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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 77/01
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 28 Abs. 3
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
FGG § 12
1. Der Antrag, einen Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung für ungültig zu erklären, kann auf eine einzelne Abrechnungsposition beschränkt werden.

2. Bei der Überprüfung einer angefochtenen Position der Jahresabrechnung hat das Gericht von Amts wegen alle Gründe für eine Ungültigerklärung zu prüfen.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer aus mehreren Gebäuden bestehenden Wohnanlage mit insgesamt 131 Wohnungen, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In einer Eigentümerversammlung am 11.9.1998 fassten die Wohnungseigentümer zahlreiche Beschlüsse. Die Antragsteller beantragten beim Amtsgericht, die Eigentümerbeschlüsse zu Tagesordnungspunkt (TOP) 3, 12 und 15 für ungültig zu erklären. Der Beschluss zu TOP 3, der allein für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, hat die Genehmigung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 1997 zum Gegenstand.

Die dem Eigentümerbeschluss zu TOP 3 zugrunde liegende Betriebs- und Heizkostenabrechnung enthält unter der Position "Heizkostenabrechnung" einen Gesamtbetrag von 237033,26 DM, der nach dem Verteilungsschlüssel "Verbrauch" auf die Wohnungseigentümer aufgeteilt wird. In dem Betrag sind die Kosten für Heizung und Warmwasser, aber auch die Kosten von insgesamt 96251,12 DM für den Bezug von Kaltwasser, ferner die Miete der Wasseruhren sowie die Kosten der Abrechnung und der Abwasserbeseitigung enthalten.

Vor dem Amtsgericht hat der Antragsteller zu 1 beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 11.9.1998 zu TOP 3 (Jahresabrechnung 1997) in den Einzelpositionen "Mahn- und Gerichtskosten" und "Heizkostenabrechnung" für ungültig zu erklären. Zur Einzelposition Heizkostenabrechnung - die Position Mahn- und Gerichtskosten ist nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens - hat der Antragsteller zu 1 im Antragsschriftsatz vom 12.10.1998 gerügt, die Kosten für Heizung und Warmwasser hätten nicht gemäß § 9 HeizkostenV für eine verbundene Anlage aufgeteilt werden dürfen, ferner seien Kosten für Abrechnung und Gerätemiete für zusätzliche Wasseruhren zu Unrecht in die nach Verbrauch aufgeteilten Kosten aufgenommen worden, obwohl die Kosten für diese zusätzlichen Wasseruhren bestimmten Wohnungseigentümern angelastet werden müssten. In einem weiteren Schriftsatz vom 18.'6.1999 hat der Antragsteller zu 1 zusätzlich gerügt, dass die Kanalgebühren für 1997 unrichtig abgerechnet seien, da der eingesetzte Gesamtbetrag für die angegebene Abwassermenge einen Preis von 3,6509 DM/mn ergebe, während die Stadt 3,70 DM/mn berechne.

In einem Schriftsatz vom 26.9.1999 bezweifelte der Antragsteller zu 1 auch noch die Richtigkeit der Abrechnung über die Wasserkosten, indem er darauf hinwies, dass die Abrechnung durch das Abrechnungsunternehmen einen Preis von 3,13 DM pro mn für das verbrauchte Wasser ergebe, während durch das Wasserwerk nur 2,57 DM pro mn in Rechnung gestellt worden sei.

Mit Beschluss vom 3.12.1999 hat das Amtsgericht, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse, den Eigentümerbeschluss zu TOP 3 (Jahresabrechnung 1997) nur in der Position "Mahn- und Gerichtskosten" für ungültig erklärt, im übrigen den Antrag des Antragstellers zu 1 aber abgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 1, mit der er seinen Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 3 in der Position "Heizkostenabrechnung" weiterverfolgte, hat das Landgericht mit Beschluss vom 16.3.2001 zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers zu 1.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat, weitgehend unter Bezugnahme auf die Darlegungen des Amtsgerichts, ausgeführt:

Zwar habe der Antragsteller zu 1 zu Recht beanstandet, dass Kosten für die Anmietung und Ablesung von Wasserzählern, die von einzelnen Wohnungseigentümern zusätzlich installiert worden seien, zu Unrecht auf alle Wohnungseigentümer umgelegt worden seien, anstatt sie den betreffenden Wohnungseigentümern alleine anzulasten. Doch wirke sich dieser Fehler bei der Einzelabrechnung des Antragstellers zu 1 mit so geringen Beträgen aus, dass eine Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung insoweit nicht erforderlich sei. Die Interessen des Antragstellers würden voll gewahrt, wenn dieser Fehler in der Jahresabrechnung für das Folgejahr korrigiert werde. Hinsichtlich der Abrechnungspunkte "Wasser" und "Kanal" habe das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers zu 1 ohne sachliche Prüfung zu Recht abgewiesen; denn die Beanstandungen seien erst im Jahr 1999 erhoben worden, zu einem Zeitpunkt also, zu dem nach § 23 Abs. 4 WEG Bestandskraft des Eigentümerbeschlusses in diesen Punkten eingetreten sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass im Wohnungseigentumsverfahren als einem echt - en Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Dispositiongsgrundsatz gilt (Staudinger/Wenzel WEG Vorbem. zu §§ 43 ff. Rn. 5), so dass ein Antragsteller seinen Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung wirksam auf einzelne Abrechnungspositionen beschränken kann. Doch hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass sich die Beschränkung des Antrags in erster Linie aus den Rügen des Antragstellers zu 1 ergebe. Maßgebend für den Umfang eines Antrags auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses ist in erster Linie der Wortlaut des Antrags selbst. Daneben ist insbesondere das Protokoll der Eigentümerversammlung und die von den Wohnungseigentümern beschlossene Jahresabrechnung vom 25.8.1998 heranzuziehen. Diese Jahresabrechnung enthält die Einzelposition "Heizkostenabrechnung", die aber nicht weiter aufgeschlüsselt ist. Da der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung einem Begründungszwang überhaupt nicht unterliegt (Staudinger/Wenzel Vorbem. zu §§ 43 Rn. 23), dürfen nicht allein die vom Antragsteller vorgetragenen Rügen und Beanstandungen zur Bestimmung des Umfangs einer Überprüfung der von der Anfechtung erfassten Abrechnungsposition herangezogen werden. Im vorliegenden Fall spricht gegen eine Einschränkung der Überprüfung auf Teilbeträge der Position "Heizkostenabrechnung" zudem der Satz, der Beschluss betreffe auch die Einzelposition Heizkostenabrechnung der Jahresabrechnung "mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 237033,26 DM in der Antragsschrift. Damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Position "Heizkostenabrechnung" insgesamt der Überprüfung durch das Gericht unterzogen werden soll.

Das Wohnungseigentumsgericht hat alle in Betracht kommenden Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe, soweit sie die beanstandete Abrechnungsposition betreffen, von Amts wegen zu prüfen (Staudinger/Wenzel § 43 Rn. 41). Dem gemäß bleibt es dem Antragsteller auch unbenommen, im Rahmen seines Antrags neue und zusätzliche Beanstandungen vorzubringen, mit denen sich sachlich zu befassen selbstverständliche Pflicht des Gerichts auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist.

Das Landgericht hätte deshalb im vorliegenden Fall die Beanstandungen des Antragstellers hinsichtlich der Abrechnung für Kaltwasser und für die Abwasserbeseitigung nicht nur sachlich überprüfen, sondern auch die dazu erforderlichen Feststellungen von Amts wegen treffen müssen. Da dem Senat eigene Tatsachenfeststellungen versagt sind, ist die Sache an das Landgericht zur Nachholung der Sachprüfung und Tatsachenermittlung zurückzuverweisen.

3. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird das Landgericht zu entscheiden haben.

Den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren setzt der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung vom 28.8.2001 (ZMR 2002, 66) mit 15 % der angefochtenen Position auf 18200 EUR fest.

III.

Für das weitere Verfahren wird das Landgericht insbesondere auch folgendes zu berücksichtigen haben:

Die Jahresabrechnung muss nach h. M. in der Rechtsprechung eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben in dem betreffenden Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) enthalten. Sie muss für einen Wohnungseigentümer auch ohne Zuziehung eines Buchprüfers oder sonstiger Sachkundiger verständlich sein (BayObLGZ 1993, 185/188 = NJW-RR 1993, 1166/1167; OLG Hamm ZWE 2001, 446/447; Demharter ZWE 2001, 416/417; vgl. auch Staudinger/Bub § 28 Rn. 323 ff.). Eine Ausnahme wird für notwendig angesehen bei der Heizkostenabrechnung, wenn das, was an Heizöl (Gas/Fernwärme) in der Abrechnungsperiode verbraucht wird, nicht aber innerhalb dieser Periode auch bezahlt wird (BayObLGZ 1993, 185/188; OLG Hamm ZWE 2001, 446/448). Dann sind Rechnungsabgrenzungsposten entsprechend den im Vorjahr geleisteten Zahlungen für den Verbrauch im Abrechnungsjahr und entsprechend den im Abrechnungsjahr für den Verbrauch im Folgejahr geleisteten Zahlungen zu bilden (vgl. die Modellrechnung des OLG Hamm ZWE 2001, 446/450). Entsprechendes wird auch für eine Abrechnung der Kosten für Kaltwasser und Abwasserbeseitigung zu gelten haben, wenn diese Kosten nach den Vereinbarungen (Gemeinschaftsordnung) der Wohnungseigentümer nach Verbrauch zu verteilen sind und das Wasserwerk bzw. die Gemeinde das Wasser und Abwasser nicht nach dem Kalenderjahr in Rechnung stellt. Auf diese Weise könnte eventuell den Rügen des Antragstellers in diesem Punkt Rechnung getragen werden.

Wenn Wasser und Abwasser nach gemessenem individuellen Verbrauch unter den Wohnungseigentümern abzurechnen ist, wird eine ordnungsmäßige Abrechnung auch nicht davon absehen dürfen, die gesamte für die Wohnanlage bezogene Wassermenge, nach der auch das Abwasserentgelt berechnet wird, aufzuteilen in die in den einzelnen Wohnungen gemessenen Verbrauchsmengen und eine für Gemeinschaftszwecke bezogene Menge an Wasser, die nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel (Miteigentumsanteile oder Wohnfläche oder was sonst vereinbart ist) aufgeteilt werden muss.

Ob im vorliegenden Fall die Abrechnung der Kosten für Kaltwasser und Abwasser diesen Grundsätzen entspricht, lässt sich den bei den Akten befindlichen Unterlagen nicht entnehmen, zumal nicht einmal die Gemeinschaftsordnung vorgelegt wurde.

Ende der Entscheidung

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