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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 7/04
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
ZPO § 148
Haben die Wohnungseigentümer einen Eigentümerbeschluss, der möglicherweise an formellen Mängeln leidet, durch einen inhaltsgleichen Beschluss bestätigt und sind beide Beschlüsse angefochten worden, ist in der Regel das Gerichtsverfahren über die Gültigkeit des ersten Beschlusses auszusetzen bis zur Bestandskraft des zweiten Beschlusses.
Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen sind Miteigentümerinnen zu je 1/2 einer Wohnung in einer Wohnanlage, deren übrige Wohnungseigentümer die Antragsgegner sind und die vom weiteren Beteiligten seit vielen Jahren verwaltet wird.

Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 16.3.2001 ist unter Tagesordnungspunkt (TOP) 5 "Reparaturen und Anschaffungen" unter e. vermerkt: "Alle Dachflächenfenster der Eigentümergemeinschaft sollen überprüft, soweit wie möglich repariert oder erneuert werden, insbesondere auch die von Frau L. (=Antragstellerin zu 1). Herr G. möge einen Kostenvoranschlag vorlegen. Die Kosten gehen jeweils zur Hälfte zu Lasten der betroffenen Eigentümer und der Eigentümergemeinschaft." Am Ende des Protokolls steht die Feststellung: "Soweit nicht anders angegeben, wurden alle Beschlüsse dieses Protokolls einstimmig gefasst." Die Beschlüsse der Versammlung vom 16.3.2001 wurden nicht angefochten.

In der Folgezeit wurden in der Wohnung der Antragstellerinnen sechs Dachflächenfenster ausgetauscht. Nach Aufforderung durch den Verwalter überwies die Antragstellerin zu 1 die Hälfte des von Herrn G. dafür in Rechnung gestellten Betrags (insgesamt 11.807,64 DM), nämlich 5903,82 DM an diesen.

Das Protokoll über die Eigentümerversammlung vom 22.3.2002 enthält zu TOP 2 unter der Überschrift "Abrechnung und Entlastung des Verwalters" folgende Feststellung: "Einstimmig wurden Verwalter und Verwaltungsbeirat für das Jahr 2001 entlastet." und am Ende den Vermerk: "Alle Beschlüsse dieses Protokolls wurden einstimmig gefasst."

Die Antragstellerinnen haben, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 22.3.2002 zu TOP 2 über die (Gesamt- und Einzel-) Jahresabrechnung 2001 für ungültig zu erklären sowie die Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerinnen 3.018,58 EURO nebst Zinsen zu bezahlen.

Mit Beschluss vom 25.6.2002 hat das Amtsgericht den Eigentümerbeschluss vom 22.3.2002 zu TOP 2 für ungültig erklärt und den Antrag im Übrigen abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner sofortige Beschwerde und die Antragstellerinnen Anschlussbeschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens wurde in der Eigentümerversammlung vom 14.2.2003 unter TOP 2 folgender Beschluss gefasst: "Die Jahresabrechnung 2001 vom 5.2.2002, bestehend aus Gesamtabrechnung und Einzelabrechnungen, wird nochmals beschlossen und genehmigt. Der Verwalter und der Verwaltungsbeirat werden vorsorglich nochmals entlastet. Bis auf die Stimmen der Antragstellerinnen, die gemäß § 25 Abs. 5 WEG nicht stimmberechtigt waren (46, 594/1000), erging der Beschluss einstimmig."

Diesen Eigentümerbeschluss haben die Antragstellerinnen ebenfalls beim Amtsgericht angefochten. Darüber ist bisher nicht rechtskräftig entschieden.

Trotz eines Antrags der Antragsgegner auf Aussetzung des hiesigen Verfahrens hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.12.2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben, den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2002 abgewiesen und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerinnen zurückgewiesen. Dagegen haben die Antragstellerinnen sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO ausgesetzt wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 14.2.2003 zu TOP 2.

1. Die Antragsgegner haben diesen wiederholenden Beschluss ersichtlich deshalb gefasst, um die formelle Beanstandung der Antragstellerinnen, am 22.3.2002 sei über die Jahresabrechnung 2001 gar kein Beschluss gefasst worden, zu beseitigen.

Wenn nun der wiederholende Zweitbeschluss vom 14.2.2003 bestandskräftig wird, verlieren die Antragstellerinnen das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2002. Es tritt dann Erledigung der Hauptsache ein, auf die die Beteiligten mit entsprechender Änderung ihrer Anträge zu reagieren haben werden.

In einer solchen Verfahrenslage ist das gerichtliche Verfahren über die Ungültigerklärung des Erstbeschlusses auszusetzen (BGHZ 106, 113/116 f.; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. vor §§ 43 ff Rn. 48; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 23 Rn. 65; MünchKomm/Engelhardt BGB § 43 WEG Rn. 19).

2. Eine Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 22.3.2002, falls er formell ordnungsmäßig zustande gekommen ist, wegen inhaltlicher Mängel kommt nicht in Betracht. Zum einen hat die Jahresgesamtabrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft nur die tatsächlich geflossenen Einnahmen und Ausgaben des abgerechneten Wirtschaftsjahrs darzustellen. Mit der Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung kann folglich nicht geltend gemacht werden, in die Jahresabrechnung müsse eine Zahlung aufgenommen werden, die ein Wohnungseigentümer an einen Dritten geleistet habe, die aber eigentlich die Wohnungseigentümer insgesamt zu leisten hätten. Zum anderen ist der Eigentümerbeschluss vom 16.3.2001 zu TOP 5e nicht nichtig, sondern mangels Ungültigerklärung für alle Wohnungseigentümer einschließlich der Antragstellerinnen bindend (§ 10 Abs. 3 und 4, § 23 Abs. 4 WEG).

Dass die Wohnungseigentümer am 16.3.2001 unter TOP 5e eine verbindliche Regelung beschlossen und nicht nur eine unverbindliche Absichtserklärung abgegeben haben, ergibt sich eindeutig aus der abschließenden Feststellung im Protokoll. Aus dem Inhalt des Protokolls, insbesondere aus der Überschrift zu TOP 5, ist zu entnehmen, dass hier keine Dauerregelung für die Verteilung der Kosten von Reparaturen an den Dachflächenfenstern, sondern eine auf den konkreten Fall beschränkte Regelung getroffen werden sollte. Zu dieser Auslegung ist auch der Senat als Rechtsbeschwerdegericht berufen, weil Eigentümerbeschlüsse aus sich heraus, nach ihrem objektiven Inhalt, wie er sich aus dem Protokoll entnehmen lässt, auszulegen sind. Auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer bei oder nach der Beschlussfassung kommt es nicht an.

Ende der Entscheidung

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