt, drei der in der Eigentümerversammlung vom 16.12.2000 gefassten Eigentümerbeschlüsse, unter ihnen den Beschluss unter Tagesordnungspunkt 2 über eine Sonderumlage, für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12.9.2003 den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des im zweiten Rechtszug anwaltlich vertretenen Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 20.2.2004 einen der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse für ungültig erklärt und im Übrigen, auch hinsichtlich des Umlagebeschlusses, das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dem anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wurde der Beschluss des Landgerichts am 4.3.2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit seinem eigenhändigen schriftlichen Rechtsmittel vom 9.3.2004, das am 11.3.2004 beim Landgericht eingegangen ist, wendet sich der Antragsteller gegen die Entscheidung des Landgerichts, soweit der beantragten Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zur Sonderumlage nicht stattgegeben wurde. Auf den Hinweis des Senats zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels hat der Antragsteller, nunmehr durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, am 29.3.2004 sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Beschluss zur Sonderumlage für ungültig zu erklären.

II.

1. Das Rechtsmittel ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

a) Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft. Sie ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen; die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Entscheidung dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist (§ 27, § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Die Bekanntmachung erfolgt in der Regel durch Zustellung der gerichtlichen Verfügung (§ 16 Abs. 2 FGG). Wird das Rechtsmittel durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt, so muss die Schrift von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Diese Voraussetzung erfüllt die Beschwerdeschrift des Antragstellers vom 9.3.2004 nicht. Sie war deshalb nicht geeignet, die Beschwerdefrist zu wahren. Die am 29.3.2004 formgerecht eingelegte Beschwerde durch den anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wahrte die Frist nicht, weil diese am 4.3.2004 in Lauf gesetzt wurde und am 18.3.2004 abgelaufen ist.

b) Eine gegebenenfalls auch ohne ausdrücklichen Antrag (vgl. § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zu bewilligende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist kommt nicht in Betracht.

Zwar ergibt sich für die gemäß § 45 Abs. 1 WEG befristeten Rechtsmittel in Wohnungseigentumssachen unmittelbar aus der Verfassung das Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung, so dass in schriftlicher Form über das Rechtsmittel selbst, über einzuhaltende Form- und Fristerfordernisse sowie über die Gerichte, bei denen das Rechtsmittel eingelegt werden muss, zu belehren ist (BGHZ 150, 390). Jedoch wird auch dann, wenn eine an sich erforderliche Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen unterbleibt, der Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt. Allerdings ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG nur dann möglich, wenn der Belehrungsmangel im Einzelfall für das Versäumen der Rechtsmittelfrist ursächlich geworden ist (BGHZ 150, 390; siehe auch Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 22 Rn. 69). Insbesondere sind somit Fälle von der Wiedereinsetzung ausgenommen, in denen ein Beteiligter wegen ohnehin vorhandener Kenntnis zur effizienten Verfolgung seiner Rechte nicht der Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf (siehe BayObLG ZWE 2001, 602/603). Überdies kann nach § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG (dazu BayObLG NJW-RR 2001, 444/445) bei anwaltlicher Vertretung eines Beteiligten dessen geringerer Schutzbedürftigkeit Rechnung getragen werden (BGHZ 150, 390/399; auch Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rn. 20).

Der Antragsteller war vor dem Landgericht anwaltlich vertreten. Im Rahmen des übernommenen Mandats ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Verfahrensfristen zu kennen, zu überwachen und einzuhalten (siehe BayObLG NJW-RR 1990, 1432; auch Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 280 Rn. 78 und 81). Werden sie versäumt, kann der vertretenen Partei wegen § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG Wiedereinsetzung nicht gewährt werden. Im Übrigen ist auch davon auszugehen, dass der Antragsteller von seinem Bevollmächtigten, dem die angegriffene Entscheidung entsprechend § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugestellt wurde und den eine Belehrungspflicht trifft (BGH NJW 1977, 1198), über die Voraussetzungen des Rechtsmittels rechtzeitig unterrichtet war. Wird der Rechtsanwalt jedoch erst nach Fristablauf mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt, so trifft den Antragsteller ein eigenes Verschulden (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler § 22 Rn. 74).

2. Der Senat kann es demnach dahingestellt sein lassen, ob das Rechtsmittel auch deshalb nicht zulässig ist, weil die individuelle Beschwer des Antragstellers durch den von ihm nur noch angegriffenen Sonderumlagebeschluss lediglich 214,05 EUR (= 416,68 DM) beträgt. Hingegen erfordert § 45 Abs. 1 WEG einen Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 750 EUR.

3. Es erscheint nach § 47 WEG angemessen, den erfolglos gebliebenen Antragsteller mit den gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten. Eine Erstattungsanordnung konnte unterbleiben, weil die übrigen Wohnungseigentümer und die Verwalterin am Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligt wurden.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Geschäftswert ergibt sich aus der Gesamthöhe der beschlossenen Umlage.



Ende der Entscheidung

Zurück