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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 64/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15
Zur Frage, ob durch Eigentümerbeschluss die Aufstellung beweglicher Werbeträger auf der Gemeinschaftsfläche genehmigt werden können.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 18. Januar 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 19. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner tragen als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird und aus drei Wohn- und Geschäftshäusern (A, B und C) sowie einer Tiefgarage besteht. Die drei Gebäude sind rechtwinklig um einen großen, zur Straße hin offenen Innenhof gruppiert. Zwischen den Häusern und dem Innenhof liegt ein Laubengang. Die Räume im Erdgeschoß eines jeden Hauses sind gemäß Abschnitt II Nr. 1 b der Gemeinschaftsordnung (Anlage 1 zur Teilungserklärung vom 15.1.1993, im folgenden GO) zur gewerblichen Nutzung bestimmt, die Räume in den Obergeschossen mit Ausnahme zweier als Büro bezeichneter Einheiten zu Wohnzwecken. Den Antragstellern gehört eine Wohnung im Haus C.

In Abschnitt II Nr. 16 GO behielt sich der teilende Eigentümer das Recht vor, im Bereich aller gemeinschaftlichen Außenwände der Häuser A, B und C Sondernutzungsrechte dergestalt zu begründen und einzelnen Einheiten zuzuweisen, dass die Anbringung von Werbemitteln, insbesondere Werbetafeln, Firmenzeichen oder Leuchtreklame unter Berücksichtigung öffentlichrechtlicher Vorschriften gestattet ist. Für nicht genehmigungspflichtige Werbemittel ist die Zustimmung des Verwalters erforderlich.

Gemäß Abschnitt II Nr. 15 GO in Verbindung mit Abschnitt III des 7. Nachtrags zur Teilungserklärung vom 25.11.1994 und Abschnitt II des 8. Nachtrags zur Teilungserklärung vom 27.1.1995 wurde den jeweiligen Eigentümern von insgesamt zehn Gewerbeeinheiten im Erdgeschoß der Häuser A, B und C das Sondernutzungsrecht an dem ihrer Einheit jeweils vorgelagerten Laubengang eingeräumt, und zwar in dessen halber Tiefe vom Innenhof aus gesehen. Die Sondernutzungsrechte berechtigen dazu, auf der jeweiligen Sondernutzungsfläche mobile Verkaufseinrichtungen oder Werbeträger aufzustellen und sonstige mit dem Betrieb der Gewerbeeinheiten üblicherweise verbundene Tätigkeiten auszuüben, jeweils unter Beachtung öffentlichrechtlicher Vorschriften. Den jeweiligen Eigentümern der Gewerbeeinheiten Nr. B 03 und B 01, in denen gastronomische Betriebe geführt werden, ist gemäß Abschnitt IV und V des 7. Nachtrags zur Teilungserklärung außerdem gestattet, jeweils einen im Lageplan eingezeichneten Teil der Hoffläche für Zwecke ihrer Betriebe zu nutzen, insbesondere durch Aufstellen von Tischen und Stühlen.

Weitere Sondernutzungsrechte begründete der teilende Eigentümer an insgesamt 18 im Lageplan eingezeichneten und numerierten Kfz-Stellplätzen. Außerdem befinden sich auf dem gemeinschaftlichen Grundstück zwei weitere, im Lageplan nicht eingetragene Stellplätze, die während der Erstellung der Außenanlagen auf Veranlassung der Teileigentümerin A. mit Zustimmung des Bauträgers angelegt wurden. Die Antragsteller nehmen die Antragsgegner auf Beseitigung der Stellplätze und Herstellung der im Lageplan eingezeichneten Grünfläche in Anspruch; dies ist Gegenstand des Verfahrens 2Z BR 65/00.

In der Eigentümerversammlung vom 27.3.1997, bei der 808, 91/1000 Miteigentumsanteile vertreten waren, befassten sich die Wohnungseigentümer unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) 9 mit Werbemaßnahmen der Gewerbetreibenden. Zu TOP 9b "Aufstellung beweglicher Schilder" ist in der Versammlungsniederschrift festgehalten, bereits im vergangenen Sommer seien auf der Gemeinschaftsfläche eine Vielzahl von beweglichen Werbeschildern aufgestellt worden. Die Verwaltung habe hierzu um eine klare Regelung gebeten, um entsprechend handeln zu können. Nach eingehender Diskussion hätten sich die Anwesenden darauf geeinigt, eine Beschränkung auszusprechen. Der Antrag,

die Anzahl der beweglichen Werbeschilder wird je Gewerbeeinheit auf zwei Stück begrenzt, die außerhalb der zugewiesenen Sondernutzungsrechte aufgestellt werden dürfen. Die Schilder müssen nach Geschäftsschluß hereingeräumt werden

wurde mit Mehrheit angenommen.

Zu TOP 10a "Ergänzung Umzäunung/Antrag A." hält die Versammlungsniederschrift fest, bei der Ausführung der von der letzten Eigentümerversammlung beschlossenen Umzäunung sei eine Lücke vor den beiden Stellplätzen an der... Straße offen geblieben, die immer wieder zur Abkürzung des Fußwegs genutzt werde. Die Eigentümerin A. habe beantragt, diesen Trampelpfad auf eigene Kosten mit Gehwegplatten zu befestigen. Die Antragsteller hätten vorgebracht, die beiden Stellplätze seien unrechtmäßig erstellt, da sie im ursprünglichen Freiflächenplan nicht enthalten seien. Die Verwaltung stelle hierzu fest, dass alle Eigentümer in ihren Kaufverträgen dem Bauträger Vollmacht zu nachträglichen Änderungen am Gemeinschaftseigentum erteilt hätten. Die Parkplätze seien somit rechtmäßig. Der Antrag,

der Eigentümerin A. wird genehmigt, auf eigene Kosten von den beiden Stellplätzen gegenüber ihrer Gewerbeeinheit an der... Str. zum Plattenweg entlang Haus C einen befestigten Zuweg anzulegen,

wurde mit Mehrheit angenommen.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, diese und weitere Beschlüsse der Versammlung vom 27.3.1997 für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat einen Augenschein in der Anlage der Beteiligten eingenommen und mit Beschluss vom 28.7.1998 sämtliche Anträge abgewiesen. Die Antragsteller haben mit der sofortigen Beschwerde unter anderem die Anträge auf Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse zu TOP 9b und TOP 10a weiterverfolgt. Das Landgericht hat nach Einnahme eines weiteren Augenscheins mit Beschluss vom 19.5.2000 unter anderem die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 9b und TOP 10a für ungültig erklärt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Kammer habe sich beim Augenschein davon Überzeugt, dass die Anlage den Charakter einer gemischten Nutzung trage. Das Erdgeschoß werde im wesentlichen durch die Geschäfte geprägt. Das Aufstellen mobiler Werbeträger sei im 7. Nachtrag zur Teilungserklärung geregelt. Mit dem Eigentümerbeschluss zu TOP 9b sei die Aufstellung zweier zusätzlicher mobiler Werbeträger auf der Gemeinschaftsfläche außerhalb der zugewiesenen Sondernutzungsflächen genehmigt worden. Dies stelle die Zuweisung weiterer Sondernutzungsflächen dar und hätte deshalb nur einstimmig beschlossen werden können.

Die beiden zusätzlichen Stellplätze hätten nicht angelegt werden dürfen und müßten daher beseitigt werden. Die Antragsgegner hätten daher nicht mit Mehrheit beschließen können, dass von den Stellplätzen zum Gehweg vor der Metzgerei Betonsteine verlegt würden, um den vorhandenen Trampelpfad zu befestigen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Eigentümerbeschluss zu TOP 9b ist zu Recht für ungültig erklärt worden. Mit diesem Beschluss wird jedem Eigentümer oder Mieter, der in der Anlage ein Gewerbe betreibt, das Aufstellen von je zwei beweglichen Werbeträgern, die nach Geschäftsschluß einzuräumen sind, auf nicht näher bezeichneten Flächen des gemeinschaftlichen Grundstücks gestattet. Es kann offen bleiben, ob damit Sondernutzungsrechte eingeräumt werden, wie das Landgericht angenommen hat, oder ob nur eine Regelung des Mitgebrauchs vorliegt, weil die Schilder nur während der jeweiligen Geschäftszeiten aufgestellt werden dürfen und der Ort der Aufstellung nicht vorgegeben ist, also auch wechseln kann. Wenn er die Einräumung von Sondernutzungsrechten zum Gegenstand hat, ist der Eigentümerbeschluss nichtig, weil Sondernutzungsrechte nicht durch Mehrheitsbeschluß begründet werden können (BGH NJW 2000, 3500/3502). Enthält der Eigentümerbeschluss lediglich eine Regelung des Mitgebrauchs der Gemeinschaftsflächen, verstößt er gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung und ist deshalb für ungültig zu erklären (§ 15 Abs. 2 und 3, § 21 Abs. 4 WEG).

Das Landgericht hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - sich nicht mit der Frage befaßt, ob die zu TOP 9b beschlossene Regelung den Interessen der Gesamtheit der Wohnungs- und Teileigentümer nach billigem Ermessen entspricht (§ 15 Abs. 3 WEG). Der Senat kann dies aufgrund des Inhalts der Akten selbst beurteilen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind.

(1) Das Landgericht hat auf der Grundlage seines Augenscheins festgestellt, dass das Erdgeschoß der Anlage von der Nutzung durch Gewerbebetriebe unterschiedlicher Branchen geprägt ist. Die vorgelegten Lichtbilder bestätigen dies. Dem Bedürfnis der Gewerbetreibenden, in angemessener und ortsüblicher Weise zu werben (vgl. BayObLG WuM 2000, 686), wird in der Gemeinschaftsordnung dadurch Rechnung getragen, dass an sämtlichen Außenwänden der Gebäude und an dem zwischen den Häusern und dem Innenhof gelegenen Laubengang Sondernutzungsrechte eingeräumt sind, die zu Werbemaßnahmen verschiedenster Art berechtigen. Ein grundsätzliches Bedürfnis der Gewerbetreibenden, darüber hinausgehend beliebige Flächen des Gemeinschaftseigentums zur Aufstellung zusätzlicher Werbeträger zu nutzen, ist nicht dargetan.

(2) Der angefochtene Eigentümerbeschluss, den die Antragsgegner der Versammlungsniederschrift zufolge als Beschränkung der Werbemöglichkeiten verstehen, läßt die Aufstellung einer größeren Anzahl von Schildern auf dem gemeinschaftlichen Grundstück zu. Die Antragsteller selbst sprechen von 24 Schildern, während das Amtsgericht in der von den Antragstellern vorgelegten Sitzungsniederschrift eines anderen Verfahrens insgesamt 14 Gewerbeeinheiten erwähnt, für die somit insgesamt 28 Werbeträger aufgestellt werden könnten. Die Gestattung derart umfangreicher Werbemaßnahmen, die neben die in der Gemeinschaftsordnung eingeräumten Werbemöglichkeiten treten sollen, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Aufstellung von Werbeträgern auf beliebigen und wechselnden Plätzen des gemeinschaftlichen Grundstücks kann zur Gefährdung der Verkehrssicherheit und Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Anlage führen. Unerheblich ist, ob jeder Gewerbetreibende von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Aufstellung beweglicher Werbeträger Gebrauch macht.

b) Auch den Eigentümerbeschluss zu TOP 10a hat das Landgericht zu Recht für ungültig erklärt. Die Antragsgegner räumen ein, dass der mit diesem Eigentümerbeschluss genehmigte Verbindungsweg zwischen den Stellplätzen und dem Plattenweg entlang dem Haus C beseitigt werden muß, wenn diese Stellplätze keinen Bestand haben können. Die im Parallelverfahren ergangene Entscheidung des Landgerichte, wonach die Antragsgegner verpflichtet sind, an der Beseitigung der Stellplätze und der Herstellung der im Lageplan vorgesehenen Grünfläche mitzuwirken, ist durch den Senatsbeschluß vom heutigen Tag bestätigt worden. Damit entspricht auch der Eigentümerbeschluss zu TOP 10a nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, den unterlegenen Antragsgegnern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4000 DM festgesetzt; davon entfallen auf den Eigentümerbeschluss zu TOP 9b 3000 DM und den Beschluss zu TOP 10a 1000 DM.

Ende der Entscheidung

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