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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.08.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 74/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1
Der Tatrichter hat zu würdigen, ob andere Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung, insbesondere durch die Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage, über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werden.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus fünf Wohnungen bestehenden Wohnanlage. Der Antragstellerin gehört eine Wohnung im Obergeschoss. Den Antragsgegnern gehören zwei im Erdgeschoss gelegene Wohnungen mit je einem Sondernutzungsrecht an der vorgelagerten Terrasse, die mit einer Abböschung zum Grundstück versehen ist.

Die Antragsgegner nahmen Veränderungen an ihren Terrassen samt Abböschung vor.

Die Antragstellerin hat unter anderem beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, diese Veränderungen (Vergrößerung der Terrasse durch Anbringung einer weiteren Plattenreihe und Verschiebung des Böschungsfußes über die Sondernutzungsfläche hinaus, Errichtung eines Sockels am Böschungsfuß und einer betonierten Treppe) rückgängig zu machen. Das Amtsgericht hat die Anträge am 8.10.2001 abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 16.5.20.02 die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Aufgrund des Sachverständigengutachtens werde davon ausgegangen, dass die Terrasse lediglich um etwa 25 cm verbreitert worden sei. Diese Erweiterung des Plattenbelags stelle eine bauliche Veränderung dar. Zu einer solchen berechtige das Sondernutzungsrecht nicht. Die Umgestaltungsmaßnahmen hätten aber zu keinem nicht hinzunehmenden Nachteil geführt. Das Recht der Antragstellerin auf Gebrauch des Gemeinschaftseigentums sei nicht beeinträchtigt worden. Aufgrund des Sachverständigengutachtens sei davon auszugehen, dass der Fuß der Böschung nicht in das der gemeinschaftlichen Nutzung unterliegende Grundstück verlagert worden sei. Die Umgestaltungsmaßnahmen hätten auch nicht zu einer Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage geführt. Da der am Böschungsfuß angebrachte Sockel nur 20 cm über die Rasenfläche hinausrage und nach den vom Sachverständigen gefertigten Lichtbildern teilweise durch Pflanzenbewuchs bedeckt sei, werde der Gesamteindruck nur verhältnismäßig geringfügig beeinträchtigt. Schließlich ergebe sich auch keine erhebliche Beeinträchtigung des Gesamteindrucks dadurch, dass statt der ursprünglich auf den Trittstufen ausgelegten Waschbetonplatten eine Treppe betoniert worden sei.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Maßgebend für den Umfang der jeweiligen Wohnungseigentumsrechte ist die im Grundbuch eingetragene Teilungserklärung vom 1.9.1995. Danach ist mit den beiden Erdgeschosswohnungen jeweils das "Sondernutzungsrecht an der vor der Wohnung gelegenen Terrasse mit Böschung" verbunden. In Abschnitt III § 2 ist klargestellt, dass sich vor den Wohnungen im Erdgeschoss jeweils eine Terrasse befindet, die mit einer Abböschung zum Grundstück versehen ist, ferner, dass diese beiden Terrassen im Aufteilungsplan als "Balkone" bezeichnet sind. Aus dieser Bezeichnung der Terrassen im Aufteilungsplan lassen sich damit keine Rechte herleiten. Abgesehen davon verlangt die Antragstellerin auch nicht die Herstellung von Balkonen statt der Terrassen. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob ein solcher Anspruch bestünde. Die Antragstellerin wendet sich nur gegen die nachträgliche Veränderung der Terrassen.

b) Ein Sondernutzungsrecht stellt die durch Vereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 WEG eingeräumte ausschließliche Nutzungsbefugnis eines Wohnungseigentümers an einem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch dar (§ 13 Abs. 2 Satz 1 WEG). Zu einer auf Dauer angelegten Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die weder der erstmaligen Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands dient, noch eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellt, ist als einer baulichen Veränderung die Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer erforderlich, denen durch die Veränderung ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß-hinausgehender Nachteil erwächst (§ 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG). Als Nachteil in diesem Sinn ist jede nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung anzusehen. Es genügt auch eine optisch nachteilige Veränderung des Gesamtbilds der Wohnanlage (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. BayObLG NZM 2000, 392).

c) Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass es sich bei den von den Antragsgegnern vorgenommenen Maßnahmen zur Veränderung der Terrasse, nämlich die Vergrößerung des Plattenbelags, die Anbringung eines Sockels am Böschungsfuß und die Ersetzung der auf den Trittstufen aufliegenden Platten durch eine betonierte Treppe, um bauliche Veränderungen im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG handelt (vgl. BayObLG ZMR 2002, 61). Das Landgericht ist aufgrund des vom Amtsgericht durchgeführten Augenscheins und des erholten Sachverständigengutachtens sowie der vorgelegten Lichtbilder zu dem Ergebnis gelangt, dass durch diese Veränderungen die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werden. Ob eine solche Beeinträchtigung, insbesondere eine Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks, durch die baulichen Veränderungen gegeben ist, liegt grundsätzlich auf tatrichterlichem Gebiet. Die Würdigung durch die Tatsachengerichte ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler nachzuprüfen (BayObLG NZM 2000, 392).

Aus Rechtsgründen ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden, durch die ins Gewicht fallende Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer, insbesondere der Antragstellerin, durch die baulichen Maßnahmen verneint werden.

3. Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist dahin auszulegen, dass die Antragstellerin die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat, außergerichtliche Kosten aber nicht zu erstatten sind (§ 47 WEG). Dies ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Entscheidungssatz, wohl aber aus der Begründung.

Es erscheint dem Senat angemessen, der in allen Rechtszügen unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung durch das Landgericht auf 3000 EUR festgesetzt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).

Ende der Entscheidung

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