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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 63/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 19
BGB §§ 104 ff.
ZPO § 52
Auch in einem wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren ist die Geschäftsfähigkeit eines Wohnungseigentümers in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, wenn sich ernsthafte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit einstellen.
BayObLG Beschluss

LG München I 1 T 8410/00 AG München 482 UR II 13/00

2Z BR 63/00

27.07.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau wowie der Richter Lehr und Demharter am 27. Juli 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Schadensersatzes,

hier: Begutachtung zur Feststellung der Verfahrensfähigkeit,

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 31. Mai 2000 und des Amtsgerichts München vom 2. Mai 2000 aufgehoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller macht in einem Verfahren vor dem Wohnungseigentumsgericht Schadensersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend.

Das Amtsgericht hat am 2.5.2000 einen BeweisBeschluss des Inhalts erlassen, dass der Antragsteller "von Amts wegen zur Frage seiner Prozeßfähigkeit durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu untersuchen" ist; außerdem hat es in dem BeweisBeschluss einen psychiatrischen Sachverständigen bestimmt und das Verfahren bis zu Erstattung des Gutachtens ausgesetzt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 31.5.2000 die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen weitere Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 WEG). Die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers ergibt sich aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde (vgl. BayObLGZ 1989, 175/178; 1996, 192/194). Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. Die Erstbeschwerde des Antragstellers ist gemäß § 19 FGG zulässig. Durch den BeweisBeschluss des Amtsgerichts soll geklärt werden, ob der Antragsteller geschäftsfähig (vgl. §§ 104 ff. BGB) und damit verfahrensfähig (vgl. § 52 ZPO; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. Einleitung zum FGG Rn. 34 ff.) ist; dies ist Voraussetzung für einen wirksamen Antrag im Sinn des § 43 Abs. 1 WEG (vgl. BayObLGZ 1989, 175/179 f.). Ein ZwischenBeschluss in der Form eines Beweisbeschlusses, der die Prüfung der Geschäfts- und damit Verfahrensfähigkeit zum Gegenstand hat, ist grundsätzlich unanfechtbar. Eine Ausnahme gilt aber, wenn das Gesetz die Anfechtbarkeit der Zwischenentscheidung ausdrücklich vorsieht oder durch diese unmittelbar in erheblichem Maß in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird (allgemeine Meinung; BayObLGZ 1996, 1/4 m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall.

Der Senat hat die Anfechtbarkeit einer Zwischenentscheidung verneint, in der einem Beteiligten aufgegeben wurde, die Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit durch Vorlage eines nervenfachärztlichen Zeugnisses auszuräumen (BayObLGaaO). Begründet wurde dies damit, dass es dem Betroffenen freistehe, der Auflage des Gerichts nachzukommen und ihm im Falle einer Weigerung keine unmittelbaren Nachteile entstehen. Offengelassen wurde in der Entscheidung, ob dies auch dann gilt, wenn eine ärztliche Begutachtung angeordnet wird. Dies ist hier geschehen. Das Gericht hat von Amts wegen die Untersuchung des Antragstellers durch einen psychiatrischen Sachverständigen angeordnet. Der Antragsteller muß damit mit einer Vorladung und Untersuchung durch den Sachverständigen und für den Fall einer Weigerung mit Zwangsmitteln des Gerichts gemäß § 33 FGG zur Durchsetzung des Beweisbeschlusses rechnen. Dies führt wegen des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die Rechte des Antragstellers zur Anfechtbarkeit der Entscheidung (vgl. BayObLGZ 1990, 37/39; OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 163/164; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 19 Rn. 9; Bassenge/Herbst § 19 FGG Rn. 14).

2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Prozeßfähigkeit des Antragstellers sei in einem früheren wohnungseigentumarechtlichen Verfahren bereits einmal durch einen Sachverständigen untersucht worden. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 18.12.1998 die Prozeßfähigkeit bejaht und festgestellt, es handele sich bei dem Antragsteller um eine übernachhaltige Persönlichkeit, welche teils anankastische, teils querulatorische Züge aufweise; diese Persönlichkeitsmerkmale seien aber nicht so ausgeprägt, dass deshalb eine Prozeßunfähigkeit anzunehmen sei. Aufgrund der Fülle und der Art der seit der Begutachtung von dem Antragsteller betriebenen Verfahren bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller den Bezug zur Realität verloren habe.Insbesondere die vom Antragsteller nunmehr angestrengten Vollstreckungsverfahren, in denen er im wesentlichen immer wieder seine ursprünglichen Argumente aus den Hauptsacheverfahren wiederhole, begründeten den Verdacht, dass der Antragsteller nun durch eine wahnhafte Entwicklung nicht mehr in der Lage sei, neue Argumente zu berücksichtigen.

3. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Verfahrensfähigkeit eines Beteiligten ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGHZ 86, 184/188). Grundsätzlich ist von der Geschäfts- und damit von der Verfahrensfähigkeit eines Beteiligten auszugehen. Bestehen jedoch ernsthafte, auf Tatsachen beruhende Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, muß diesen nachgegangen werden. Insoweit gilt gemäß § 43 Abs. 1 WEG, § 12 FGG der Amtsermittlungsgrundsatz. Zur Ausräumung von Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit müssen daher von Amts wegen die geboten erscheinenden Maßnahmen ergriffen werden.

b) Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Das Landgericht hat keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte angeführt, die ernsthafte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Antragstellers begründen könnten. Dabei ist aufgrund des Sachverständigengutachtens vom 18.12.1998 mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Begutachtung geschäftsfähig war. Seitdem haben sich keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte ergeben. Wie in der Vergangenheit schon, betreibt der Antragsteller weiterhin eine Vielzahl wohnungseigentumerechtlicher Verfahren. Dass er in diesen im wesentlichen die gleichen Argumente vorbringt wie in vorhergehenden Verfahren, läßt keine hinreichenden Schlüsse darauf zu, dass sich an der im Dezember 1998 noch gegebenen Geschäftsfähigkeit etwas geändert haben könnte.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind solche der Hauptsache.

Ende der Entscheidung

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